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Vom Kakaohändler zum Spitzenpolitiker

„Schokoladenbaron“ nennen die Ukrainer den Oligarchen Pjotr Poroschenko. Der ist aber nicht nur milliardenschwerer Süßwarenunternehmer, sondern bereits jahrelang in der Politik aktiv. Ab sofort liegen die Hoffnungen zahlreicher Ukrainer auf dem Mann, der mit dem Slogan „Auf andere Art leben“ warb.

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„Die einzige Chance zu siegen ist die Nominierung eines Einheitskandidaten der demokratischen Kräfte“, sagte Witali Klitschko Ende März. Das prominente Gesicht der Maidan-Proteste zog mit diesen Worten nicht nur seine eigene Präsidentschaftskandidatur zurück. Der ehemalige Boxweltmeister stellte sich zugleich hinter Poroschenko und machte den Oligarchen damit zum klaren Favoriten der Präsidentschaftswahl am 25. Mai.

Dass bei der Wahl aufgrund der Kämpfe in der Ostukraine nicht alle Teile des Landes teilnahmen, könnte zwar ein Problem für die internationale Anerkennung der Wahl darstellen - hat doch bereits Russland Zweifel an der Legitimität der anstehenden Wahl angemeldet -, es könnte Poroschenko allerdings auch zum Vorteil gereichen. Denn der Unternehmer erfreut sich vor allem in den westlichen Landesteilen einer gewaltigen Popularität.

Klarer Favorit

Noch vor seiner offiziellen Kandidatur hatten die Ukrainer den Inhaber des größten Süßwarenunternehmens des Landes in Umfragen bereits auf Platz eins unter den möglichen Präsidentschaftskandidaten gehoben. Seine Spitzenposition verlor Poroschenko, der mit dem Slogan „Auf andere Art leben“ wirbt, dann den gesamten Wahlkampf über nicht mehr.

Die Ursachen für die Sympathiewelle, die Poroschenko in seiner Heimat entgegenschlägt, lassen sich vor allem in den Monaten der Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew (Maidan) suchen. Poroschenko war es von Anfang an gelungen, sich zu einer der Identifikationsfiguren der Protestbewegung aufzuschwingen.

Maßgeblich daran beteiligt war sein Fernsehsender TV5, der umfassend über die Demonstranten und ihre Forderungen berichtete. Aber Poroschenko ließ es sich auch nicht nehmen, selbst an den Protesten teilzunehmen und sich in dem aufgeheizten Klima als Stimme der Vernunft zu gerieren. Einmal soll der Unternehmer sogar auf einen Bulldozer geklettert sein, um einen Demonstranten davon abzuhalten, das Baufahrzeug in die Reihen der Polizei zu lenken.

Politisch flexibel

Dass Poroschenko keine großen Berührungsängste gegenüber den politischen Lagern kennt, lässt bereits sein politisches Leben erkennen. Anfangs Anhänger der prorussischen Partei des damaligen Präsidenten Leonid Kutschma, wurde Poroschenko später unter Viktor Juschtschenko, der im Jahr 2004 zum Helden der „Orange Revolution“ und zum ukrainischen Staatschef aufstieg, Außenminister.

Als in Kiew wieder der prorussische Viktor Janukowitsch an die Macht kam, übernahm Poroschenko kurzzeitig das Amt des Wirtschaftsministers. Geschadet hat ihm dieses politische Engagement freilich nicht - auch wenn ihn Kritiker als liberales Feigenblatt für Janukowitsch abstempelten. Genauso wenig, wie Poroschenkos wirtschaftliche Rolle als Oligarch an seinem politischen Image kratzte.

Gewinner der Wendejahre

„Schokoladenbaron“ nennen ihn seine Landsleute fast liebevoll und spielen damit auf das Süßwarenimperium Poroschenkos an, das sich dieser in den Jahren nach dem Zusammenbruch des Ostblocks aufbaute. Nachdem er anfangs als Kakaohändler gearbeitet hatte, investierte der Absolvent der internationalen Ökonomie sein Geld alsbald in mehrere Süßwarenfabriken.

