Luftschlag nach Ablauf von Ultimatum
Die ukrainische Armee ist am Montag gewaltsam gegen Bewaffnete in der Ostukraine vorgegangen, die in der Nacht den Flughafen der Stadt Donezk besetzt hatten. Es laufe ein „Anti-Terror-Einsatz“ auf dem Flughafen, seit um 13.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MESZ) ein Ultimatum an die Besetzer abgelaufen sei, teilte ein Militärsprecher am Nachmittag mit.
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Bodentruppen werden dabei von Kampfflugzeugen mit Fallschirmjägern unterstützt. Je zwei Kampfjets der Typen Su-25 und Mig-29 hätten die „Terroristen“ beschossen, teilte der Sprecher des Militäreinsatzes mit. Bodentruppen sollten das Gelände „reinigen“. Die moskautreuen Kräfte seien in Panik, so der Sprecher. Angaben zu Opfern gab es zunächst nicht.
Der am Sonntag gewählte neue ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko hatte den prorussischen Separatisten im Osten des Landes zuvor den Kampf angesagt. Auf dem Flughafen waren eine Explosion und heftige Schusswechsel zu hören, wie mehrere Nachrichtenagenturen berichteten. Über der Startbahn stieg demnach Rauch auf.
Alle Flüge gestrichen
Über dem Flughafen war der Lärm von Kampfjets zu hören. Eine Gruppe Bewaffneter habe den Flughafen zuvor um 3.00 Uhr besetzt, sagte Flughafensprecher Dimitri Kosinow. Dabei habe es keine Schießerei gegeben. Die Soldaten der ukrainischen Armee, die das Umfeld des Flughafens bewachten, seien von den Angreifern zum Abzug aufgerufen worden. Alle An- und Abflüge wurden gestrichen.

Reuters/Yannis Behrakis
Separatisten auf Lkws fahren Richtung Flughafen Donezk
Separatisten: Zwei Tote bei Schießerei vor Bahnhof
Bei einem weiteren Feuergefecht zwischen Regierungseinheiten und prorussischen Kräften vor dem Bahnhof der ostukrainischen Stadt Donezk wurden nach Angaben der Separatisten von Montagnachmittag mindestens zwei Menschen getötet. Zudem sei ein Kind verletzt worden, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf die Aktivisten. Ein Teil des Bahnhofs im Zentrum der Millionenstadt wurde evakuiert.
Die russische Agentur ITAR-TASS berichtete am Nachmittag, drei Kampfhubschrauber der ukrainischen Streitkräfte hätten das Werk der russischen Rüstungsfirma Totschmasch in Donezk beschossen. Auf dem Flughafen von Donezk hätten ukrainische Soldaten, darunter ein Scharfschütze, auf russische und ausländische Journalisten geschossen.
Poroschenko will nicht mit „Terroristen“ verhandeln
Der designierte neue Präsident sagte am Vormittag in Kiew, er unterstütze den laufenden Einsatz gegen die Separatisten im Osten. Dieser müsse aber „kürzer“ und „effizienter“ werden. Verhandlungen mit den prorussischen Kämpfern schloss er erneut aus. „Es gibt keine Gespräche mit Terroristen“, sagte Poroschenko. Er werde nicht zulassen, dass die Ostukraine „zu einem Somalia wird“.
Im Konflikt um die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim will Poroschenko rasch „zurück zum Status quo“. Poroschenko kündigte an, alle rechtlichen internationalen Mittel gegen das Vorgehen Russlands auf der Krim ausschöpfen zu wollen - auf UNO-Ebene und beim Menschenrechtsgerichtshof. Gas aus Russland wolle man zum „normalen Marktpreis“ erwerben. In zwei Jahren will Poroschenko durch eine Zusammenarbeit mit der Türkei Energie beziehen, in drei Jahren soll der Konzern Shell zusätzliche Energie bringen. Energie als politisches Druckmittel will er in die Schranken weisen.
Moskau „zu Dialog bereit“
Moskau signalisierte am Tag nach der Wahl Dialogbereitschaft. Man sei zu Gesprächen mit dem Wahlsieger Poroschenko bereit, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Am Sonntag war der milliardenschwere Unternehmer als Sieger aus der Präsidentschaftswahl hervorgegangen.

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Lawrow respektiert das Wahlergebnis
Der russische Außenminister bekräftigte, dass seine Regierung den Ausgang der Wahl im Nachbarland respektieren werde. Das hatte im Vorfeld der Abstimmung bereits Präsident Wladimir Putin erklärt. Putin hatte dabei jedoch offengelassen, ob er den neuen Präsidenten als legitim betrachten werde.
Poroschenko kündigt Treffen im Juni an
Lawrow warnte die Führung in Kiew jedoch davor, den Einsatz der Sicherheitskräfte gegen prorussische Separatisten im Osten der Ukraine fortzusetzen. Eine Fortführung des von der ukrainischen Regierung als Anti-Terror-Einsatz bezeichneten Vorgehens wäre ein „kolossaler Fehler“, so der russische Außenminister.

