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Nachrücker für Pickerl-Drücker

Pechvögel dürfen überklebt werden. Zumindest wenn es nach dem quasi globalen WM-Trainer aus Modena, dem Panini-Verlag, geht. Lange bevor die Teamchefs der WM-Mannschaften ihre Kader bekanntgaben, hatte Panini diese für 32 Teams schon fix und fertig und 544 Einzelspielerporträts produzieren lassen. Zudem hatte man Bilder zu Stadien zu präsentieren, denen zum Zeitpunkt der Drucklegung mitunter Petitessen wie ein fertiger Rasen oder Schalensitze fehlten. In dieser Saison aktualisiert der Verlag nun erstmals seine Kader mit offiziellen Überklebern. Denn so richtig brandaktuell waren viele Teams nicht mehr zum WM-Start.

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Österreicher dürfen sich dieser Tage beim Anblick ihres Panini-Albums an die Euro 2008 erinnern. Da war endlich mal wieder das heimische Team in einem der beliebten Sammlerhefte vertreten. Und im Kader fehlte einer: Ivica Vastic. Ausgerechnet Schütze des einzigen österreichischen Tores bei der Euro. Dass er nicht im Panini-Album war, konnte so manchen Fan schmerzen. Und einer dieser besonders leidenschaftlichen Fans beauftragte sogar eine Druckerei, ihm das Konterfei des ÖFB-Oldies samt Panini-Look für Album und Sammlerherz nachzudrucken. Jetzt folgt Panini quasi offiziell dieser passionierten Fanhaltung und lässt nachdrucken.

Seiten aus privatem Panini-Album

Privat

Es gibt passionierte Panini-Fans: Dieses Vastic-Bild war nie Teil des offiziellen Panini-Albums zur EM 2008 - der privat in Auftrag gegebene Nachdruck ist nicht vom Original zu unterscheiden

Zeitungen und der Nachdruck

Man druckt Spieler nach und lässt den peniblen Fans die Option, ihre Kader zu aktualisieren. Bisher haben vor allem Zeitungen von dieser Option Gebrauch gemacht, etwa italienische Sportblätter wie der „Corriere dello Sport“ und „Tutto Sport“, die bei der WM 2010 in Südafrika bis zu 70-Nachdruckkleber in Abstimmung mit dem Verlag aus Modena nachdruckten.

Seiten aus privatem Panini-Album

Privat

Panini-Nachdruckpickerl als „Kaufhilfe“ für die italienischen Sportzeitungen „Corriere dello Sport“ und „Tutto Sport“ bei der WM 2010

Nachdruckbox mit 71 Pickerln

In diesem Jahr bringt Panini selbst offiziell eine Nachdruckbox auf den Markt, in der sich insgesamt 71 Pickerl mit diversen „Nachrückern“, so die noble Umschreibung, befinden. Für deutsche Fans gibt es dabei etwa den Nachrücker Benedikt Höwedes, der nun an die Stelle von Marcel Schmelzer „nachrückt“ und damit Schmelzer überklebt.

Panini Sammelkarten

Panini

Offizielle Panini-Nachrücker im deutschen Team: Großkreutz und Höwedes statt Reuss und Schmelzer

Nummer statt Name

Dieser neue Spielertausch dank Überkleben (der natürlich in der Vergangenheit genauso möglich war), ist zumindest insofern elegant bzw. für den Verlag ohne Gesichtsverlust zu erreichen, weil man nicht mehr den Spielernamen im Album angibt, sondern nur noch die Nummer des entsprechenden Stickers im Heft anführt. Erst wenn man die Nummern zugeordnet hat, ergibt sich das Gesamttableau des Kaders.

Panini-Album

ORF.at/Thomas Hangweyrer

Der deutsche Panini-Originalkader vor den „Nachrück“-Pickerln

Ein halb leeres Panini-Album ist damit anders als in der Vergangenheit ziemlich wertlos, befinden sich doch keine Spielergrundinfos im vorgesehenen Klebefeld. Alle Infos zu einem Spieler wie aktueller Club, Geburtsdatum, Größe und Gewicht befinden sich auf dem entsprechenden Nummernkleber.

Last-Minute-Opfer

Besonders schmerzhaft für den Panini-Fan sind die Ausfälle berühmter Spieler in letzter Minute: So blickt einem natürlich Frank Ribery aus dem französischen Panini-Kader entgegen. Und bei den Italienern ist Riccardo Montolivo noch mit in der Panini-Mannschaftsaufstellung - im letzten Testspiel noch Kapitän der „Squadra Azzurra“, war er natürlich eine fixe Bank für die Blattmacher in Modena.

Glück für Fan und Verlag: Statt 23 Spielern besteht der Panini-Kader aus einer 17-Mann-Selektion, in der pro Team immer nur ein Torhüter präsentiert wird. Das verringert schon die Erwartung an Vollständigkeit und minimiert die Fehlerquote zumindest leicht.

