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Abstimmung „im Kanonendonner“

Die ukrainische Regierung hat eingeräumt, dass die für Sonntag geplante Präsidentschaftswahl wegen der unruhigen Lage nicht im ganzen Land stattfinden wird. In weiten Teilen der ostukrainischen Gebiete Donezk und Lugansk sei keine Abstimmung möglich, sagte Innenminister Arsen Awakow am Montag.

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Die betreffenden Regionen stehen unter der Kontrolle militanter moskautreuer Separatisten, die die Wahl strikt ablehnen. Awakow warf den prorussischen Kräften vor, Wahlkommissionen anzugreifen und Kommissionsmitglieder zu entführen. Zugleich bekräftigte er, dass die Abstimmung „in jedem Fall“ durchgeführt werde, auch in einigen Teilen von Donezk und Lugansk. Deren selbst ernannte Machthaber hatten die Regionen nach einem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum vor einer Woche für unabhängig erklärt. Die „Volksrepublik“ Lugansk forderte die Vereinten Nationen (UNO) auf, die Eigenständigkeit anzuerkennen.

Zweifel an der flächendeckenden Durchführbarkeit der Wahl hatten sich schon zuletzt gemehrt. Interimspräsident Alexander Turtschinow rief am Wochenende dazu auf, in den abtrünnigen Regionen für Sicherheit zu sorgen. Nachbar Russland warnte vor einer Wahl „im Kanonendonner“. Auch die Wahlkommission selbst hatte sich bereits am Samstag mehr als skeptisch gezeigt. Ohne ein entschlossenes Eingreifen der Sicherheitskräfte könnten fast zwei Millionen der insgesamt rund 36 Millionen Wahlberechtigten an der Stimmabgabe gehindert sein.

Regionen erklärten sich für unabhängig

Die ukrainische Armee versucht seit einem Monat vergeblich, die Kontrolle über die Regionen an der russischen Grenze zurückzugewinnen. Nach umstrittenen Referenden hatten bewaffnete prorussische Separatisten die Regionen Donezk und Lugansk am Montag vergangener Woche für unabhängig erklärt. Nach Angaben der Wahlkommission werden Wahlhelfer in beiden Regionen bedroht und durch körperliche Gewalt eingeschüchtert, ohne dass Polizei oder Sicherheitskräfte einschreiten.

„Können Wahlen im Kanonendonner wirklich den demokratischen Normen des Wahlprozesses entsprechen?“, hieß es in einer Erklärung des russischen Außenministeriums. Moskau rief die ukrainische Regierung auf, die „militärischen Operationen“ im Osten des Landes „sofort zu beenden“. Dutzende Menschen wurden seit dem Beginn der von Kiew als „Anti-Terror-Einsatz“ bezeichneten Offensive getötet.

Eindringliche Warnungen an Moskau

Die USA und die EU sind zu weiteren Wirtschaftssanktionen gegen Russland bereit, sollte Moskau die Präsidentschaftswahl in der Ukraine gefährden. Auf diese Haltung einigte sich US-Außenminister John Kerry bei einem Treffen mit den Außenministern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien am Donnerstag in London. „Unsere Botschaft ist wirklich sehr einfach“, sagte Kerry vor Journalisten in London. „Lasst die Ukraine wählen. Lasst das ukrainische Volk seine Zukunft bestimmen.“

Klare Worte kamen am Wochenende erneut auch aus Deutschland. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) drohte Russland für den Fall eines Scheiterns der Präsidentschaftswahl mit weiteren Sanktionen. „Scheitert die Präsidentschaftswahl, kommen wir an einen gefährlichen Punkt“, sagte Gabriel am Wochenende der „Bild am Sonntag“.

Russland vertritt eindeutige Position

Europa werde „nicht einfach zuschauen, wenn die Abstimmung von außen gestört wird, dann würden wir auch über weitere Sanktionen reden müssen“, so Gabriel. Moskau müsse „dazu beitragen, dass die Wahl stattfindet und das Ergebnis von allen akzeptiert wird“. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte in der „Passauer Neuen Presse“ („PNP“) Wahlen „im gesamten Land“. Nur so werde der „vom Volk gewählte Präsident ausreichend Legitimität“ erhalten.

Moskau hatte schon vor geraumer Zeit angekündigt, das Ergebnis der Wahl vom Sonntag nicht als gültig anzuerkennen, im Gegenzug aber die Anerkennung des Unabhängigkeitsreferendums in der Ostukraine von der EU gefordert.

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