Höchstspannung zwischen Buchdeckeln
China, Südosteuropa, Nahost: Viel Politisches findet sich unter den Thrillern der Saison. Dazu kommt einiges an klassischer Krimispannung - und ein Sensationserfolg aus Österreich.
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Hetzjagd durch den Nahen Osten
Frank Schätzing hat weit mehr geschafft, als nur einen guten Thriller zu schreiben. Sein Buch „Breaking News“ ist auf seinen knapp 1.000 Seiten ein Buch über Journalismus, ein Buch über moderne Kriegsführung, ein Buch über die Geschichte des Nahost-Konflikts, über weite Strecken geschrieben im Stil einer Reportage. Die Handlung tragen der Journalist Hagen, dessen Leben aus dem Ruder gerät, und zwei israelische Familien. Hagen gerät zwischen alle denkbaren Fronten, muss um sein Leben und gegen eine Verschwörung kämpfen. Wer sich für Politik und Zeitgeschichte überhaupt nicht interessiert, wird wohl über weite Strecken gelangweilt sein. Für alle anderen: unbedingte Leseempfehlung.
Frank Schätzing: Breaking News. Kiepenheuer & Witsch, 965 Seiten, 27,80 Euro.

ORF.at/Zita Köver
Sensation aus Österreich
Die Sensation des Jahres ist aus österreichischer Sicht Bernhard Aichner gelungen. Sein Roman „Totenfrau“ begeisterte Verleger schon vor der Veröffentlichung so sehr, dass die Rechte in alle Welt verkauft wurden. Seit Erscheinen auf Deutsch blockiert der Thriller über eine Leichenbestatterin, die den Mord an ihrem Gatten rächt, die obersten Plätze in den Bestenlisten. Kurze Sätze, eine ungewöhnliche Hauptfigur, eine Handlung, die mitreißt. Teil zwei ist schon in Arbeit. In den USA erscheint Teil eins nächstes Jahr.
Bernhard Aichner: Totenfrau. Btb, 446 Seiten, 20,60 Euro.
Kein Liebkind der Rezensenten
Wenn eine Büchnerpreisträgerin ins Krimifach wechselt, lohnt es sich, hinzuschauen. Aber lohnt es sich auch, den Krimi wirklich zu lesen? Die Autorin Sibylle Lewitscharoff, ohnehin wegen ihrer - gelinde gesagt - umstrittenen Aussagen über Reproduktionsmedizin in Ungnade gefallen, wird vom deutschen Feuilleton für „Killmousky“ in selten gesehener Manier abgewatscht. „Fad und manieriert“, lautet das Urteil. Der Erzählton rund um einen deutschen Ermittler in den USA ist tatsächlich von ausgesuchter Ruhe, die Story selbst jedoch nicht ohne Witz. Für Lewitscharoff-Fans ist das Buch sicher ein Muss. Als Krimi funktioniert das schrullige Buch mit seinen vielen kulturellen Referenzen nur bedingt.
Sibylle Lewitscharoff: Killmousky. Suhrkamp, 224 Seiten, 20,60 Euro.
„Hardboiled as fuck“
Spademan war Müllmann. Um Entsorgung geht es auch in seinem neuen Job. Spademan ist jetzt Auftragskiller in einem dystopischen New York der Zukunft: „Ich töte Männer. Und ich töte Frauen, denn ich will nicht diskriminierend erscheinen.“ Doch dann ist ein Auftrag der eine Auftrag zu viel. Autorenkollegin Lauren Beukes beschrieb Adam Sternberghs Buch „Spademan“ mit den Worten „Hardboiled as fuck“ - und das ist noch eine Untertreibung. Sternbergh ist sonst Journalist beim „New York Times Magazine“ und schrieb auch schon für die „Times“ und „GQ“. Aber so ausleben wie bei „Spademan“ konnte er sich wohl noch nirgends. Ein Buch wie ein Tornado, so knallhart, dass es sicher nicht jedermanns Sache ist.
Adam Sternbergh: Spademan. Heyne, 303 Seiten, 15,50 Euro.
Auf „Menschenfleischsuche“ in China
Qiu Xiaolong ist Krimiautor und chinesischer Dissident. In seinem jüngsten Buch „99 Särge“ berichtet er über die immer weiter verbreitete „Menschenfleischsuche“: Über korrupte Beamte werden im Internet von Oppositionellen Informationen ausgetauscht, die sich dann via Blogs öffentlich wie ein Lauffeuer verbreiten. Die kommunistische Partei tut sich schwer, dagegen vorzugehen - hat sie sich doch den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geheftet. Hat sich nun ein Parteikader wegen so einer „Menschenfleischsuche“ selbst umgebracht? Oder war es Mord und es stehen ganz andere Machenschaften hinter diesem? Inspektor Chen muss einen Fall aufklären, der ihn selbst die Karriere, wenn nicht sogar das Leben kosten könnte. Das Buch ist höchst spannend - und politisch brisant.
Qiu Xiaolong: 99 Särge. Zsolnay, 286 Seiten, 18,40 Euro.

ORF.at/Zita Köver
Gefährliche Mission in Südosteuropa
Eberhard Nembach war fünf Jahre lang Südosteuropa-Korrespondent der ARD. Er hat also viel Hintergrundwissen, wenn er in seinem Thriller „Gypsy Blues“ ein grauenvolles Szenario entwirft, in dem sich eine rücksichtslose, brutale Mafia in der Region Organe von unfreiwilligen „Spendern“ besorgt. Ein deutscher Journalist versucht in dem Buch, die Machenschaften aufzudecken - eine höchst gefährliche Mission, die ihn durch Rumänien, Moldawien und das Kosovo führt.
Eberhard Nembach: Gypsy Blues. Polar, 223 Seiten, 13,30 Euro.
Ein Ritualmord - und was danach geschah
Zumindest ein klassischer US-Ritualmord-Bestseller darf für Fans des Genres heuer auf keiner Bücherliste fehlen: Cathi Unsworths „Opfer“. Freilich, der Verlag heißt Suhrkamp, da darf man sich sprachlich mehr erwarten als bei so manch anderem Bestsellerthriller - und die Erwartungen werden nicht enttäuscht. Die „Zeit“ schreibt von einer „höllisch spannenden ‚Long winding road‘“, die „Welt“ von einem „schaurig schönen Buch“. In „Opfer“ wird eine Frau blutüberströmt am Tatort eines grausamen Mordes aufgegriffen. Erst 20 Jahre später wird sich klären, was wirklich geschah.
Cathi Unsworth: Opfer. Suhrkamp, 384 Seiten, 9,30 Euro.
Hochpolitisches Spiel auf Leben und Tod
„Tatort“-Drehbuchautor Andre Georgi widmet sich einem Thema, über das man viele spannende Thriller schreiben könnte: die Arbeit des Haager Kriegsverbrechertribunals. Endlich will ein Kronzeuge über den ehemaligen serbischen Armeekommandanten Kovac aussagen - aber ein Attentat macht den Ermittlern einen Strich durch die Rechnung. Als sich doch noch ein Zeuge findet, soll Topermittlerin Jasna ihn aus Serbien nach Den Haag bringen - ein Spiel auf Leben und Tod beginnt.
Andre Georgi: Tribunal. Suhrkamp, 317 Seiten, 15,50 Euro.
Simon Hadler, ORF.at
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