Tausende in Sicherheit gebracht
Keine Atempause für die Bewohner der Flutgebiete in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien: In der Nacht auf Dienstag mussten erneut Tausende Menschen ihre Häuser verlassen. Die kroatischen Behörden bestätigten inzwischen ein zweites Todesopfer. Insgesamt kamen bisher in den drei Ländern fast 50 Menschen ums Leben, einige werden noch vermisst.
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In Kroatien überschwemmte der Fluss Save mehrere Dörfer, in Bosnien-Herzegowina mussten etwa 11.000 Menschen vor den Fluten in Sicherheit gebracht werden. Etwa ein Viertel der 3,8 Millionen Einwohner des Landes ist Behördenangaben zufolge von den Überschwemmungen betroffen. Hunderte Erdrutsche sorgten für zusätzliche Zerstörung. Die Stadt Orasje ist bereits vom Wasser eingeschlossen. Tausende Helfer waren am Dienstag im Nordosten Bosniens im Einsatz, um die Dämme besonders in der Region von Bijeljina zu verstärken.

APA/EPA/Andrej Cukic
Obrenovac ist so gut wie ganz überschwemmt
Hilfsgelder aus Österreich
Die österreichische Bundesregierung beschloss, Bosnien-Herzegowina und Serbien mit einer Million Euro nach der Hochwasserkatastrophe zu helfen. Der Beschluss wurde am Dienstag im Ministerrat gefällt, die Mittel stammen aus dem Auslandskatastrophenfonds. Sie sollen österreichischen NGOs zur Verfügung gestellt werden.
Spendenmöglichkeit
Nachbar in Not - Hochwasser in Südosteuropa, Erste Bank, IBAN: AT21. 2011.1400.4004.4003, BIC: GIBAATWWXXX
Ein aus 50 Einsatzkräften aus Kärnten, Tirol, Wien, Salzburg und Niederösterreich bestehender Wasserrettungszug, der im Nordosten Bosniens im Katastropheneinsatz war, wird am Dienstag nach Österreich zurückkehren. Laut einer Aussendung des Wasserrettungslandesverbands Kärnten wurden 200 Menschen gerettet. Der Bedarf an den auf Evakuierungen spezialisierten Rettern ist seit Montag gesunken.
Außerdem wurde das Quartier der Einsatzkräfte, eine Volksschule in der Stadt Orasje, überflutet und musste geräumt werden. Am Dienstag wurden wieder Spezialisten der Wasserrettung angefordert. Daher werden im Laufe des Tages zwölf „Fließwasserretter“ aus Kärnten, Tirol und Salzburg in das bosnische Hochwassergebiet fahren, um die Feuerwehren dort zu unterstützen. In Serbien waren 57 Feuerwehrleute der Landesfeuerwehrverbände Salzburg, Oberösterreich und Kärnten tätig. Im Rahmen des österreichischen EUFOR-Kontingents stehen in Bosnien-Herzegowina Hubschrauber des Bundesheeres im Einsatz.

