Neue Milliardenspritze angekündigt
Die Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag bei der mit Spannung erwarteten Sitzung den Leitzins um 0,10 Punkte auf 0,15 Prozent - ein neues Rekordtief - gesenkt. Erstmals beschloss der EZB-Rat in Frankfurt zudem einen Strafzins von 0,10 Prozent für Bankeinlagen.
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Mit dem Maßnahmenpaket wollen die Währungshüter auf die seit Monaten sehr niedrige Inflation reagieren. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und können so die Wirtschaft ankurbeln.
Auch der negative Einlagenzins soll die Inflation antreiben: Er soll den Euro schwächen und so Importe verteuern. Zudem sollen Banken dazu gebracht werden, überschüssiges Geld nicht bei der EZB zu parken, sondern Verbrauchern und Unternehmen Kredite zu geben. Diese könnten investieren und so der Konjunktur auf die Sprünge helfen. Der negative Einlagenzins bedeutet, dass Banken in den 18 Euro-Ländern, die über Nacht Geld bei der EZB deponieren, fortan keine Zinsen für das Geld bekommen, sondern dafür zahlen müssen, dass sie es bei der EZB zwischenlagern.
EZB setzt weiter auf Geldspritzen
Wie EZB-Präsident Mario Draghi am Nachmittag weiter bekanntgab, soll zudem mit einer neuen milliardenschweren Geldspritze die stockende Kreditvergabe in den Krisenländern Südeuropas wiederbelebt werden. Das Anfangsvolumen bezifferte Draghi auf insgesamt 400 Milliarden Euro. Die zwei für vier Jahre laufenden Kreditlinien wolle die EZB im September und Dezember auflegen. Die unter dem Kürzel TLTRO firmierenden Geldspritzen sollen zielgerichtet in die Realwirtschaft fließen - allerdings nicht zur Finanzierung von Häuserkäufen.
Die Banken haben dann nach jeweils zwei Jahren die Möglichkeit, die Kredite vorzeitig zurückzuzahlen. Die EZB hatte auf dem Höhepunkt der Krise 2011/12 bereits mit zwei jeweils gut 500 Mrd. Euro schweren Liquiditätsspritzen das Finanzsystem geflutet. Damals hatten die Banken einen Gutteil des Geldes aber in als sicher angesehene Staatsanleihen investiert - was zwar die Staaten und die Banken stützte, aber zu keinen neuen Krediten führte. Das soll bei dem neuen Programm anders laufen: Draghi kündigte an, dass das Geld nicht zum Ankauf von Staatsanleihen verwendet werden soll.
„Technische“ Anpassungen
Außer Frage steht unterdessen: Mit der nun beschlossenen Senkung des Leitzinses auf ein neues Rekordtief hat die EZB eines ihrer wichtigsten Instrumente weitgehend ausgereizt. „Der untere Rand ist heute erreicht“, so auch EZB-Präsident Draghi, dem zufolge allerdings durchaus noch kleinere „technische“ Anpassungen möglich seien.
Gleichzeitig kündigte Draghi an, dass die Notenbank die Zinsen noch über einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau belassen wird. Demnach dürfte der der EZB-Leitzins „für eine längere Zeit auf den aktuellen Niveaus bleiben“. Als Grund dafür nannte der EZB-Chef „den derzeitigen Inflationsausblick“.
Die EZB hat in diesem Zusammenhang am Donnerstag auch ihre Prognosen für die Inflation in der Euro-Zone gesenkt. Die Teuerungsrate werde demnach 2014 voraussichtlich nur 0,7 Prozent betragen, 2015 bei 1,1 Prozent liegen und 2016 bei 1,4 Prozent. Bisher hatte die EZB für 2014 eine Inflationsrate von einem Prozent vorhergesagt, für 2015 1,3 Prozent und für 2016 1,5 Prozent. Preisstabilität sieht die EZB bei einer Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent gegeben.
Inflation zuletzt bei 0,5 Prozent
Hochrangige EZB-Vertreter haben in den vergangenen Wochen derartige Schritte bereits angekündigt. Die Währungshüter wollen damit die stockende Kreditvergabe vor allem in südeuropäischen Krisenländern ankurbeln und die zuletzt niedrige Inflation im Euro-Raum nach oben treiben.
Im Mai sank die Jahresteuerung im Euro-Raum auf 0,5 Prozent. Sie liegt damit deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. „Wir werden nicht zulassen, dass die Inflation zu lange auf zu niedrigem Niveau bleibt“, hatte Draghi erst in der vergangenen Woche betont. Der geringe Preisauftrieb schürte zuletzt verstärkt Sorgen vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale der Preise quer durch alle Warengruppen.
Schlechte Nachrichten für Sparer
Während Unternehmen und Kreditnehmer tendenziell von den neuen geldpolitischen Schritten der EZB profitieren dürften, haben die Sparer das Nachsehen. Deshalb hatte es in den vergangenen Tagen viel Kritik an den sich seit Wochen abzeichnenden neuen Maßnahmen der Notenbank gegeben.
Geht es nach Europas oberstem Währungshüter Draghi, nimmt die EZB die Sorgen der Sparer angesichts der anhaltenden Minizinsen zwar sehr ernst - der EZB-Präsident betonte jedoch, dass die Notenbank nicht dafür verantwortlich sei, welche Zinsen Banken ihren Kunden zahlten: „Die Zinssätze, die wir festlegen, gelten für Banken, nicht für die Menschen.“
Österreichs Banken um Beruhigung bemüht
Trotz negativer Zinsen auf Einlagen der Banken bei der EZB müssen sich die österreichischen Sparer nicht fürchten, über negative Nominalzinsen auf ihren Sparbüchern enteignet zu werden. Das wurde am Donnerstag von den heimischen Großbanken zumindest in einer ersten Reaktion versichert.
Bank-Austria-Chef Willibald Cernko kann „negative Nominalzinsen für unsere Kunden ausschließen“, wie er nach dem spektakulären EZB-Entscheid der APA ausrichtete. Gleichlautendes kam von Raiffeisen: „Wir bestrafen Kunden nicht, wenn sie sparen“, schloss der Vizechef der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, Georg Kraft-Kinz, nominale negative Zinsen aus. Auch eine Sparzinsensenkung sei bei Raiffeisen derzeit generell kein Thema. Kraft-Kinz zufolge sei nun aber der ideale Zeitpunkt, sich günstig über Kredite zu finanzieren: „Günstiger geht es nicht mehr.“
Kaum Effekte - zumindest für Österreich - erwartet auch Erste-Bank-Österreich-Vorstand Thomas Uher von der EZB-Vorgangsweise. Zu gering sei der Schritt und zu unterschiedlich die wirtschaftliche Lage in den einzelnen Euro-Staaten. Zugleich stellte auch Uher klar: Negative Sparzinsen wird es bei der Erste Bank nicht geben. Auch bei der BAWAG wurden negative Zinssätze aufs Sparbuch ausgeschlossen.
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