Sizilien fühlt sich im Stich gelassen
Nachdem Italiens Marine und Küstenwache innerhalb von zwei Tagen mehr als 6.000 Flüchtlinge nach Sizilien gebracht haben, wächst der Protest auf der Insel, auf der die Flüchtlingslager chronisch überlastet sind. Mehr als 50.000 Migranten haben seit Jahresbeginn Süditalien erreicht, das sind mehr als im Gesamtjahr 2013.
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Allein am Samstag trafen 2.300 Migranten auf Sizilien ein, darunter viele Minderjährige ohne Begleitung. Der Protest der sizilianischen Bevölkerung wächst. In den 134 Flüchtlingslagern der Insel sind bereits 12.800 Migranten untergebracht. „Die Lage ist außer Kontrolle, wir stehen vor einem unmenschlichen Drama“, betonte der Bürgermeister der sizilianischen Hafenstadt Porto Empedocle, Lillo Firetto. Im Hafen von Porto Empedocle waren innerhalb von 48 Stunden 1.500 Migranten eingetroffen.
„Sizilien steht vor Zusammenbruch“
Die sizilianischen Stadtoberhäupter machen Druck auf Rom und auf Brüssel. „Sizilien steht vor dem Zusammenbruch. Die Regierung in Rom sollte den Notstand erklären. Ganz Italien muss bei der Bewältigung dieser Situation helfen“, betonte der Bürgermeister von Catania, Enzo Bianco. Sein Kollege aus Palermo, Leoluca Orlando, klagte, dass Europa angesichts des Dramas, das sich in den Gewässern vor Sizilien abspiele, unsensibel bleibe.
Nach ihrem Eintreffen auf Sizilien wandern die Migranten durch Städte und Dörfer, in denen sie aufgenommen wurden. Sie suchen nach Möglichkeiten, um die Insel zu verlassen. Die meisten von ihnen wollen Angehörige in Norditalien, Deutschland oder Frankreich erreichen. Etwa 30.000 Migranten, die seit Jahresbeginn Italien erreicht haben, sind bereits untergetaucht, berichteten italienische Medien.
Sorge um öffentliche Sicherheit
Die sizilianischen Behörden helfen, wo sie nur können, befürchten jedoch zugleich Auswirkungen der Migrantenwelle auf die öffentliche Gesundheit. Bei einigen Flüchtlingen wurde Krätze diagnostiziert, ein Somalier sei an Malaria erkrankt, berichteten italienische Medien. Um die öffentliche Sicherheit bangen vor allem die Bewohner Agrigents. Hunderte Auswanderer halten sich auf den Straßen der Innenstadt auf, schlafen auf Bänken und versuchen, mit allen Mitteln das italienische Festland zu erreichen.
Renzi: „Schande für Italien und Europa“
Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi will die Flüchtlingsfrage zum prioritären Thema des Halbjahres seines EU-Vorsitzes ab Juli machen. „Die Flüchtlingsboote, die täglich Sizilien erreichen, sind eine Schande für Italien und Europa“, klagte Justizminister Andrea Orlando.
Die Mission „Mare Nostrum“ hatte im Oktober nach zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mit mehr als 360 Toten begonnen. Der Einsatz kostet den italienischen Staat neun Millionen Euro pro Monat. Die Marine fordert zusätzliche Finanzierungen für Treibstoff, die Erneuerung der Flotte und Ersatzteile für die Schiffe. Außerdem drängt Italien die EU auf mehr Hilfe im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem. Laut dem italienischen Innenministerium warten 800.000 Menschen in Libyen auf die Abfahrt nach Europa.
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