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Wo Monumente zum Ornament werden

Anfang Juni ist in Venedig die 14. Architekturbiennale eröffnet worden. „Fundamentals“ macht der holländische Stararchitekt, Urbanist und Theoretiker Rem Koolhaas als Chefkurator zum Thema: Nach Jahren der Huldigung des Zeitgenössischen rückt der 69-Jährige Architekturelemente wie Türen, Wände, Böden und Decken und eine Auseinandersetzung mit 100 Jahren Architekturentwicklung ins Zentrum.

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Diesmal solle die Architektur, nicht die Architekten im Mittelpunkt stehen, dekretierte Koolhaas. Sein Konzept möchte er in einem Dreistufenplan verwirklichen: „Absorbing Modernity: 1914 - 2014“ ist eine Einladung an alle teilnehmenden Länder, sich mit ihrem eigenen nationalen Beitrag zur Architekturgeschichte des letzten Jahrhunderts auseinanderzusetzen.

„Elements of Architecture“ breitet im Zentralpavillon der Giardini umfassende Recherchen zu Architekturdetails wie Balkonen und Stiegen, Toiletten und Kaminen, Fassaden und Gängen aus. Für „Monditalia“ bespielt Italien das sonst der zentralen Ausstellung gewidmete Arsenale.

Ausstellung "Elements of Architecture" im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig

APA/EPA/Andrea Merola

„Elements of Architecture“ betrachtet Details der Baukunst aus ihrem Kontext gelöst

Parlamentarisches aus Österreich

Der von Christian Kühn als Kommissär gemeinsam mit seinem TU-Wien-Kollegen Harald Trapp konzipierte österreichische Beitrag „Plenum. Places of Power“ ist dem Parlament als Ort jener Macht, die vom Volk ausgeht, gewidmet. „Wie sehen diese Orte aus? Und wie stehen sie in Verbindung zu einer Öffentlichkeit, deren Vertrauen in die demokratische Willensbildung global zu schwinden scheint?“, sind Fragen, die Kühn stellen und mit einem „Minimundus“ von 1:500-Modellen aller rund 200 nationalen Parlamentsgebäude der Welt beantworten möchte.

„Dieses Plenum zeigt, welche Botschaften der Architektur im Fall des Parlaments oft aufgebürdet werden: nationale Identität, ewige Dauer, Konformität mit historischen Leitbildern, aber auch zwanghafte Darstellung eines Neubeginns“, so Kommissär Kühn. „Die Modelle sind in einem strengen Raster an den Wänden befestigt und scheinen aus der Mauer herauszuwachsen. In ihrer massenhaften Anordnung werden die Monumente zum Ornament.“

In den beiden Nebenräumen des von Josef Hoffmann gebauten Österreich-Pavillons werden das von Theophil Hansen entworfene und demnächst einer Sanierung unterzogene österreichische Parlament an der Ringstraße sowie zwei Projekte von Coop Himmelb(l)au, der Entwurf für das Albanische Parlament in Tirana und das Konferenzzentrum in Dalian/China, im Detail vorgestellt.

„Ungeordnetes Grün“ im Hof

Im Hof des Pavillons haben die Landschaftsarchitekten Maria Auböck und Janos Karasz einen Garten geplant, der „das rationalistische Quadratraster der Bodenplatten“ ersetzen und „das ungeordnete Grün der Umgebung“ hereinholen soll. In einer von der Gruppe Kollektiv/Rauschen entwickelten Klanginstallation sollen kleine Lautsprecher „den Garten zum Sprechen“ bringen. Dazu werden etwa Twitter-Meldungen zu politischen Ereignissen der jüngeren Vergangenheit vertont. Insgesamt stand für den Österreich-Beitrag ein Budget von 400.000 Euro zur Verfügung.

Außenansicht des Österreich-Pavillon im Rahmen der Architektur-Biennale in Venedig

APA/Andreas Balon

Twitter-Meldungen vertont: Im Hof des Österreich-Pavillons bringen Lautsprecher „den Garten zum Sprechen“

Mehr aus Österreich in der Lagunenstadt

Im Rahmen der bis 23. November geöffneten Architekturschau, zu der 65 Länder nationale Beiträge in die Lagunenstadt schicken, sind noch weitere österreichische Teilnehmer in Venedig präsent. Die niederländische Non-Profit-Organisation Global Art Affairs hat für die Ausstellung „Time Space Existence“ über 100 Architekturbüros aus mehr als 40 Ländern eingeladen, ihre Visionen und Intentionen in zwei venezianischen Palazzi zu präsentieren.

Im Palazzo Bembo zeigen Baar-Baarenfels ihre Umgestaltung des Wiener Palais Rasumovsky, Waltraud Cooper zeigt Lichtinstallationen, heri&salli (Heribert Wolfmayr und Josef Saller) ein Projekt für Strasshof, das Büro Ebner + Greutmann + Bolzern ist ebenso mit dabei wie Ernst Giselbrecht. Im Palazzo Mora zeigt AllesWirdGut den Firmensitz für das Unternehmen Doppelmayr, den das Büro in Wolfurt realisiert, Caramel Architekten sind mit der Installation Caramelusion vertreten.

Die Universität für Angewandte Kunst und die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung lädt am Samstag (14.00 Uhr) zu einer Podiumsdiskussion über Kieslers Einfluss auf Architektur und Kunst des 21. Jahrhunderts ins Arsenale, an der unter anderen Architekt Hani Rashid und Künstler Erwin Wurm teilnehmen.

Goldener Löwe für Phyllis Lambert

Die offizielle Eröffnung der 14. Architekturbiennale fand am Samstag in den Giardini statt. Dabei werden auch ein Goldener und ein Silberner Löwe für einen Nationen-Pavillon sowie ein Silberner Löwe für ein Forschungsprojekt im Rahmen von „Monditalia“ vergeben. Die 87-jährige kanadische Architektin und Philanthropin Phyllis Lambert erhält den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

„Die Architekten schaffen Architektur, Lambert hat Architekten geschaffen“, betonte die Biennale-Leitung in Bezug auf die philanthropische Arbeit Lamberts. In den 1950er Jahren entwarf Lambert das Saidye Bronfman Centre in Montreal, das heutige Segal Centre for Performing Arts. Bei der Planung des 1958 fertiggestellten Seagram Building in New York City sorgte sie dafür, dass Ludwig Mies van der Rohe der Chefarchitekt wurde. Zusammen mit diesem entwarf sie in der Folgezeit das Toronto Dominion Centre.

Lambert wurde durch ihre Mitarbeit in verschiedenen lokalen Vereinigungen zu einer prominenten Vertreterin zum Schutz von älteren Gebäuden oder auch Stadtbezirken in ihrer Heimatstadt Montreal. Das Canadian Centre for Architecture, ein Museum und Forschungszentrum im Shaughnessy Village vor den Toren Montreals, wurde von Lambert gegründet und großzügig finanziell ausgestattet - was ihr den Spitznamen „Montreal’s Joan of Architecture“ einbrachte.

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