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Zehntausende Pflanzen vernichtet

In dem als Europas „Cannabis-Hauptstadt“ bekannten albanischen Dorf Lazarat hat die Polizei mehr als zehn Tonnen Marihuana beschlagnahmt und zerstört. Auch Zehntausende Cannabispflanzen seien vernichtet worden, erklärte die Polizei am Mittwoch. Mittlerweile dauert die Belagerung des südalbanischen Ortes durch rund 800 Sicherheitskräfte schon vier Tage in Folge.

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In mehreren Häusern im Zentrum von Lazarat verschanzten sich Drogenhändler und schossen mit Kalaschnikows auf die mit kugelsicheren Westen geschützten Polizisten. Eine Polizeisprecherin sagte, die Sicherheitskräfte hätten inzwischen einen guten Teil des Dorfes unter ihre Kontrolle gebracht. Zeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP, dass viele Dorfbewohner Cannabispflanzen verbrannt hätten, um Beweise zu vernichten, bevor sie den Ort Mittwochfrüh verlassen hätten.

Albanische Polizeibeamte

APA/AP/Hektor Pustina

An mehreren Stellen wurden die Cannabispflanzen verbrannt

Mit Panzerfäusten gegen Polizei

Am Montag hatte die Polizei vor schweren Waffen, Panzerfäusten und Granaten zurückweichen müssen. Danach rückte sie mit gepanzerten Fahrzeugen an, um Lazarat unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ein Polizist wurde verletzt. Am Dienstag gab es nach Polizeiangaben in Lazarat zwei weitere Verletzte. Die beiden nicht aus dem Dorf stammenden Schäfer seien von Kugeln der Drogenhändler getroffen worden. Die Polizei forderte alle Nicht-Dorfbewohner auf, Lazarat zu verlassen. Sie befänden sich in tödlicher Gefahr, weil die Rauschgifthändler sie als „verdächtig“ ansähen.

Auch am Donnerstag hielten sich zahlreiche Verdächtige verschanzt. Die Polizei befürchtete, dass sie andere Dorfbewohner - auch Frauen und Kinder - als menschliche Schilde verwenden würden. Laut albanischen Medien führt nur eine Straße in das Zentrum des Orts. Und auf dieser seien Scharfschützen der Drogenhändler postiert. Mittlerweile wurde auch bekannt, dass die Operation der Behörden monatelang vorbereitet wurde.

Innenminister für harte Linie

Polizeichef Artan Didi sagte, eine „Gruppe von Kriminellen“ habe die Einwohner des Dorfes in Geiselhaft genommen. Die Drogengangster müssten das Feuer einstellen und ihre Waffen übergeben. Der Polizei zufolge wurden sechs Menschen unter dem Verdacht festgenommen, auf Sicherheitskräfte geschossen zu haben.

Albanische Polizeibeamte

APA/AP/Hektor Pustina

Polizei stieß auf heftige Gegenwehr

Bürgermeister Dashnor Aliko sagte Reportern am Dienstag, er verhandle mit den Drogenhändlern darüber, ob sie sich selbst stellen. Innenminister Saimir Tahiri sagte dagegen, mit den „kriminellen Geiselnehmern“ gebe es „nichts zu verhandeln“. Es werde für sie „keine Toleranz“ geben.

Unfassbare Umsätze

Bewaffnete und vermummte Männer griffen am Dienstag einen Journalisten an und zerstörten seine Kamera, als er das Dorf filmen wollte. Bereits am Montag hatten Dorfbewohner drei Mitglieder einer Reporterteams des albanischen Fernsehens angegriffen, ihr Fahrzeug in Brand gesteckt und ihre Habe beschlagnahmt.

Im 240 Kilometer südlich von Tirana gelegenen Lazarat werden der italienischen Polizei zufolge auf 300 Hektar jährlich 900 Tonnen Cannabis im Wert von 4,5 Milliarden Euro produziert. Das entspricht fast der Hälfte des albanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Vor zehn Jahren hatten Bewohner von Lazarat auf einen italienischen Hubschrauber geschossen, den sie verdächtigten, die Cannabisfelder zerstören zu wollen. Dass die Polizei so lange nicht eingegriffen hat, führen Beobachter auf Korruption zurück.

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