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Fronten zuletzt verhärtet

Russland stoppt die Gaslieferungen an die Ukraine. Der russische Gaskonzern Gasprom teilte nach dem Verstreichen eines Ultimatums am Montag um 8.00 Uhr MESZ mit, dass ab sofort nur noch gegen Vorauszahlung an den ukrainischen Gasversorger Naftogas geliefert werde.

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„Ab heute wird das ukrainische Unternehmen nur noch russisches Gas erhalten, für das es bezahlt hat“, hieß es in einer Mitteilung von Gasprom. In der Nacht auf Montag waren die Gasverhandlungen zwischen Kiew und Moskau über die Bezahlung der ukrainischen Gasschulden und die künftige Höhe des Gaspreises gescheitert. Bis Montagfrüh sollte Kiew 1,951 Milliarden Dollar (rund 1,44 Mrd. Euro) an Gasprom zahlen. Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte zuletzt 385 Dollar (284,47 Euro) pro 1.000 Kubikmeter Gas als letztes Angebot genannt. Kiew lehnte das jedoch als zu hoch ab.

Die Ukraine bestätigte die Einstellung der Gaslieferungen. Der ukrainische Energieminister Juri Prodan betonte zugleich, dass die Ukraine den Transit von russischem Gas für den europäischen Markt fortsetzen werde.

Gasprom warnt EU vor „Beeinträchtigungen“

Gasprom hatte nach dem Lieferstopp Lieferschwierigkeiten für die EU-Staaten nicht ausgeschlossen. Wie aus Gasprom-Kreisen verlautete, sei die Europäische Union vor „möglichen Beeinträchtigungen“ gewarnt worden. Gasprom betonte, dass die mit den Europäern vertraglich vereinbarten Mengen weiterhin zu Transitzwecken in die Ukraine geleitet werden. Kiew sei verpflichtet, das Gas nach Mitteleuropa weiterzuleiten, betonte der russische Gaskonzern. Die für die Ukraine bestimmten Gaslieferungen seien dagegen gestoppt worden, hieß es aus Gasprom-Kreisen.

Oettinger will weiterverhandeln

EU-Energiekommissar Günther Oettinger appellierte am Montag an Russland, ein Kompromissangebot „vielleicht mit leichten Abänderungen“ nochmals zu überlegen. Oettinger zeigte sich zuversichtlich, dass Russland den Westen weiter mit Gas versorgen wird. Zugleich machte der EU-Kommissar bei einer Pressekonferenz in Wien klar, dass er weiter auf Verhandlungen setzt. Er habe den Ehrgeiz, auf der Suche nach einem Kompromiss nicht nachzulassen, und werde nach einer Sondierungsphase erneut zu trilateralen Gesprächen einladen, sagte Oettinger am Montag in Wien.

Momentan bestehe bei der Versorgungssicherheit zwar kein akutes Problem. Das könnte aber europaweit im Winter der Fall sein. „Wenn die Speicher jetzt nicht gefüllt werden, bekommen wir alle im Winter möglicherweise ein Problem.“ Russland und die Ukraine hatten sich nicht auf einen Kompromiss zur Zahlung alter Milliardenschulden und zur Festlegung eines Gaspreises einigen können.

Gespräche sollen weitergehen

Wann und wie die Verhandlungen weitergehen sollen, ist aber noch offen. Bereits Sonntagabend hatte es von Verhandlern geheißen, die Gespräche würden wohl auch nach Auslaufen der Frist weitergehen. An den Gesprächen in Kiew waren der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk, der Chef des russischen Gasprom-Konzerns, Alexej Miller, und Oettinger beteiligt.

Auch EU-Staaten betroffen

Die Ukraine bezieht die Hälfte ihres Gasbedarfs aus Russland und leitet 15 Prozent des in Europa verbrauchten russischen Gases durch ihr Staatsgebiet. Bereits in den vergangenen Jahren war es im Streit über offene Rechnungen zu Unterbrechungen der Gaslieferungen an die Ukraine gekommen. Das bekamen auch Abnehmer in der Europäischen Union zu spüren.

Ministerpräsident Jazenjuk forderte die zuständigen Behörden nach eigenen Angaben bereits auf, alle notwendigen Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass Russland nach dem Verstreichen des Zahlungsultimatums den Gashahn zudreht. Am Freitag sagte Jazenjuk zudem, die Ukraine werde Russland vor dem internationalen Schiedsgericht in Stockholm verklagen.

Abschuss belastet Verhandlungen

Die Verhandlungen fanden zuletzt in extrem angespannter Atmosphäre statt, nachdem prorussische Separatisten am Samstag im Osten der Ukraine ein ukrainisches Militärflugzeug abgeschossen hatten. Bei dem folgenschwersten Angriff seit Beginn des ukrainischen Militäreinsatzes im Osten des Landes wurden 49 Soldaten getötet. Die Ukraine gedachte der Toten am Sonntag mit einem Tag der Trauer.

„Zynischer Akt des Terrors“

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko drohte den prorussischen Separatisten mit Vergeltung. Der Angriff sei ein „zynischer Akt des Terrors, der bestraft werden wird“, so Poroschenko am Samstag. In Kiew attackierten wütende Demonstranten die russische Botschaft. Auch ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland wurde nicht ausgeschlossen.

Falls Russland auch weiterhin zur Verschärfung der Lage im Osten der Ex-Sowjetrepublik beitrage, müsse die Ukraine zu diesem „äußersten Mittel“ greifen, so Außenminister Andrej Deschtschiza am Sonntag in Kiew. Russland verhindere nicht, dass über die gemeinsame Grenze Verstärkung für die Aufständischen gelange. Der Sicherheitsrat in Kiew werde daher morgen über eine mögliche Schließung der Grenze beraten, so Deschtschiza. Auch die USA werfen Russland vor, den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine Panzer und Raketenwerfer geliefert zu haben.

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