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Erdogan berief Sondersitzung ein

Dschihadistische Kämpfer haben laut türkischen Regierungsangaben das Konsulat der Türkei in der nordirakischen Stadt Mossul gestürmt und dabei 48 Menschen als Geiseln genommen. Unter ihnen seien der türkische Konsul, Angehörige einer Spezialeinheit, Konsulatsangestellte und mehrere Kinder, hieß es vonseiten der türkischen Regierung.

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Kämpfer der sunnitischen Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) brachten die Geiseln vom Konsulat zu einem Militärstützpunkt, alle sind unverletzt. Seit Dienstag werden zudem 30 Lkw-Fahrer vermisst, die Diesel zum Kraftwerk von Mossul liefern sollten. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan berief am Mittwoch eine Sondersitzung zur Lage im Irak ein.

Türkei droht Kidnappern mit „harter Vergeltung“

Jeder, der in die Geiselnahme verstrickt ist, müsse mit „scharfer Vergeltung“ rechnen, sollte den türkischen Staatsbürgern etwas passieren, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu am Mittwoch. Der Minister äußerte sich am UNO-Sitz in New York, türkische Medien verbreiteten seine Erklärung. Zugleich habe die Türkei die Einberufung einer NATO-Dringlichkeitssitzung gefordert, berichteten türkische Medien am Mittwochabend.

Zerstörung nach Kämpfen im Irak

Reuters

Rauchwolken über Mossul

Die Türkei unterhält enge Beziehungen zum kurdisch dominierten Gebiet nördlich der Stadt und sieht sich traditionell als Beschützer für die türkische Minderheit im Irak. Davutoglu, der eigentlich eine Rede vor der UNO in New York halten sollte, brach seine Reise vorzeitig ab.

UNO-Chef Ban fordert Freilassung

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die sofortige Freilassung der Geiseln. „Geschockt habe ich davon erfahren, dass die Terroristen den Generalkonsul der Türkei und viele andere Diplomaten, die in Mossul arbeiten, gekidnappt haben“, sagte Ban am Mittwoch. Eine solche Attacke könne unter keinen Umständen gerechtfertigt werden.

„Ich halte die Regierung des Irak und die ganze internationale Gemeinschaft an, sich zusammenzutun, um alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und alles Mögliche zu unternehmen, damit diese Diplomaten so bald wie möglich wieder sicher und gesund freigelassen werden können.“

USA und Iran sichern Irak Unterstützung zu

Die US-Regierung schloss sich der Forderung an und kündigte zusätzliche militärische Unterstützung an. Man arbeite mit der irakischen Regierung an einem Vorgehen gegen die „anhaltende Aggression“ der Terrorgruppe ISIS, sagte die Sprecherin im US-Außenamt, Jennifer Psaki. Ein US-Diplomat habe sich bereits mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki sowie mehr als einem Dutzend Führern getroffen, um über die brenzlige Lage zu beraten.

Der britische Außenminister William Hague sagte am Mittwoch, die Entsendung von Truppen in den Irak käme „nicht in Frage“. Zwar sei die Situation in dem Land sehr besorgniserregend, doch habe der Irak ausreichend Truppen, um der Bedrohung zu begegnen. Großbritannien war der wichtigste Verbündete der USA beim Angriff auf den Irak.

„Die Islamische Republik Iran verurteilt die Ermordung irakischer Bürger und unterstützt die Regierung und das irakische Volk beim Kampf gegen den Terrorismus“, sagte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur IRNA. Der Iran ist ein enger Verbündeter von Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, der der schiitischen Bevölkerungsmehrheit angehört.

Hunderttausende auf der Flucht

Die Dschihadisten hatten mit einer Blitzoffensive am Dienstag die nordirakische Millionenstadt Mossul und die umliegende Provinz Ninive unter ihre Kontrolle gebracht. Hunderttausende Menschen sollen auf der Flucht sein. Die Streitkräfte sollen sich zumeist kampflos zurückgezogen haben. Viele Soldaten sollen ihre Uniformen abgelegt haben und geflohen sein.

Karte zeigt das von der ISIS-Terrorgruppe kontollierte Gebiet

APA/ORF.at

Am Mittwoch nahmen die Extremisten auch die Stadt Tikrit ein. Später wurden zudem Kämpfe in Samarra gemeldet, die nur 110 Kilometer nördlich von Bagdad liegt. Wie das Staatsfernsehen unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, gelang es den Regierungstruppen, Tikrit zurückzuerobern. Auch aus dem strategisch wichtigen Ort Baidschi seien die Extremisten vertrieben worden. Dort steht das größte Kraftwerk des Landes, das auch die Hauptstadt Bagdad mit Strom versorgt.

Hoffen auf kurdische Hilfe

Der irakische Außenminister Hoschjar Sebari sprach bei einem Treffen in Athen von einer „ernsten und tödlichen“ Bedrohung für sein Land. Alle Anführer im Irak müssten sich gemeinsam gegen die Aufständischen stellen, forderte Sebari. „Die Antwort auf das, was geschehen ist, muss rasch kommen.“

Die Zentralregierung hofft auch auf Hilfe der autonomen kurdischen Regionalregierung. „Es wird eine engere Kooperation zwischen Bagdad und der Regionalregierung in Kurdistan geben, um gemeinsam die ausländischen Kämpfer zu verjagen“, sagte der Minister.

Entscheidung über Notstand am Donnerstag

Angesichts des Vormarschs der radikalen Islamisten berät das irakische Parlament am Donnerstag über die Verhängung des Notstands. Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat diesen Schritt eingefordert. Damit bekäme der umstrittene schiitische Regierungschef mehr Befugnisse, um in den Konflikt mit den radikalsunnitischen Aufständischen einzugreifen.

Nach dem Abzug der Amerikaner im Dezember 2011 hatte eine Welle der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten den Irak erschüttert. Viele Sunniten fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung benachteiligt. ISIS macht sich diesen Machtkampf zunutze.

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