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DAX erstmals über 10.000 Punkten

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Börsen mit ihrer Zinsentscheidung am Donnerstag in Rekordlaune versetzt. Die Senkung des Leitzinses, Strafzahlungen für bei der EZB hinterlegtes Geld und Milliarden für frische Kredite trieben etwa den deutschen Aktienindex DAX erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 10.000 Punkten. Allerdings stiegen auch der Gold- und der Euro-Kurs.

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Die Wiener Börse schloss am Donnerstag mit klaren Kursgewinnen. Der ATX stieg 29,21 Punkte oder 1,16 Prozent auf 2.542,98 Einheiten. Der DAX überstieg erstmals in seiner 26-jährigen Geschichte die Marke von 10.000 Punkten. Nach entsprechenden Signalen der EZB in den vergangenen Wochen hatten sich viele Anleger auf die neuen Geldspritzen für die Finanzbranche eingestellt. Daher gab der DAX wie auch andere Indizes die Gewinne wieder ab. Zum Handelsende schloss er bei 9.947,83 Punkten mit einem Plus von 0,21 Prozent.

Die Leitindizes der südeuropäischen Krisenstaaten Italien, Spanien, Griechenland und Portugal gewannen in der Spitze ebenfalls zwischen zwei und 2,7 Prozent. Verloren hat hingegen der Londoner Aktienmarkt. Der EuroStoxx50 legte zwischenzeitlich um 1,7 Prozent zu und notierte mit 3.291,89 Punkten auf dem höchsten Stand seit knapp sechs Jahren, gab aber zu Handelsschluss ebenfalls wieder ab und schloss mit 3.267,05 Punkten. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte die Börsenrally noch eine Weile weitergehen - unterbrochen von kleinen Pausen.

Auftrieb für Gold und Euro

Die EZB-Maßnahmen gaben vor allem den Finanzwerten, die besonders sensibel auf Änderungen der Geldpolitik reagieren, starken Auftrieb. Der Index für die Banken der Euro-Zone stieg um bis zu 3,3 Prozent auf ein Zweimonatshoch von 158,39 Punkten. Auftrieb erhielten auch die internationalen Aktienmärkte, darunter die US-Börsen. Der Dow Jones stieg um 98,58 Einheiten oder 0,59 Prozent auf 16.836,11 Zähler. Im Verlauf markierte er ein Rekordhoch bei 16.845,81 Punkten.

Der Euro fiel dagegen als Reaktion auf die Milliardenversprechen um knapp einen US-Cent auf ein Viermonatstief von 1,3503 Dollar, erholte sich aber rasch wieder und kletterte auf ein Tageshoch von 1,3654 Dollar. Gleichzeitig schürte das EZB-Paket die Furcht der Anleger vor einer wieder anziehenden Inflation. Sie griffen daher verstärkt zur „Antiinflationswährung“ Gold, die sich um bis zu 1,1 Prozent auf 1256,50 Dollar je Feinunze verteuerte.

Gespaltene Reaktionen

Die Reaktionen der Händler und Analysten auf die EZB-Entscheidung waren gespalten. Draghi habe geliefert, hieß es einerseits, es gab aber auch Kritik an den Maßnahmen. „Draghi schießt aus allen Rohren“, sagte ein Geldhändler, das lasse nichts Gutes für die Euro-Zone vermuten. Der Markt sei auch vom Ausmaß der Maßnahmen überrascht, zudem sei das nichts für Stabilitätsanhänger, hieß es weiter. So wird auch erwartet, dass der negative Strafzins für bei der EZB geparktes Geld auf die Kunden abgewälzt wird.

Manche Händler befürchten eine Blasenbildung, die dann die gewünschten Investitionen und Kreditvergaben erst wieder behindere statt sie zu fördern. Andere sehen ohnedies bereits genug Geld auf dem Markt. Auch der Reformeifer der EU-Staaten könne durch die lockere Geldpolitik gedämpft werden, hieß es. Für grundlegende Änderungen brauche es allerdings Reformen. Vor allem in den südeuropäischen Staaten führe das in die falsche Richtung. Zudem würden die Sparer verunsichert. Für Österreich schlossen die Banken in einer ersten Reaktion negative Zinsen auf Spareinlagen zumindest aus.

Nowotny: Negativer Zinssatz nicht unüblich

Laut Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny ist es nicht unüblich, dass die Inflationsrate höher ist als die Sparbuchzinsen für täglich fällige Sparguthaben. Zwischen 1949 und 2014 sei in 59 Prozent der Zeit der reale Zinssatz beim Sparbuch negativ gewesen, so Nowotny am Donnerstagabend in der ZIB2. Niedrige Zinsen würden auch nicht gegen das Sparen sprechen, sie dürften aber kein Dauerzustand sein.

Die Banken müssten die Sparer nun besonders gut beraten, damit sie passende höher verzinste Produkte ohne zu hohes Risiko finden. Auch sei der Konkurrenzdruck in Österreich so hoch, dass die Banken ihre Mehrkosten nicht durch höhere Kontoführungsgebühren an Kunden weitergeben könnten. Durch das Maßnahmenpaket der EZB sinke zudem nicht der Druck auf die Euro-Länder zu sparen, sagte Nowotny weiter. Denn darin sei ausdrücklich festgehalten, dass die Verbilligung von Krediten nicht für den öffentlichen Sektor und Immobilien gelte.

IWF zeigt sich erfreut

„Der Zinsschritt wird nicht allen Staaten gleichmäßig dienen“, so Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl am Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. Er sieht die EZB mehr denn je vor der schwierigen Aufgabe, eine einheitliche Geldpolitik für unterschiedliche Länder zu finden. Wichtig sei jetzt, so Leitl, „dass die niedrigen Zinsen auch wirklich in der Realwirtschaft ankommen“. Grundsätzlich begrüßte er die Entscheidung, er sprach von einem wichtigen Signal. Jetzt müssten die Regierungen liefern.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobte die Zinssenkung in höchsten Tönen. „Wir begrüßen die sehr proaktive Haltung, die von der EZB heute eingenommen wurde, ausdrücklich“, erklärte IWF-Sprecher Gerry Rice am Donnerstag in Washington. Außerdem sei der Währungsfonds erfreut über die Ankündigung, dass notfalls weitere Maßnahmen gegen die niedrige Inflation im Euro-Raum ergriffen werden könnten.

„Auf Dauer keine Lösung“

Deutschland und Italien stellen sich bereits auf das Ende der Niedrigzinsphase ein. „Auf Dauer ist dieses Zinsniveau keine Lösung“, so Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble nach einem Treffen mit seinem italienischen Kollegen Pier Carlo Padoan. Manche Debatte sei überzogen, so Schäuble mit Blick auf die zuletzt deutlich lauter gewordenen Warnungen vor einer Deflationsgefahr im Euro-Raum.

Padoan zufolge profitiert Italien mit seiner hohen öffentlichen Verschuldung von den sehr niedrigen Zinsen. Diese Situation werde es aber in der Zukunft nicht weiter geben: „Es geht darum, bestmöglich dieses Fenster zu nutzen.“ Laut Padoan muss es nun eine neue Phase in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geben mit dem Ziel, die europäischen Volkswirtschaften zu stärken. Beide sprachen von bisher klugen und angemessenen Entscheidungen der EZB. Auch der französische Präsident Francois Hollande begrüßte den EZB-Schritt, er werde das Wachstum ankurbeln, sagte der sozialistische Politiker am Donnerstag auf einer Pressekonferenz nach einer G-7-Sitzung in Brüssel.

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