1995 führte er diese selbstbewusst unter dem Namen Roschen zusammen - die mittleren Buchstaben seines Nachnamens. 450.000 Tonnen Süßwaren produziert das Unternehmen nach eigenen Angaben und verkauft sie in Asien, Nordamerika und Europa. Eine knappe Milliarde Dollar (730 Mio. Euro) betrug der Umsatz im letzten Jahr. In seiner Heimatregion, der Winnitsa, ist Poroschenko der größte Arbeitgeber.

Doch Schokolade ist schon lange nicht mehr Poroschenkos einzige Einnahmequelle. Neben dem Fernsehsender TV5 hält er Anteile an Rüstungsunternehmen, einer Werft und landwirtschaftlichen Unternehmen. Dabei hat sich Poroschenko stets den Ruf eines Self-Made-Millionärs bewahrt, der sich sein Vermögen mit eigener Kraft erarbeitet hat und sich problemlos auf dem internationalen wirtschaftlichen und politischen Parkett bewegen kann.

Ambivalente Botschaften

Dieses Bild mag seinen Teil dazu beigetragen haben, dass auch der Westen mittlerweile seine Hoffnungen in den Wirtschaftsmagnaten setzt. Anfang Mai besuchte Poroschenko Berlin und wurde - ganz ohne aktuelles politisches Mandat - sowohl von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als auch dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier empfangen. Thema der Gespräche: deutsche Investitionen in der Ukraine und natürlich die Krise in der Ostukraine.

Während der Maidan-Proteste hatte Poroschenko, der neben Ukrainisch auch fließend Russisch spricht, noch versöhnliche Signale in Richtung Russland gesandt. Doch spätestens mit der Abspaltung der Krim änderte sich die Tonlage des Präsidentschaftskandidaten. Seinen Wählern verspricht er eine moderne und effiziente Armee und gibt sich „überzeugt, dass eine verantwortungsvolle ukrainische Regierung in der Lage sein wird, die Krim zurückzuholen“.

Wie weit sich das mit seinen Plänen, die Beziehungen zu Russland in den nächsten drei Monaten zu normalisieren, vereinbaren lässt, ist freilich noch eine andere Frage. Ebenso wird es Russland kaum freuen, wenn Poroschenko „Anti-Terror-Aktionen“ gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes als „alternativlos“ bezeichnet. Dass er Verhandlungen mit den Separatisten kategorisch ablehnt, missfällt im Übrigen auch westlichen Politikern wie Merkel.

Wirtschaftspolitisch klar positioniert

Sehr wohl auf Gegenliebe bei europäischen Politikern trifft dafür Poroschenkos Ankündigung eines „bedingungslosen Kampfes“ gegen die Korruption. Wie er diesen Plan umsetzen möchte, lässt der Unternehmer allerdings offen.

Deutlicher lassen sich da schon seine wirtschaftspolitischen Pläne nachzeichnen. Bereits als Wirtschaftsminister goss Poroschenko 2012 seine Vorstellungen in einen Zwölfpunkteplan. Von Deregulierung der Wirtschaft ist darin die Rede, einer Reform der Energiemärkte und Nahrungsressourcen und der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft. Aber auch von einem Schutz des Binnenmarkts vor unfairem Wettbewerb seitens ausländischer Firmen.

Schwere Aufgaben und große Versprechen

Seinen Wählern verspricht der Milliardär die Schaffung Tausender neuer Jobs. Außerdem will er die Ukraine „wie meine Roschen-Werke“ führen - mit pünktlichen Gehältern, Gesundheitsversicherung und anderen Zuschüssen. Die eigentlichen Roschen-Werke will er im Falle seiner Präsidentschaft allerdings verkaufen.

Ob er seine Managementqualitäten tatsächlich auf die Führung eines Staates umlegen kann, wird er nun bald beweisen müssen. Denn nach dem Wahlsieg wartet die wirkliche Herausforderung: die Lösung der tiefen Krise seines Heimatlandes.

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