Blutige Historie der Befreiungsorganisation
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) wird am Montag 50 Jahre alt. Dass nicht einmal die PLO selbst den Tag besonders würdigt, liegt daran, dass zwei andere Daten für das Streben nach einem Palästinenserstaat wesentlich wichtiger waren: die Bildung der nationalistischen Befreiungsbewegung Fatah („Eroberung“) durch Jassir Arafat 1959 und die Übernahme der PLO-Führung durch den charismatischen Fatah-Gründer 1969.
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Denn die PLO bildete in den ersten fünf Jahren nur eine lose Dachorganisation der zahlreichen palästinensischen Guerillagruppen, die sich dem bewaffneten Kampf gegen den jungen Staat Israel verschrieben hatten und von verschiedenen arabischen Staaten gefördert wurden. Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser wollte seine bereits bröckelnde Position als panarabischer Führer stärken und die Palästinafrage in diese Strategie einbinden. Was ihm vorschwebte, war eine Provinz für die Palästinenser innerhalb einer gesamtarabischen Nation.
Im Jänner 1964 unterstützte ein Gipfeltreffen der Arabischen Liga Nassers Plan, die Gründung eines Dachverbands der Palästinensergruppen in die Wege zu leiten. Am 28. Mai trat in Ostjerusalem, seinerzeit von Jordanien verwaltet, unter dem Vorsitz des Nasser-Vertrauten Ahmed Schukeiri ein Palästinensischer Nationalrat zusammen. Sechs Tage lang debattierten die 422 Delegierten über eine Nationalcharta, ehe sie am 2. Juni den Gründungsakt für die PLO vollzogen. Ganz im Sinne Nassers war von einem eigenen palästinensischen Nationalstaat in dieser Charta noch keine Rede.
Arafat nach Sechstagekrieg an PLO-Spitze
Als Israel die arabischen Staaten im Juni-Krieg 1967 binnen sechs Tagen besiegte, verloren diese auch ihre Glaubwürdigkeit als Schutzpatrone der palästinensischen Sache. Die Fatah gewann die Mehrheit in allen Entscheidungsgremien der PLO - und Arafat wurde im Februar 1969 der Vorsitz anvertraut, den er bis zu seinem Tod 35 Jahre später innehatte. Von nun an diente die PLO ausschließlich den palästinensischen Interessen und förderte die Ausbildung einer nationalen Identität.
Olympiageiselnahme, Flugzeugentführungen
In den 70er Jahren agierte die PLO mit bewaffneten Angriffen auf Ziele in Israel und israelische Ziele im Ausland - darunter Flugzeugentführungen und die blutige Geiselnahme bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Als Gegenleistung für eine Unterstützung aus dem Ostblock trainierten PLO-Gruppierungen westliche Linksextremisten, darunter Mitglieder der RAF.
Strategiewandel mit Rückschlägen
Aber Israel erwies sich als militärisch weit überlegen. Die arabischen Nachbarländer verloren zunehmend die Geduld und wollten nicht mehr als Basislager der zugleich erfolglosen und unkontrollierbaren Palästinenserorganisationen dienen. Arafat musste erst Jordanien, dann auch den Libanon verlassen, so dass die PLO ab 1983 ihren Sitz im entfernten Tunis hatte. Fünf Jahre später kehrte sie der militanten Strategie den Rücken und schlug den politischen Weg hin zu einer Zweistaatenlösung ein.
1988 proklamierte der Palästinensische Nationalrat den unabhängigen Staat Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt, zugleich akzeptierte die PLO den UNO-Teilungsplan von 1947 und damit implizit auch die Existenz Israels. Zudem erklärte sich die PLO zur Aufnahme direkter Verhandlungen mit Israel bereit. Die Oslo-Abkommen von 1993, in denen einander Israel und die PLO anerkannten, standen am Ende dieses Prozesses.
Die Wandlung des Guerilla-Dachverbands in das Grundgerüst eines neuen Staatsgebildes war nicht mehr aufzuhalten, obwohl nach dem Scheitern der Nahost-Verhandlungen von Camp David die Verstrickung von PLO-Gruppierungen in die blutigen Anschläge der Zweiten Intifada (2000 bis 2005) noch einmal einen empfindlichen Rückschlag brachte. Unter Mahmud Abbas, der die Führungsrolle seines Förderers Arafat nach dessen Tod Ende 2004 übernahm, hat sich die Orientierung zu einer friedlichen Zweistaatenlösung noch verstärkt.
Einheitsregierung birgt neue Hoffnung
Das größte Handicap der PLO in den vergangenen Jahren, dass nämlich mit der radikalislamischen Hamas-Bewegung die stärkste Fatah-Rivalin völlig außerhalb ihres Einflussbereiches operiert, scheint gerade in diesen Tagen mit der palästinensischen Einheitsregierung beseitigt zu werden. Wenn auch nur zufällig, gibt es also doch noch ein Geburtstagsgeschenk.
Clemens Wortmann, AFP