Reuters/David Mdzinarishvili
Poroschenko setzt auf Moskaus Hilfe
Poroschenko kündigte am Montag an, ein erstes Treffen mit der russischen Führung solle bereits in der ersten Juni-Hälfte stattfinden. Er appellierte an Moskau, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Ich hoffe, dass Russland die Bemühungen unterstützt, die Lage im Osten in den Griff zu bekommen.“ Er habe etwas vorzuschlagen, sagte er weiter. So solle etwa die russische Sprache einen offiziellen Status in den russisch geprägten Gebieten erhalten. Eine Stabilisierung der Lage in der Unruheregion sei „ohne russische Vertreter, ohne ein Treffen mit der russischen Führung unmöglich“.
Jazenjuk soll Regierungschef bleiben
Die Wahl vom Sonntag war die erste landesweite Abstimmung in der Ukraine seit dem Sturz des prorussischen Staatschefs Viktor Janukowitsch im Februar. Dieser äußerte laut russischen Nachrichtenagenturen am Montag, auch er wolle das Wahlergebnis „respektieren“. Zur künftigen Arbeit der Regierung sagte Poroschenko, er wolle den bisherigen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk im Amt behalten. Die gesamte Regierung solle ihre Arbeit fortsetzen.
OSZE: Legitimer Präsident
Obwohl die Wahl im Osten der Ukraine wegen Einschüchterungsversuchen und Boykotten prorussischer Separatisten vielerorts nicht möglich war, erklärte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Urnengang für „weitgehend demokratisch“. Poroschenko sei legitimer Präsident, erklärte die OSZE.
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) lobt den Ablauf der Wahl: „Die Wahlen verliefen im Wesentlichen unter fairen, transparenten und freien Bedingungen.“ Das ukrainische Volk habe durch die hohe Wahlbeteiligung und die so klare Entscheidung Willen zur Mitsprache gezeigt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte Putin auf, das Ergebnis der Wahl zu respektieren. Sie hoffe, „dass Russland das, was es vor der Wahl angekündigt hat, jetzt wahr macht“, so Merkel.
Die EU begrüßte die Wahl als „wichtigen Schritt zur Deeskalation der Lage und der Wiederherstellung von Sicherheit für alle Bürger“. In einer Erklärung von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso hieß es, alle Ukrainer sollten die Wahl „als Gelegenheit für einen Neustart des Landes“ betrachten und das Wahlergebnis akzeptieren. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte, die NATO werde mit Poroschenko zusammenarbeiten und weiterhin Bemühungen um eine friedliche Lösung der Krise unterstützen.
Große regionale Unterschiede
Wahlleiter Michail Ochendowski teilte nach Auszählung von 90,01 Prozent der Stimmzettel mit dass gestern 54,33 Prozent der Wahlberechtigten für den Oligarchen gestimmt. haben. Die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko landete weit abgeschlagen auf Rang zwei: mit 13 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung habe zumindest mehr als 60 Prozent betragen, so Ochendowski. Unter normalen Umständen wäre sie jedoch höher gewesen.

APA/ORF.at
Eine präsentierte Karte verdeutlichte große regionale Unterschiede: Poroschenko bekam demnach die absolute Mehrheit der Stimmen im Westen und im Zentrum der Ukraine, die relative Mehrheiten im Süden und Osten. Jene Teile der Ukraine, die in der Vergangenheit insbesondere Janukowitschs Partei der Regionen gewählt hatten, wiesen eine um 15 bis 20 Prozent niedrigere Wahlbeteiligung auf als das Zentrum und der Westen der Ukraine.
Eine völlige Auszählung werde es aufgrund von Vorfällen mit verschwundenen Protokollen in manchen Wahlbezirken nicht geben, so Ochendowski. Ein endgültiges Ergebnis müsse und werde laut gesetzlicher Vorgaben bis zum 5. Juni feststehen.
Zwei Tote nahe Slawjansk
Bei weiteren Gefechten in der Ostukraine wurden laut Kiew mindestens zwei prorussische Separatisten getötet. Proukrainische Truppen hätten die Leichen der Männer nach einer Schießerei an einem Kontrollposten gefunden, teilte Wladislaw Selesjnow, der Sprecher des Militäreinsatzes, Montagvormittag mit. Die moskautreuen Kämpfer hätten versucht, aus dem Belagerungsring um die Separatistenhochburg Slawjansk auszubrechen. Der Angriff sei abgewehrt worden.
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