Zweite Evakuierungsphase gestartet
Die Hochwasserkatastrophe in Serbien, Bosnien und Kroatien nimmt kein Ende: In Bosnien hat sich die Lage an der Save am Mittwoch zwar stabilisiert, Probleme bereiteten aber noch Wassermassen, die sich ihre eigenen Wege bahnten. In Serbien wurden die letzten noch verbliebenen Bewohner der am schlimmsten betroffenen Stadt Obrenovac in Sicherheit gebracht.
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In Serbien mussten insgesamt mehr als 32.000 Menschen ihre Häuser. Tausende von ihnen wurden in Notunterkünften in der serbischen Hauptstadt Belgrad einquartiert. Für viele von ihnen wird es Wochen dauern, ehe sie in ihre Häuser zurückkehren können. Die Zahl der Hochwassertoten ist in Serbien auf 27 angestiegen. Diese Zahl teilte Ministerpräsident Aleksandar Vucic am Mittwochnachmittag mit. Er konnte nicht sagen, ob das nun die endgültige Opferzahl ist. Insgesamt sind rund 50 Menschen durch die verheerenden Unwetter und Überflutungen auf dem Balkan gestorben.

APA/EPA/Andrej Cukic
Obrenovac ist fast völlig überschwemmt
In den serbischen Ortschaften Morovic und Visnjicevo wurde die zweite Evakuierungsphase gestartet: Frauen, Kinder und alte Menschen müssten im Laufe des Tages ihre Häuser verlassen, entschied der regionale Krisenstab. Grund der Maßnahme war ein Dammbruch an der Save in Ostkroatien. Dadurch bahnt sich die Save ihren Weg durch Waldgebiete in Richtung der beiden Ortschaften und birgt ein nicht kalkulierbares Risiko.

APA/EPA/Ivan Milutinovic
Freiwillige in Belgrad füllen Sandsäcke
Belgrad: Lage wird als sicher eingeschätzt
In Belgrad wurden die Ufer von Save und Donau durch Schutzdämme gesichert, die Stadt dürfte von Überflutungen verschont bleiben. Die Situation wurde als sicher bewertet. Da viele Studenten beim Errichten von Schutzdämmen und in Notquartieren helfen, wurden an der Uni Belgrad für diese Woche angesetzte Prüfungen verschoben.
Spendenmöglichkeit
Nachbar in Not, Hochwasser in Südosteuropa, Erste Bank, IBAN: AT21. 2011.1400.4004.4003, BIC: GIBAATWWXXX
Der Kampf gegen die Wassermassen wurde auch im Kohlekraftwerk TENT fortgesetzt, auf das die Hälfte der serbischen Stromproduktion entfällt. Aus Belgrad wurden 60.000 zusätzliche Sandsäcke geschickt. Durch Überflutungen wurden in Serbien 3.500 der 17.000 Kilometer umfassenden höherrangigen Verkehrswege beschädigt oder zerstört. Das Land kann bei der Beseitigung der Hochwasserschäden - vorläufige Schätzungen gehen von einer Milliarde Euro aus - mit EU-Unterstützung rechnen.

