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Biwaks schon „völlig überfüllt“

Für den verletzten Höhlenforscher Johann Westhauser hat der lange Weg nach oben begonnen - fünf Tage nach seinem Unfall in der Höhle. Am späten Freitagnachmittag ging der Transport los, wie die Bergwacht in Berchtesgaden mitteilte.

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„Transport startet jetzt“, hieß es demnach um Punkt 17.28 Uhr über das spezielle Textnachrichtenprogramm, das der Bergwacht die Kommunikation mit Westhauser und seinem Arzt ermöglichen. Nach Angaben der Bergwacht und der zuständigen Mediziner ist der Zustand des Forschers unverändert stabil. Er sei ansprechbar und kommunikationsfähig. Aber: „Der Patient ist noch lange nicht über den Berg, es können Komplikationen auftreten.“ Eigentlich müsste er auf der Intensivstation liegen.

Der 52-jährige Westhauser hatte am Sonntag durch einen Steinschlag ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und ist seitdem in der Höhle in 1.000 Metern Tiefe bei Berchtesgaden gefangen. Mehrere Höhlenretter und ein österreichischer Arzt sind derzeit bei ihm, um ihn zu versorgen und zu bergen.

Vorerst keine Kommunikation möglich

Wie lange der beschwerliche Aufstieg dauern wird, ist nach Bergwacht-Angaben unklar. „Die bisherige Kalkulation mit einer Woche bleibt bestehen, tendenziell eher länger.“ Seit dem Aufbruch sei zunächst keine Kommunikation mehr mit Westhauser möglich, sagte ein Sprecher der Bergwacht.

Grafik zeigt stilisierte Höhle in Bayern

APA/ORF.at

Die Riesending-Schachthöhle ist Deutschlands längste und tiefste Höhle. Sie besteht aus engen Gängen, über Hunderte Meter fast senkrecht abfallenden Kaminen, unterirdischen Wasserläufen und unwegsamen Canyons, die sich über eine Länge von 19 Kilometern erstrecken.

Kabel-Telefonanlage für bessere Kommunikation

Davor hatte die Bergwacht bekanntgegeben, ein Höhlentelefon bis zu dem Verletzten runterlegen zu wollen, um damit regelmäßiger Kontakt mit ihm aufnehmen zu können. Die Retter sollen, während sie in die Riesending-Schachthöhle steigen, Kabel verlegen, sagte der Chef der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider, am Freitag in Berchtesgaden.

Bisher gebe es von dem Verletzten und seinen Ärzten nur „wortweise SMS-Meldungen“ über ein spezielles Textsystem. „Wir haben immer wieder Zeiten, Stunden ohne Meldung.“ In der Höhle funktionieren weder Funk noch Mobiltelefone. Die auf engsten Raum errichteten Biwaks seien durch die zahlreichen Retter inzwischen „völlig überfüllt“, sagte Schneider. Teils werde „im Sitzen oder Stehen versucht, sich zu regenerieren“.

Rettungsaktion beispiellosen Ausmaßes

Die Bergung des verletzten Forschers hat sich zu einer internationalen Höhlenrettungsmission von bisher wohl einmaligen Dimensionen entwickelt. Spezialisten aus Deutschland, Österreich, Italien sowie der Schweiz wurden zusammengezogen, um die logistisch äußerst anspruchsvolle Rettung des Mannes zu bewerkstelligen. Acht Teams von jeweils etwa vier Mann befanden sich am Freitag in der Höhle. Sie kümmern sich um den Forscher, transportieren Ausrüstung sowie Nahrung zu den fünf für die Rettungsaktion auf verschiedenen Ebenen eingerichteten Biwakstationen und arbeiten an den Seilhilfen für den bevorstehenden Krankentransport.

Helfen im Schichtsystem

Unterdessen trafen weitere Höhlenretter aus Italien am Unglücksort ein, um ihre teils seit Tagen im Einsatz befindlichen Kollegen abzulösen. Zusätzliche Schweizer Experten stehen der Bergwacht zufolge in ihrer Heimat bereit, um im Bedarfsfall anzureisen. „Wir bauen ein Schichtsystem auf“, sagte Schneider. Der Einsatz sei für alle „körperlich, psychisch extrem anstrengend“. Auch einer der beiden Ärzte, die seit Mittwoch bei dem Patienten ausharren, machte sich demnach am Freitag zurück auf den Weg an die Oberfläche. Als Ablösung für den Italiener stieg ein deutscher Mediziner hinab.

Verunglückter ist Mitentdecker der Höhle

Der Verunglückte, der als Extremsportler zu den erfahrensten Höhlenforschern Deutschlands zählt und im Bereich Physik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) der Universität arbeitet, ist Mitglied der deutschen Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt. Die Riesending-Schachthöhle war 2002 die größte Entdeckung der Arbeitsgemeinschaft.

Seither erforschen die Wissenschaftler die Höhle, entdeckten und dokumentierten viele Gangsysteme. Die jetzige Exkursion hatte einen noch unerforschten Höhlenabschnitt zum Ziel. Doch so weit kamen die Forscher gar nicht. Auf nicht ganz 950 Metern Tiefe traf den 52-Jährigen ein Stein am Kopf. Seine beiden Freunde bargen ihn. Einer harrte bei dem Verletzen aus, der andere stieg im Rekordtempo von zwölf Stunden auf, um Hilfe zu holen. Die Riesending-Schachthöhle besteht aus einem gigantischen Gangsystem mit einer Länge von 19,2 Kilometern und ist 1.148 Meter tief.

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