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Kampf um Maliki-Nachfolge

Alles schien auf eine dritte Amtszeit des 63-Jährigen an der Spitze der Regierung hinauszulaufen. Doch mit dem Vormarsch der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) im Norden und Westen des Landes gerät seine Macht ins Wanken. Schon längst hat der Kampf um einen möglichen Nachfolger Nuri al-Malikis begonnen.

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Die Rufe nach einer Ablösung des schiitischen Premierministers werden nicht nur im Ausland lauter, sondern auch im Irak selbst. Zwar verfügt Malikis Rechtsstaatallianz im Parlament über mehr als 90 Sitze - dennoch ist sie auf Koalitionspartner angewiesen, um eine Mehrheit für die neue Regierung zu bekommen.

Doch keiner der anderen großen politischen Blöcke scheint gewillt, dem Premier diese zu bescheren. Die Kurden, bisher im Kabinett von Maliki vertreten, wollen ihn derzeit ebenso wenig wiederwählen wie die sunnitischen Kräfte - die sich von dem autoritär agierenden Regierungschef schon seit langem benachteiligt fühlen. Deren größter Block, die Koalition al-Muttahidun, verlangt stattdessen eine „Regierung der nationalen Rettung“ mit jeweils einem Schiiten, einem Sunniten und einem Kurden an der Spitze.

Sistani fordert neues Kabinett

Nicht einmal unter den Schiiten findet Maliki noch uneingeschränkten Rückhalt. Unmut über die Politik in Bagdad ist etwa schon seit langem im südirakischen Basra zu hören, einer überwiegend von Schiiten bewohnten Stadt. Die „Basrawis“ fühlen sich von der starken Knute der Zentralregierung in Bagdad gegängelt.

Großajatollah Ali al-Sistani - als höchster schiitischer Geistlicher im Land auch in der Politik eine einflussreiche Stimme - nutzte zuletzt die für Schiiten heilige Stadt Kerbala für eine Botschaft an Maliki. In seiner Freitagspredigt forderte er ein neues Kabinett, das alle großen politischen Blöcke einbezieht und die Fehler der Vorgängerregierung vermeidet - eine deutliche Kritik.

Mobilisierung zur Verteidigung

Zugleich mobilisieren Sistani sowie der radikale Schiitenprediger Muktada al-Sadr ihre Anhänger zur Verteidigung schiitischer Stätten in dem Land gegen sunnitische Extremisten. Sadrs Unterstützer gingen am Wochenende in Militäruniformen zu Tausenden auf die Straße, um ihre Macht zu demonstrieren. Beobachter fürchten, dass solche Aktionen die Feindschaft zwischen Sunniten und Schiiten im Land weiter vertiefen.

Malikis von Schiiten dominierte Regierung hat die Sunniten im Land systematisch diskriminiert und damit der neuen Krise und dem Vormarsch der Dschihadistenmiliz ISIS den Weg bereitet. Zum Ende der zweiten Amtszeit des Premiers steht das Land nicht nur vor einem neuen Bürgerkrieg, sondern auch vor dem Zerfall.

Mehrere Namen im Umlauf

In Bagdad kursieren bereits mehrere Namen, wer künftig die Regierung leiten könnte. Gehandelt wird etwa Adil Abd al-Mahdi, ein Ökonom, der nach dem Sturz Saddam Husseins vor elf Jahren bereits Finanzminister und bis 2011 Vizepräsident war. Genannt wird auch der Name von Wissenschaftsminister Ali al-Adib, ein Parteifreund Malikis.

Allerdings sind die politischen Parteien im Irak derart zerstritten, dass eine Einigung auf einen Kompromisskandidaten schwierig sein dürfte. Und Maliki denkt nicht daran, Platz für andere zu machen. Er versucht, die aktuelle Krise sogar noch zur Ausweitung seiner Macht zu nutzen. Nachdem das Parlament sich seiner Forderung widersetzt hatte, den Notstand im Irak zu erklären, begann er zwar einen Dialog mit Vertretern anderer politischer Blöcke. Zugleich ging Maliki aber dazu über, Freiwillige - die sich nach seinem Aufruf den Dschihadisten entgegenstellen - zu bezahlen und damit den Einfluss der regulären Armee weiter zu mindern.

ICG: „Sicherheitsapparat geschwächt“

Analysten der International Crisis Group (ICG) resümieren: „Unter Ministerpräsident Maliki wurde der Sicherheitsapparat geschwächt, das Parlament zahnlos gemacht und andere Institutionen wurden ausgeweidet.“ Allein ein US-Militärschlag würde ihrer Meinung nach wenig bringen und die Lage vielleicht sogar verschlimmern. Ein Aufstand könne nur erfolgreich bekämpft werden mit einer wirksamen Armee, einer anerkannten Polizei und einer legitimen politischen Führung, sagen sie. Doch nach acht Jahren Regierung unter Maliki gibt es im Irak nichts davon.

Jan Kuhlmann und Mey Dudin, dpa

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