APA/AP/Sulejman Omerbasic
Auf einem überfluteten Feld werden weggespülte Landminen gesucht
Bosnien: Weggespülte Landmine explodiert
In Bosnien ist die Befürchtung wahr geworden, dass durch das Hochwasser neue Gefahren durch Landminen ausgehen: In der Nähe der Stadt Brcko ist es am Mittwoch zur Explosion einer solchen Mine gekommen, bei der glücklicherweise niemand verletzt wurde. Das Zentrum für Minenräumung in Sarajevo appellierte an die Bevölkerung, gefundene Minen nicht zu berühren, sondern die Umgebung mit Warnschildern zu sichern. In Bosnien sind nach den Kriegen der 1990er Jahre noch 1.215 Quadratkilometer - 2,4 Prozent der Landesfläche - vermint.
Weitere Gefahren stellen nach dem Zurückgehen des Wassers und durch steigende Temperaturen mögliche Seuchen dar: Jetzt drohten der Ausbruch von West-Nil-Fieber und die Verbreitung von Milzbrand, warnte Nihajd Fejsic von der Veterinärmedizinischen Fakultät in Sarajevo. In Maglaj und Doboj breitete sich starker Fäulnisgeruch aus. Müllberge, Schlamm und Staub prägten das Straßenbild.
Häftlinge nutzen Überschwemmung zur Flucht
In der nordbosnischen Stadt Orasje sind am Dienstagabend 19 Häftlinge aus einem überschwemmten Gefängnis geflüchtet. Bis Mittwochvormittag wurden alle wieder festgenommen. Die 100 weiteren Insassen wurden in Gefängnisse in Zenica und Tuzla verlegt. Im Kanton Tuzla wurden bis Mittwoch mehr als 2.500 Stellen identifiziert, an denen Gefahr durch Erdrutsche besteht. Bedroht waren rund 3.000 Häuser, hieß es.
In Mali Zvornik an der serbisch-bosnischen Staatsgrenze wurde vorläufig die Gefahr gebannt, dass Erdreich den Fluss Drina verlegt. Sollten sich die Erdmassen weiterbewegen, droht der Fluss die bosnischen Stadt Zvornik zu überfluten. In Banja Luka würden dringend männliche Arbeitskräfte benötigt, hieß es seitens die Stadtbehörden.
Kroatien: Kritik an Behörden
Im Kroatien wurde nach einem Dammbruch an der Save Kritik an den Behörden laut: In der Ortschaft Rajevo Selo soll der erst 2010 erneuerte Damm durch kontinuierliches Abtragen von Sand und Schotter unterhöhlt worden sein. Die Kritik aus dem Dorf richtet sich an die staatliche Wasserwirtschaft und ein privates Unternehmen. In Medien waren Spekulationen aufgetaucht, wonach Schotter aus Rajevo Selo für den Autobahnbau verwendet worden sei. In den Hochwassergebieten in Slawonien stehen noch immer mehrere Orte komplett unter Wasser.
Zehnmal so viel Regen wie sonst
In manchen Gebieten des Balkans ist innerhalb von sechs Tagen zehnmal so viel Regen gefallen wie sonst. Vom 13. bis zum 18. Mai habe es fast durchgehend geregnet, enorme Niederschlagsmengen habe es besonders in der Mitte und im Osten Bosnien-Herzegowinas, im Osten Kroatiens und in der Mitte und im Westen Serbiens gegeben, teilte der Deutsche Wetterdienst (DWD) am Mittwoch in einem Hintergrundbericht mit. Verbreitet seien mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, üblich auf dem Balkan seien in sechs Tagen zehn bis 20 Liter.
EU-Entscheidung über Hilfsgelder im August
Die EU-Kommission könnte im August über konkrete Hochwasserhilfen für Serbien und Kroatien aus dem EU-Solidaritätsfonds entscheiden. Das sagte der für den Katastrophenfonds zuständige EU-Regionalkommissar Johannes Hahn am Mittwoch nach einem Treffen mit Serbiens Außenminister Ivica Dacic und der für die EU-Integration zuständigen serbischen Ministerin Jadranka Joksimovic in Brüssel.
Hahn bekräftigte, dass Serbien für Hilfen aus dem EU-Solidaritätsfonds genauso förderfähig sei wie ein EU-Mitgliedsland. Alles deute bisher darauf, dass die Schwelle von einem Schaden von 170 Millionen Euro im Falle Serbiens überschritten wurde. Es scheine klar, dass das Hochwasser als nationales Desaster einzuordnen sei. Im Falle Kroatiens sei das noch nicht klar. Kroatien könnte aber auch Hilfen aufgrund eines regionalen Desasters oder als betroffenes Nachbarland erhalten, sagte Hahn.
Im Falle Bosniens werde eine Umschichtung von EU-Mitteln geprüft, zuständig sei hier die EU-Kommissionsabteilung für Erweiterung, sagte Hahn. Voraussetzung für eine rasche Entscheidung der EU-Kommission zu Serbien und Kroatien sei, dass Serbien und Kroatien bis Ende Juni oder Anfang August ihre Anträge stellten.
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