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Umbau in 1.300 Bahnhöfen notwendig

Es war gut gemeint: Moderne, breitere und komfortablere Waggons sollten die veralteten französischen Regionalzüge ersetzen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs (SNCF) bestellte bei Alstom und Bombardier rund 2.000 neue Züge im Wert von 15 Milliarden Euro. Das Problem: Jeder siebente Bahnhof in Frankreich ist für die neuen Züge zu klein.

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Bestellt wurden die Züge von SNCF auf Basis der Angaben des staatlichen Betreibers des französischen Schienennetzes, Reseau ferre de France (RFF). RFF lieferte die bestehenden Abstandsnormen zwischen Waggons und Bahnsteigen. Darauf basierend gab die SNCF den beiden Eisenbahnbauern den Auftrag, die Waggons rund 20 Zentimeter breiter und somit komfortabler für die Passagiere zu machen.

Bahnhöfe älter als Abstandsdaten

Die von RFF gelieferten Daten sind rund 30 Jahre alt. Vergessen wurde offenbar, dass zahlreiche Bahnhöfe mehr als 50 Jahre vor der Erstellung dieser Normen erbaut wurden - für wesentlich schmalere Züge. Einen Realitätscheck führte SNCF nicht durch und vertraute stattdessen auf die Informationen des Schienennetzbetreibers. Nun sind die Waggons für Hunderte Bahnhöfe um ein bis zwei Zentimeter zu breit.

SNCF und RFF

Bis 1997 war SNCF auch für die Verwaltung des Schienennetzes zuständig. Mit der von der EU geforderten Liberalisierung wurden Netz und Betrieb der Eisenbahn getrennt. Im Zuge einer Reform wurde diese Trennung seit einigen Jahren entschärft. Anfang 2015 soll die Fusion beendet und wieder ein Unternehmen für Schienennetz und Betrieb verantwortlich sein.

Aufgedeckt wurde der Fall vom französischen Satiremagazin „Le Canard enchaine“. In Frankreich herrscht Empörung, nicht zuletzt aufgrund der Kosten. Denn nun müssen die Bahnsteige in etwa 1.300 Bahnhöfen abgeschliffen und umgebaut werden, um Platz für die neuen Züge zu schaffen.

Laut einer Aussendung von SNCF und RFF werden die Arbeiten rund 50 Millionen Euro kosten. Diese Summe sei in ein Vier-Milliarden-Euro-Budget, das ohnehin jährlich für die Modernisierung des Schienennetzes investiert werde, integriert, beschwichtigen die beiden Unternehmen. Doch dem Bericht von „Le Canard enchaine“ zufolge stellte die ohnehin bereits hochverschuldete RFF 80 Millionen Euro für den Notfall bereit. Wirklich abschätzbar sind die Kosten noch nicht.

„Haben Problem spät entdeckt“

300 Bahnhöfe wurden zwar bereits adaptiert, aber mindestens 1.000 fehlen offiziellen Angaben zufolge noch. Besonders betroffen sind Zentralfrankreich und Midi-Pyrenees. In Lyon mussten sogar Schienen verlegt werden, da ein Zug den anderen touchiert hätte. In manchen Fällen könne es auch notwendig sein, einen Schaltschrank zu versetzen, da er nun mit den breiteren Zügen zu nahe am Bahnsteig wäre, sagt RFF-Sprecher Christophe Piednoel gegenüber France Info.

In Frankreich stellt sich nun die Frage, wer für die zusätzlichen Kosten aufkommen wird. RFF hofft jedenfalls, von den Regionen und der SNCF unterstützt zu werden. Der Präsident der Vereinigung der Regionen in Frankreich, Alain Rousset, winkte bereits ab. Der RFF müsse zur Kasse gebeten werden: „Wir weigern uns, auch nur einen Cent für diese Ausbesserungen zu geben.“ RFF-Präsident Jacques Rapoport sicherte jedenfalls zu, dass die Passagiere nicht für die Zusatzkosten aufkommen müssen.

Er weigerte sich, einen Fehler einzugestehen. „Aber es ist wahr, dass wir dieses Problem ein bisschen spät entdeckt haben“, sagte er im Interview mit Europe 1. Gegenüber „Le Figaro“ gibt er auch zu, dass eine bessere Koordination zwischen RFF und SNCF zumindest 50 Millionen Euro erspart hätte.

„Als würde man einen Ferrari kaufen“

RFF-Sprecher Piednoel bemüht eine Metapher zur Erklärung des Missgeschicks: „Das ist, als würde man einen Ferrari kaufen, der in der Garage untergebracht werden soll. Dann wird man sich bewusst, dass die Garage nicht exakt die Größe hat, einen Ferrari zu parken, weil man vorher eben noch keinen Ferrari hatte.“ Für humorvolle Erklärungsversuche hat der französische Staatssekretär für Verkehr, Frederic Cuvillier, wenig übrig. Die Situation sei „abenteuerlich“ und „komisch dramatisch“. Umso notwendiger sei daher die endgültige Wiedervereinigung von RFF und SNCF.

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