Drei Tage ohne Pause Sandsäcke gefüllt
Mit einem Damm aus 60.000 Sandsäcken versuchen Soldaten und Kraftwerksarbeiter, das größte serbische Kraftwerk in Obrenovac vor Überschwemmungen zu schützen und am Netz zu halten. Eine Gewerkschaftssprecherin sagte am Montag, einige Arbeiter hätten drei Tage nahezu ohne Pause Sandsäcke gefüllt, da Hilfsmannschaften nicht zu dem eingeschlossenen Kraftwerk Nikola Tesla durchdringen konnten.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand. Alles Weitere liegt in Gottes Hand“, sagte Djina Trisovic zu Reuters. Das Kraftwerk produziert etwa die Hälfte des serbischen Stroms. Als Vorsichtsmaßnahme wurden schon Teile der Anlage stillgelegt. Das Kraftwerk hatte am Sonntag bereits eine Flutwelle gut überstanden. Serbiens Energieminister Aleksandar Antic nannte den Schutz des Kraftwerks „entscheidend“ für die Sicherheit der Energieversorgung im Land.
In Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien sind mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Vermissten ist nicht bekannt. Es wird allerdings erwartet, dass die Zahl der Toten weiter steigt. Gewissheit wird man erst haben, wenn sich die Wassermassen zurückziehen.

APA/EPA/Ivan Milutinovic
Ein Notquartier für Flutopfer in Serbien
Hält Damm in Belgrad?
Serbien rüstete sich am Montag für eine weitere Flutwelle der Save. In der Hauptstadt Belgrad waren Tausende Freiwillige zur Verstärkung der Uferbefestigungen im Einsatz. Dort mündet die Save in die Donau. Im benachbarten Bosnien-Herzegowina hatten die Wassermassen der Save am Sonntagabend einen weiteren Hochwasserschutz durchbrochen und Teile der Stadt Orasje im Norden des Landes überflutet. In anderen Landesteilen gingen die Fluten etwas zurück und hinterließen eine Spur der Verwüstung.

Reuters/Antonio Bronic
Trotz des schönen Wetters entspannt sich die Lage nur allmählich
Warnung vor Seuchen
Die Behörden in Bosnien-Herzegowina warnen bereits vor dem Ausbruch von Seuchen. Bei steigenden Temperaturen könnte von Tierkadavern verunreinigtes Wasser zum Ausbruch von Krankheiten wie Typhus und Hepatitis führen, sagte der Leiter des Gesundheitsamts in Sarajevo am Montag dem bosnischen Fernsehen. In erster Linie gehe es nun darum, eine sichere Wasserversorgung zu gewährleisten. In der Region Banja Luka im Norden des Landes wurden nach dem Sinken des Wasserstandes Hunderte Tierkadaver entdeckt.

Reuters/Antonio Bronic
Ein Armeefahrzeug fährt durch überflutete Straßen
Save: Zehntausende mussten Häuser verlassen
Die Lage am Fluss Save, der durch den Norden Bosniens und den Westen Serbiens fließt, blieb zuletzt vielerorts kritisch. Zehntausende Menschen in beiden Ländern mussten ihre Häuser verlassen. Eine Entspannung der Lage ist noch nicht in Sicht. „Was uns widerfährt, geschieht nur einmal in tausend Jahren, nicht hundert, sondern tausend“, sagte der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic. Die größten Probleme gebe es entlang der Save. Über den betroffenen Gebieten waren in den vergangenen Tagen die heftigsten Regengüsse seit mehr als 120 Jahren niedergegangen.