APA/ORF.at
Ratschläge gegen Minen gegeben
Die Gefahr von hochgespülten Minen besteht weiter. Alma al-Osta, Expertin für Landminen bei der Organisation Handicap International, rief die Menschen zur Vorsicht auf. „In überfluteten Gebieten wissen wir nicht mehr, wo Minen zu finden sind, und wir wissen auch nicht, wo und wie wir danach suchen sollen. Zwei Ratschläge werden derzeit an die Bevölkerung ausgegeben: Wenn sie ihre Häuser und Wohnungen säubern, müssen sie sehr vorsichtig sein - und sie sollen nicht durchs Wasser waten“, sagte Al-Osta in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Neue Save-Flutwelle erreicht Belgrad
Die serbische Regierung rief am Dienstag eine drei Tage dauernde Staatstrauer für die Opfer der Katastrophe aus. Sie soll am Mittwoch beginnen und bis Freitag dauern. Der serbische Ministerpräsident Alexander Vucic stellte auch in Aussicht, dass der ausgerufene Notstand am Freitag enden könnte.
Etwa 10.000 Bewohner der besonders stark betroffenen serbischen Kleinstadt Obrenovac mussten ihre Häuser verlassen. Serbische Helfer befürchten weitere Überschwemmungen, wenn die Flutwelle der Save die Donau erreicht. Die Dämme in der serbischen Hauptstadt Belgrad hielten über Nacht. Bedroht waren neben Belgrad vor allem die serbischen Städte Sabac und Sremska Mitrovica. In Serbien wurden bisher rund 30.000 Menschen vor den Fluten in Sicherheit gebracht.
Bis jetzt gelang es den serbischen Einsatzkräften, das Kraftwerk Nikola Tesla in der Nähe der überschwemmten Stadt Obrenovac vor den Überschwemmungen zu schützen. Aus dem Wärmekraftwerk kommt die Hälfte des in Serbien produzierten Stroms. Energieminister Aleksandar Antic nannte den Schutz des Kraftwerks „entscheidend“ für die Sicherheit der Energieversorgung.
Serbien will EU-Hilfe
Serbien will nun einen Antrag auf Unterstützung aus dem EU-Solidaritätsfonds stellen. Ministerpräsident Aleksander Vucic sagte am Dienstag, dass sein Land einen selbstständigen Antrag - unabhängig von Kroatien und Bosnien-Herzegowina - stellen werde. Um Mittel aus anderen EU-Töpfen zu erhalten, werde man mit diesen Ländern zusammenarbeiten, fügte er hinzu.
Die serbische Regierung schätzt den Schaden durch das Hochwasser allein im staatlichen Bereich (Stromwirtschaft, Eisenbahnen, Straßennetz, Telekommunikationen, Gasversorgung) auf 0,64 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts. Der Schaden in der Landwirtschaft wird auf weitere 500 Mio. Euro bewertet.
Gemeinden sollen Schaden nicht übertreiben
Vucic appellierte am Dienstag an die betroffenen Gemeindeverwaltungen, bei der Bewertung der Schäden „auf keinen Fall zu versuchen, den eigenen Staat zu betrügen, indem sie den Sachschaden über seinem tatsächlichen Ausmaß darstellen“. Die angegebenen Daten würden drei- oder viermal kontrolliert, kündigte der Regierungschef an. Das EU-Beitrittswerberland wird sich nach Ankündigung der Regierung auch darum bemühen, 30 Millionen Euro an reservierten EU-Geldern für die Hochwasserhilfe einzusetzen, die wegen fehlender Projekte bisher nicht abgerufen wurden.
Bosnien zieht verheerende Zwischenbilanz
Die Überflutungen der letzten Tage richteten auf dem westlichen Balkan ein unglaubliches Ausmaß an Zerstörung an. Am Montag zog die Regierung in Bosnien-Herzegowina eine erste Zwischenbilanz - samt Vergleichen mit der Zeit nach dem Bosnien-Krieg vor rund 20 Jahren. Rund eine Million Einwohner seien von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. An die 100.000 Privathäuser, rund 230 Schulen und Gesundheitseinrichtungen seien unbrauchbar, sagte Außenminister Zlatko Lagumdzija. Der Minister wollte bei einer Pressekonferenz am Montag in Sarajewo noch keine Angaben zur Zahl der Todesopfer machen. Er verwies darauf, dass diese noch nicht feststehe.

AP/Amel Emric
Häuser wurden - wie hier nahe Tuzla - reihenweise dem Erdboden gleichgemacht
Häuser wurden mit Schlamm überschwemmt, Bäume reihenweise weggerissen, auf dem Land lägen in den Dörfern die Kadaver unzähliger ertrunkener Tiere. Die Behörden warnten vor Seuchen. „Die Folgen der Flut sind erschreckend“, sagte Lagumdzija. „Die materiellen Schäden sind nicht kleiner als die, die vom Krieg (1992 bis 1995) verursacht wurden.“ Während des Krieges hätten zahlreiche Menschen ihr gesamtes Hab und Gut verloren, so der bosnische Außenminister. „Heute stehen sie wieder vor dem Nichts.“
Über 2.000 Erdrutsche
In dem Land, nicht einmal so groß wie Niederösterreich, die Steiermark, Kärnten und das Burgenland zusammen, wurden über 2.000 Erdrutsche gezählt. Rund 500.000 Menschen mussten in Bosnien aus ihren Häusern fliehen. In Serbien betrug die Zahl der Obdachlosen bis Montag rund 25.000.
„Wir haben Informationen darüber, dass eine halbe Million Bosnier entweder evakuiert wurden oder ihre Häuser wegen des Hochwassers oder Erdrutschen verlassen“, sagte der Leiter des Katastrophenschutzes, Fahrudin Solak. Auf dem westlichen Balkan waren in den letzten Tagen die größten Regenmessungen seit Beginn der Messungen vor 120 Jahren gefallen.
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