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Vorläufiges Ende eines jahrelangen Streits

Die EU-Umweltminister haben eine Regelung beschlossen, die Ausnahmen bei der Zulassung von genmanipulierten Pflanzen für einzelne Staaten möglich macht. Doch das Verfahren ist komplex. Die von Diplomaten bereits fixierte Einigung wurde am Donnerstag in Luxemburg bei einem Ministertreffen formell verabschiedet. Davor war jahrelang über eine Regelung gestritten worden.

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Österreich und andere Staaten wollen ihre Landwirtschaft weitgehend gentechnikfrei halten. Große EU-Staaten wie Großbritannien drängen aber darauf, Agrarkonzernen den Zugang zum Markt für ihre durch Genmanipulation veränderten Pflanzen zu erlauben.

Zweistufenmodell geplant

Bisher wird gentechnisch verändertes Saatgut in einem EU-Verfahren für ganz Europa zugelassen - nationale Ausnahmen sind rechtlich schwer durchzusetzen. Geplant ist nun ein Zweistufenmodell: Im ersten Anlauf stellen Agrarkonzerne wie etwa Monsanto einen Antrag auf Zulassung von Saatgut in ganz Europa. Die Kommission verhandelt dann mit dem Konzern über Ausnahmen für einzelne Länder, die das nicht wollen.

Stimmt das Unternehmen nicht zu, kann in einem zweiten Verfahren erneut von einem Staat, etwa Österreich, eine Ausnahme beantragt werden. Dabei dürfen nationale Eigenheiten, etwa der Artenschutz und kleinräumige Landwirtschaft, ins Feld geführt werden. Der Grund für das komplexe Verfahren ist die Rechtssicherheit: Es soll verhindert werden, dass Konzerne die Zulassung von Gensaatgut vor Gericht durch Klagen erzwingen.

„Mache mir keine großen Gedanken über Monsanto“

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) begrüßte vor der Beschlussfassung gegenüber seinen Ministerkollegen in Luxemburg die Neuregelung. „Ich denke, dass es ein großer Schritt in die richtige Richtung war“, so Rupprechter. Ausnahmen für Österreich würden auch vor Gericht bestehen, sagte er unmittelbar vor dem endgültigen Beschluss: „Ich bin überzeugt, dass das hält.“

Er betonte seine Zuversicht, dass die Neuregelung auch dem Drängen von Konzernen standhalten könne. „Ich mache mir keine großen Gedanken über Monsanto und so weiter“, sagte der Minister. Österreich werde auf EU-Ebene weiter auf eine umfassendere Regelung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) drängen. Ein entsprechendes Gesuch werde an die neue EU-Kommission gerichtet, die im Herbst ihre Arbeit aufnehme.

Kritik von Grünen und NGOs

Doch nicht alle sehen die Neuregelung derart positiv: Kritik gab es von Umweltorganisationen und von den Grünen. Global 2000 bezeichnete die neuen EU-Regeln als „Betrug“, da nun die Mitgliedsstaaten nicht mehr wie bisher die Zulassung von Gentechsaatgut in der ganzen EU blockieren könnten. Die Grünen fordern „ein bedingungsloses Recht der Regionen, Gentechnik auf dem Acker zu verbieten“.

Greenpeace sieht den Vorschlag - entgegen der Argumentation Rupprechters - als „rechtlich nicht wasserdicht. Länder, die solche Verbote erlassen, müssen mit Klagen von der Industrie rechnen. Selbstbestimmung sieht anders aus“, kritisierte Huem Otero, Landwirtschaftssprecherin von Greenpeace. Besonders besorgt zeigte sich Otero darüber, dass Umweltrisiken, die im Risikobewertungsverfahren mangelhaft behandelt wurden, von den Staaten nicht als Grund für ein Verbot zugelassen sind.

Skepsis aus den Reihen der EU-Staaten

Auch aus den Reihen der EU-Staaten gab es Skepsis. Luxemburgs Umweltministerin Carole Dieschbourg erklärte die Enthaltung ihres Staates. Sie frage sich, ob der nun getroffene Kompromiss nicht zu einer „Welle der Zulassungen“ von Gentechniksaatgut führen werde. Rupprechter widersprach dem später vor Journalisten: Er glaube nicht, dass es mehr Gentechnik auf Europas Äckern geben werde. Die Konzerne zögen sich angesichts der komplexeren Regelung eher zurück.

Kritik - wenn auch anderslautend - kam aus den Reihen der Gensaatgutindustrie: Die neue EU-Regelung sende die schlechte Botschaft, „dass es in Ordnung ist, die Wissenschaft zu ignorieren und Dinge aus populistischen Zwecken zu verbieten“, kritisierte ein Sprecher des Agrarkonzerns Monsanto. Wann konkret die neue Regelung für GVOs in Kraft treten kann, ist noch nicht ganz klar. Geht es schnell, könnte es nach Verhandlungen mit dem EU-Parlament in der zweiten Jahreshälfte 2014 geschehen. Spätestens kommt die Rechtsvorschrift aber bis Mitte 2015.

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