APA/AP/Darko Vojinovic
Hilfe per Bulldozer in Obrenovac
Ausmaß der Schäden enorm
Das Ausmaß der Schäden ist kaum abzuschätzen. Viele Landwirtschaftsflächen sind verwüstet. Ministerpräsident Vucic bezifferte den finanziellen Schaden allein durch die Überflutung der Grube von Kolubara, dem größten Kohlebergwerk von Serbien, auf 100 Millionen Euro.
Im Osten Kroatiens waren zuletzt etwa 15.000 Menschen vom Hochwasser bedroht, viele von ihnen mussten ihre Häuser verlassen. In zahlreichen Ortschaften in Slawonien im Osten des Landes brachen die Dämme der Save. Bilder aus der Krisenregion zeigten, dass das Wasser ganze Orte verschluckt hat, teilweise, etwa in Gunja, ragten nur die Dächer hervor.
Wahlveranstaltungen abgesagt
Kroatische Hilfsmannschaften, Freiwillige sowie die Armee, Feuerwehr und Rettungskräfte waren schon seit Freitag laut Medienberichten rund um die Uhr im Einsatz, sowohl in Kroatien als auch in den Nachbarländern Bosnien-Herzegowina und Serbien.Im Landesteil Slawonien-Baranja bleiben die Schulen in dieser Woche geschlossen. Die Regierungspartei SDP sagte wegen des Hochwassers alle Wahlveranstaltungen zur EU-Wahl am Sonntag ab, die Opposition zog nach.
Unterstützung aus EU-Staaten und Russland
Vucic bedankte sich am Sonntag für die seinem Land bisher geleistete internationale Hilfe und erwähnte in diesem Zusammenhang namentlich Russland und Österreich. Die österreichische Regierung habe große Hilfe und Sondermannschaften geschickt, so Vucic. Der Regierungschef musste wegen der Überschwemmung einen Besuch in Österreich absagen. Die Hilfe sei praktisch von allen Staaten in der Region und darüber hinaus gekommen, so Vucic.
„Es hat sich gezeigt, dass die Politik der Freundschaft und der Zusammenarbeit in der Region dem Land viel bedeutet und man dank schneller Maßnahmen schwerere Folgen abwenden konnte (...) Wir werden die geleistete Hilfe gut in Erinnerung bewahren und sie erwidern“, sagte Vucic. Ausländische Rettungsteams seien angesichts der sich beruhigenden Situation nicht mehr notwendig, dafür aber Hilfslieferungen.
EU verstärkt Hilfe
Die EU verstärkte ihre Hilfe für die Opfer der Flutkatastrophe in Serbien und Bosnien-Herzegowina. Die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgijewa sagte am Montag in Brüssel, die Hilfe gehe mittlerweile über das hinaus, was ursprünglich von den beiden Ländern erbeten wurde. Derzeit hätten 14 Staaten Hilfe eingeleitet, etwa 450 Helfer aus den EU-Ländern seien bereits an Ort und Stelle. „Es ist schnell klar geworden, dass der Bedarf so riesig ist, dass wir die Hilfe aufstocken mussten“, sagte sie.
Derzeit leiste die EU vor allem akute Nothilfe, doch werde es in Zukunft auch um den Wiederaufbau in den beiden Balkan-Staaten gehen. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina sei „sehr komplex“: Das liege nicht nur an der Teilung des Landes in verschiedene ethnische Gruppen, sondern auch daran, dass die Schäden zum Teil in Gebieten entstanden seien, die bisher noch nicht von Landminen freigeräumt worden seien.
Österreichische Retter im Einsatz
Derzeit sind laut Außenministerium Mitglieder der österreichischen Wasserrettung und Feuerwehren aus Wien, Niederösterreich und Kärnten im Einsatz. Sie haben Boote, Versorgungswagen, Fahrzeuge und Pumpen dabei - mehr dazu in noe.ORF.at und kaernten.ORF.at.
Vier Bundesheerhubschrauber brachten in Bosnien in den vergangenen Tagen in 160 Einsätzen mehr als 800 Personen in Sicherheit. Drei Alouette 3 und ein Black Hawk flogen laut Verteidigungsministerium am Sonntag seit Tagesanbruch in Maglaj, Tuzla und Zenica Schwangere, Dialysepatienten und vom Hochwasser eingeschlosse Frauen, Männer und Kinder aus. Ein Ende des Einsatzes ist derzeit nicht absehbar.
Links: