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Von Dolly Parton zu den Common Linnets

Ilse DeLange im Interview mit ORF.at über die Gründe, mit einer Countrynummer beim Song Contest anzutreten - und die späte Begegnung mit ihrem Jugendkollegen Willem Bijkerk alias Waylon, der selbst schon in der Countryszene arbeitete, als sie noch, wie sie sagt, ihre „Dolly-Parton-Nummer“ durchzog.

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ORF.at: Warum wählt jemand mit so einer langen, erfolgreichen Karriere in den Niederlanden den Song Contest als Format, um dort mit einer Countrynummer aufzutreten? Das ist ja alles andere als naheliegend.

Ilse DeLange: Also das hatte eigentlich alles mit dem Album zu tun, an dem wir gerade arbeiteten, als die Anfrage kam, beim Song Contest aufzutreten. Ich hatte ja bis dahin eine Countrykarriere in den Niederlanden, und die war extrem erfolgreich. Danach hab ich mehr zur Poprichtung orientiert, und eigentlich wollte ich wieder zurück zu den Countrynummern, mit denen ich angefangen habe, als ich bei Warner Nashville unter Vertrag war. Ich wollte einfach etwas machen ohne irgendeinen Erwartungsdruck auf meinen Schultern. Und ich hatte auch ein bisschen Geld übrig, also beschloss ich: Ich mach so ein richtiges Nebenprojekt, wo ich mit Freunden von früher wie Waylon zusammenarbeiten konnte. Waylon und ich, wir haben ja schon mit 15 in der gleichen Szene gearbeitet, als ich so mein „Dolly-Parton-Ding“ gemacht habe. Und man muss sagen, Country, das ist kein wirklich populäres Genre. Wir hatten also eine Verbindung, auch wenn wir nie zusammengearbeitet haben. Wir hatten unsere Karrieren, beide hatten wir Erfolg. Und ich dachte, ich frag ihn einmal, ob er Lust hat. Und am Ende saßen da sieben Freunde zusammen, die einfach Songs aus der Freude heraus, Songs zu schreiben, verfassten. Und während wir so vor uns hinarbeiteten, bekam Waylon die Anfrage, ob er nicht beim Song Contest antreten wolle. Ich hätte so etwas ja nie überlegt, wäre da nicht Anouk im Vorjahr für die Niederlande mit diesem Song aufgetreten, mit dem sie immerhin neunter wurde. Und das öffnete mir die Augen und ich sah: Ach, man kann einfach so geradeheraus beim Song Contest auftreten. Und irgendwie ist es dann beim Frühstück passiert, dass wir Ja gesagt haben. Warum machen wir nicht The Common Linnets?! Also, der Song Contest hat uns irgendwie unterwegs erwischt, kann man sagen. Letztlich bin ich total froh, dass wir da Ja gesagt haben.

Ilse DeLange

Universal Music Austria

Erklärte viel von ihrer bisherigen Karriere auch beim Gig in Wien: Ilse DeLange

ORF.at: Stand dann noch eine nationale Vorausscheidung an?

DeLange: Nein. So etwas hat es nicht gegeben. Mit einer nationalen Vorauswahl hätte ich das nicht gemacht. Das wollten wir uns nicht antun.

ORF.at: Und dann ging in Holland die Debatte los, ob man mit einem Countrysong beim Song Contest antreten kann ...

DeLange: (lacht) Ja, genau. Viele Augenbrauen wurden hochgezogen, weil es so ein Kontrast zu allem war, was man sich von einer Song-Contest-Nummer erwartet. Viele sagten: „Na, dieser Song wird im Nirgendwo landen.“ Oder: „Wie kann man nur diesen Song nach Kopenhagen schicken?“

ORF.at: Klingt ja ziemlich ähnlich wie in Österreich. Bei Conchita Wurst waren sich ja auch nicht alle - aus anderen Gründen freilich - sicher, ob man mit dem Song gute Chancen haben werde.

DeLange: Ja, bei uns ist das jedes Jahr so. Also eigentlich waren wir total vorbereitet darauf, dass so etwas passieren würde ...

ORF.at: Also das Nörgeln als erste Hürde auf dem Weg zum ESC ...