Panini-Album

ORF.at/Thomas Hangweyrer

Italien - jetzt leider ohne Riccardo Montolivo

Stadienbilder mit Stützen und Kränen

Problematischer als die Auswahl der Spieler vor der offiziellen Kadernominierung war für den Verlag bei dieser WM offenkundig die Präsentation der zwölf WM-Stadien. Viele Stadien waren noch Baustelle - und nicht überall war dem Vernehmen nach der Rasen ausgerollt. Der genauere Blick auf die Bilder offenbart: Sowohl die Arena Amazonia in Manaus als auch das neue Corinthians-Stadion in Sao Paolo waren zu Redaktionsschluss nur als Baustelle verfügbar. So sind die Verbindungsträger zwischen den Dachteilen des Corinthians Stadien noch nicht freitragend und zeigen markante Hilfsstützen, die mittlerweile Geschichte sind.

Basilien im Pickerlfieber

In Brasilien rechnet der Verlag allein mit dem Verkauf von mehr als 400 Millionen Pickerlpackerl. Panini-Brasilien-Chef Jose Eduardo Martins rechnet mit einem „Panini-Fieber“, das allein im Gastgeber Land ungefähr acht Millionen Pickerlkleber infizieren soll. Als dann noch einer der berühmten Panini-Lkws mit 300.000 Stickern an Board gestohlen wurde, gerieten manche Fans in Panik und fürchteten einen Lieferengpass.

Panini Sammelkarten

ORF.at/Thomas Hangweyrer

Das Geheimnis des Produkterfolgs liegt im und am Pickerlpackerl

Was macht den Panini-Erfolg aus?

Der Erfolg der Panini-Alben darf dem nüchternen Betrachter schon die Röte des Erstaunens ins Gesicht zaubern: Retrocharme trifft auf Photoshop-Kunst. Vor der Erfindung des Fotoshops. Trifft auf eine Sammelmappe, die funkelt und glänzt, als gelte es, den Spagat zwischen glitzernder Cinderella-Welt und maskulinem Fußballfantum zu schaffen. Und Spagate können wehtun.

Aber darum gehe es nicht, würde der Panini-Fan einwenden. Und wenn, dass Panini sich eben nicht nur an eine dezidiert männliche Zielgruppe wenden wolle. Abseits der Gender- zeigt die Altersfrage bei jedem Panini-Tauschevent: Väter werden neben ihren Söhnen wieder zu Kindern und versuchen eines der begehrten ausständigen Pickerl für ihr eigenes Album („Ach, es geht doch nur um das Album meines Sohnes“) zu ergattern und gegen eines der meist vielen doppelten Porträts einzutauschen.

Wiedererkennung und Leidenschaft

Panini lebt von der Wiedererkennung. Das beginnt beim Retrocharme des gelb-roten Firmenlogos mit dem großen „P“ und endet bei einem Lebensgefühl, das besagt, dass auch der größte Individualist einmal Teil einer Community sein mag.

Begonnen hat die Firmengeschichte 1945 an einem Zeitungsstand hinter dem Dom zu Modena, den die Brüder Giuseppe und Benito Panini übernahmen und zum Zeitungsvertrieb ausbauten. Ein Restposten mit Fußballsammelbildern brachte dann die Idee zum Konzept: Packe ein paar Sammelbilder in ein kleines Briefchen und verkaufe dieses zu einem relativ geringen Preis. Zehn Lira kostete das erste Panini Sammelalbum, das 1961 auf den Markt kam und nur mit den Spielern der italienischen Nationalmannschaft ausgestattet war.

Panini und die „Mischmaschine“

Garantiert werden musste von Beginn an, dass man keine Bilder doppelt verkaufte. Bevor die berühmte Panini-„Mischmaschine“ erfunden wurde, mussten die Bilderstapel händisch durchmischt werden, um keine Duplikate in die Päckchen zu bekommen. Umberto Panini entwickelte dann die „Mischmaschine“ die garantieren sollte, dass nie zwei identische Fußballerpickerl in ein Päckchen wandern. Verkäufe des Patents dieser Maschine, etwa nach Deutschland, hat Panini stets abgewehrt. Bis heute produziert man auch im italienischen Modena. Weltweit zählt man 900 Mitarbeiter zum Konzern, der mittlerweile in 100 Ländern mit eigenen Ablegern tätig ist und einen Jahresumsatz von über 630 Millionen Euro erzielt.

Produktion der Panini-Sticker

Reuters/Paulo Whitaker

Die „Mischmaschine“ saugt pro Stapel immer nur ein Bild pro Packerl ab

Seit der WM in Mexiko 1970 bringt Panini die Sammelalben alle vier Jahre zu den Fußballweltmeisterschaften heraus. Mittlerweile wird aber auch jede Fußball-EM mit den beliebten Sammelalben aus Modena begleitet. Dass ausgerechnet im Zeitalter digitaler Sozialer Medien und der endlosen Verfügbarkeit von Bildern im virtuellen Raum Klebebilder aus Papier boomen, wird man jedenfalls nicht nur mit dem Retroboom erklären können. Offenbar braucht die digitale Welt ihr analoges Gegenstück - selbst wenn letzteres nicht einmal immer auf dem letzten Stand sein muss. Am Ende siegt der Charme der Sammlerleidenschaft.

Gerald Heidegger, ORF.at

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