Des Volkes Zorn und Moskaus Beitrag
Eigentlich sollte Russland mit der Krise in der Ostukraine schon alle Hände voll zu tun haben. Doch in den letzten Tagen hat sich vor der russischen Grenze ein weiterer Krisenherd aufgetan. Seit Tagen steht der Präsident Abchasiens, Alexander Ankwab, schwer unter Druck - jetzt könnte er seinen Kampf gegen den Rücktritt verloren haben. Am Freitag erklärten Oppositionsführer ihre Machtübernahme.
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Nachdem Oppositionsanhänger am Dienstagabend Ankwabs Palast gestürmt hatten, forderte zwei Tage später das abchasische Parlament den Rücktritt des Präsidenten. Auf den Straßen der von Georgien abtrünnigen Provinz wurde zudem von Tausenden Anhängern der Opposition lautstark sein Rücktritt gefordert.
Abchasien hatte sich - ähnlich wie die Krim im März von der Ukraine - 1992 von Georgien abgespalten. Nach einem zweijährigen Sezessionskrieg und einem jahrelangen Waffenstillstand erklärte sich Abchasien im Zuge des Kaukasus-Kriegs 2008 zu einem selbstständigen Staat und wurde als solcher von Russland anerkannt.
Zum Rücktritt aufgefordert
Seither sprachen nur vier weitere Länder der selbst ernannten Republik langfristig ihre Anerkennung aus. Präsident Ankwab hatte also bisher international alles andere als einen leichten Stand. Seit Anfang der Woche muss er aber auch im Inland mit schweren Widrigkeiten kämpfen. Zuletzt erklärten die Führer der Opposition, die Macht in der abtrünnigen Provinz übernommen zu haben.
Ankwab selbst nahm zu den Entwicklungen vom Freitag bisher keine Stellung. Noch am Donnerstag erklärte er auf seiner Homepage, er werde nicht auf die Forderung des Parlaments eingehen. Und in einer Fernsehansprache vom Mittwoch versicherte der Präsident, dass er im Land sei und an einer Stabilisierung der Lage arbeite.
Der Zorn der Demonstranten entzündete sich laut der russischen Nachrichtenseite Newsru.com an der prekären finanziellen Lage des Landes. Aufgrund der fehlenden internationalen Anerkennung ist das Land an der östlichen Schwarzmeer-Küste vor allem auf die Hilfsleistungen Russlands angewiesen. Von dort fließen auch tatsächlich jedes Jahr mehrere hundert Millionen Dollar an Subventionen. Dennoch stehe Abchasien vor dem Bankrott, so die Opposition, die dafür vor allem die Korruption der Regierung verantwortlich macht.
Der Einfluss Russlands
Offen bleibt, welche Rolle Russland in der aktuellen Regierungskrise zukommt. Einerseits galt Präsident Ankwab als russlandtreu und hat sich in den letzten Jahren für eine weitere Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehung zur Schutzmacht im Norden eingesetzt. So verwundert es wenig, dass offizielle russische Stimmen die Unruhen verurteilten. Ein enger Vertraute von Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml, Wladislaw Surkow, machte in den vergangenen Tagen gegenüber Medien deutlich, dass die Revolten nicht im Interesse Abchasiens seien.
Andererseits war der Rücktrittsforderung des Parlaments ein mehrtägiger Besuch Surkows vorausgegangen. Während dieses Besuchs sprach der russische Politiker sowohl mit Ankwab als auch mit Vertretern der Opposition. Der bisweilen auch als Chefideologe des Kreml bezeichnete Surkow könnte also an der Entscheidung des Parlaments durchaus seinen Anteil gehabt haben.
Wer steht Moskau näher?
Denn Ankwab sammelte zuletzt in Moskau nicht nur Sympathiepunkte. Mitte Mai sprach sich die abchasische Regierung gegen ein Assoziierungsabkommen mit Russland aus. Und nach dem Anschluss der Krim an Russland vor gut zwei Monaten hatte die Führung in Suchumi deutlich die eigene Unabhängigkeit gegenüber Moskau betont.
Zwar gibt es innerhalb der Opposition auch Stimmen, die die wirtschaftliche Nähe zu Russland kritisch beurteilen, doch zumindest einer der wichtigsten Führungsfiguren der Opposition, Raul Chadschimba, wird eine enge Verbindung zu Moskau nachgesagt. Wäre es nach Putin gegangen, dann hätte der ehemalige KGB-Mitarbeiter Chadschimba bereits 2004 die Führung in der abtrünnigen Provinz übernommen. Unregelmäßigkeiten bei der Wahl machten allerdings eine Wiederholung nötig, aus der Chadschimba nur als Vizepräsident hervorging. 2009 verlor er dann deutlich gegen Amtsinhaber Sergei Bagapsch.
Spiel mit dem Feuer
Der Russland-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“), Friedrich Schmidt, weist außerdem daraufhin, dass staatstreue Experten in den russischen Medien die Ereignisse in Suchumi als innerabchasische Machtkämpfe beurteilten und zugleich auf die beruhigende Bedeutung Russlands verwiesen. Das könnte dafür sprechen, dass es sich bei den Ereignissen in Suchumi um ein „Moskauer Machwerk“ handle, so Schmidt.
Sollte das zutreffen, dann spielt Moskau freilich ein gefährliches Spiel. War es Russland bisher doch zu Recht daran gelegen, Abchasien als stabile Demokratie zu präsentieren. Sollte die Lage in der selbst ernannten Republik im Kaukasus eskalieren, kann das die Position Russlands nachhaltig schwächen. Brachte die eurasische Großmacht doch gerade die Abspaltung und Eingliederung der Krim über die Bühne und macht sich nach wie vor für die Unabhängigkeit der Ostukraine stark. Ein nachhaltiger Konflikt in Abchasien könnte schnell zum Sand im Getriebe der russischen Argumentation werden.
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