DeLange: Ja, genau. Jeder bei uns verhält sich dann wie der Trainer auf der Fernsehcouch, wenn die Weltmeisterschaft ist. Leute sagten schon: „Bitte, bitte, ändert euren Song.“ Und irgendwie fühlte ich mich überzeugter denn je von unserem Song, dass wir aus der Massen herausstechen würden. Und als ich uns nach der ersten Probe in Kopenhagen im Viewing-Room sah und die Aufzeichnung präsentiert bekam, dachte ich mir: „Oh, wow, das ist irgendwie speziell.“ Als wir ins Finale kamen, war das schon das Gefühl, gewonnen zu haben. Denn es gab so viel negative Stimmung uns gegenüber in unserer Heimat, dass sich das Finale schon wie ein Sieg angefühlt hat. Aber dass wir Zweiter werden würden, damit hätte ich nie gerechnet.

ORF.at: Wie war die Gefühlswelt nach dem Semifinale, als man plötzlich lesen durfte, dass die Niederlande zum engsten Favoritenkreis zählten?

DeLange: Ja, wir wurden in den Polls einmal in die Top Five gehoben, dann standen wir bei manchen schon in den Wetten als Sieger fest. Und je mehr diskutiert wurde, desto irrealer kam uns das ja alles vor. Am Ende waren wir total froh, dass wir Zweiter wurden und nicht gewonnen haben. Also für uns fühlte sich der zweite Platz ohnedies wie ein Sieg an. Und für Conchita war natürlich der erste Platz der richtige Platz.

Ilse DeLange Close Up beim Konzert

ORF.at/Gerald Heidegger

„Unser Song sollte nie mehr sein als das, was er ist.“

ORF.at: Klingt nach zwei Gewinnern ...

DeLange: Ja, im Prinzip fühlte es sich so an.

ORF.at: Was macht das Geheimnis von „Calm after the Storm“ aus? Im Prinzip ist das ja ein ganz einfacher Song. Oder anders gefragt: Ist ein guter Pop- oder Countrysong eine Nummer, bei der man einfach nichts mehr weglassen kann?

DeLange: Ja, unser Song sollte nie mehr sein als das, was er ist. Es ist ein Song in seiner einfachsten Form. Aber am entscheidendsten sind die Menschen, die den Song interpretieren. Das, was sie singen, muss man ihnen glauben. Man kann so eine Interpretation nicht faken. Es muss authentisch sein. Und je einfacher der Song ist, desto schlimmer würde das herausstechen, wenn es gefakt ist. Und darauf kommt es an. Man kann da keine Verzierungen anbringen. Dieser Song ist so nackt, dass man einfach wahrhaft sein muss. Man muss es mit den reinsten Gefühlen angehen, und wenn es um ein „Geheimnis“ geht, dann ist wohl das das „Geheimnis“.

Common Linnets live in Wien

ORF.at/Gerald Heidegger

„Was zählt, ist die Interpretation des Songs.“ Ausschnitt vom Konzert in Wien

ORF.at: Abgesehen vom Erfolg in den Niederlanden, den Sie dort immer schon mit Ihrer Musik hatten: Fühlen Sie, dass diese neu erwachte Liebe zum Country Projekten wie den Common Linnets auf einer internationaleren Ebene helfen könnte? Man denke nur an den letzten Film der Coen Brothers.

DeLange: Ja, da ist einiges am Laufen seit einigen Jahren. Man denke an den Erfolg von Mumford and Sons oder den Lumineers. Ja, es gibt im Moment wirklich viel Musik mit einem großen Publikum, das von der Bluegrass Americana Music inspiriert ist. Es ist lustig, dass all diese Acts in den USA ja nicht als Bluegrass-Acts oder Country rezipiert werden, sondern als Spielart des Rock. Ich kann schwer einschätzen, ob diese Stimmung den Weg für uns irgendwie gepflastert hat. Ich liebe einfach diese Musik. Alles, was aus diesem Genre daherkommt, fange ich mit offenen Armen auf. Und ich bin neugierig, ob nächstes Jahr mehr aus diesem Segment kommt - auch auf der Eurovision Stage.

ORF.at: Was sind dann die nächsten Schritte für The Common Linnets? Vielleicht auch eine Tour?

DeLange: Eine Tour wäre definitiv schön, aber dazu müssten wir einmal schauen, wie andere Songs von uns beim Publikum ankommen. Das wollen wir in den kommenden Wochen und Monaten ausprobieren. Aber es sieht so aus, als müsste ich meine Pläne als Solokünstlerin eine Weile nach hinten verschieben. (lacht)

Das Interview führte Gerald Heidegger, ORF.at