Katastrophe fordert 44 Menschenleben
Nach den verheerenden Überschwemmungen auf dem Balkan entspannt sich die Hochwasserlage allmählich - und enthüllt die Ausmaße der Katastrophe. Die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens 44. Die Lage entlang des Flusses Save, der durch Nordbosnien und Westserbien fließt, blieb am Sonntag kritisch.
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Im serbischen Obrenovac nahe Belgrad wurden nach Angaben von Ministerpräsident Aleksandar Vucic am Sonntag zwölf Leichen entdeckt. Damit stieg die Zahl der Toten in dem Land auf 16. In Bosnien starben laut Behördenangaben bisher mindestens 27 Menschen in den Fluten, in Kroatien einer.
AP/Marko Drobnjakovic
In Obrenovac wird verzweifelt gegen die Wassermassen gekämpft
Allein in der nordbosnischen Stadt Doboj brachten Einsatzkräfte bis Sonntag 20 Tote in die städtische Leichenhalle, wie Bürgermeister Obren Petrovic sagte. In der Stadt stand das Wasser stellenweise noch bis zu vier Meter hoch. „Höchste Priorität hat jetzt das Auffinden der Toten“, so Petrovic. Man müsse herausfinden, wie viele Menschen in den Fluten umkamen: „Es werden viele Tote sein.“
„Das ist die totale Verwüstung“
Tausende Menschen waren von der Außenwelt abgeschnitten. Nach mehr als zwei Tagen drangen Rettungskräfte in die bosnische Stadt Samac vor. „Das ist die totale Verwüstung, es sieht vom Hubschrauber wie ein Meer aus“, sagte Bürgermeister Savo Minic der Nachrichtenagentur FENA.
Im benachbarten Serbien war die Lage in den Städten Sabac, Mitrovica und Kostolac unter Kontrolle, teilten die Einsatzkräfte mit. Die am schlimmsten betroffene Stadt Obrenovac vor den Toren Belgrads war am Sonntag noch überschwemmt. Der Leiter des serbischen Notdienstes, Predrag Maric, bestätigte, es habe Todesopfer in der Stadt gegeben. Genaueres werde man aber erst sagen können, wenn die Lage übersichtlicher sei.
Zehntausende obdachlos
Zehntausende Menschen in beiden Ländern mussten ihre Häuser verlassen, 100.000 Haushalte waren ohne Strom. Die Evakuierung sei chaotisch verlaufen, hieß es. Unterdessen stieg die Gefahr von Erdrutschen. Schlammlawinen zerstörten am Samstag nach Angaben der bosnischen Behörden das Dorf Olovo und machten acht Hauptstraßen unbefahrbar. Im Westen Serbiens zerstörten Erdrutsche Dutzende Häuser in Krupanj und umliegenden Dörfern.
Reuters/Dado Ruvic
Ein Kleinbus wurde von einer Mure mitgerissen
Land im Ausnahmezustand
Die serbische Regierung hatte am Donnerstag den Ausnahmezustand ausgerufen. Das Ausmaß der Schäden will sie am Mittwoch abschätzen. Ministerpräsident Aleksandar Vucic bezifferte den finanziellen Schaden allein durch die Überflutung der Grube von Kolubara, des größten Kohlebergwerks Serbiens, auf 100 Millionen Euro. Vucic bestätigte die Verhaftung von Geschäftsleuten, die die Notlage der Menschen ausgenutzt und die Preise für Mineralwasser und Lebensmittel um ein Vielfaches angehoben hätten.
Zeitungen in Serbien schrieben kritisch, dass die Meteorologen nicht rechtzeitig vor den Unwettern gewarnt hätten. Auf der anderen Seite kritisierten Freiwillige, die von der Regierung in Belgrad an die Brennpunkte geschickt worden waren, die schlechte Organisation ihres Einsatzes.
Warnung vor Landminen
Hochwasser und Schlammlawinen spülten in Bosnien vermutlich auch Landminen weg. Das Minenaktionszentrum MAC warnte die Bevölkerung am Sonntag, dass die Sprengkörper aus dem Krieg in den 90er Jahren Hunderte Kilometer unter anderem bis zum Schwarzen Meer geschwemmt werden könnten. Aus dem Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen liegen noch rund 120.000 Landminen in Bosnien-Herzegowina. Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen. Die Gegenden um die Städte Doboj und Olovo, die jetzt besonders hart vom Hochwasser betroffen sind, sind noch stark vermint.
Hilfe aus EU-Staaten und Russland
Vucic bedankte sich am Sonntag für die seinem Land bisher geleistete internationale Hilfe und erwähnte in diesem Zusammenhang namentlich Russland und Österreich. Die österreichische Regierung habe große Hilfe und Sondermannschaften geschickt, so Vucic. Der Regierungschef musste wegen der Überschwemmung einen Besuch in Österreich absagen. Die Hilfe sei praktisch von allen Staaten in der Region und darüber hinaus gekommen, so Vucic.
„Es hat sich gezeigt, dass die Politik der Freundschaft und der Zusammenarbeit in der Region dem Land viel bedeutet und man dank schneller Maßnahmen schwerere Folgen abwenden konnte (...) Wir werden die geleistete Hilfe gut in Erinnerung bewahren und sie erwidern“, sagte Vucic. Ausländische Rettungsteams seien angesichts der sich beruhigenden Situation nicht mehr notwendig, dafür aber Hilfslieferungen.
Hilfe auch aus Österreich
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sicherte dem serbischen Premier wie auch dem ebenfalls schwer von den Fluten getroffenen Bosnien Österreichs Mitgefühl und Unterstützung zu. Der Außenminister sprach von einer „dramatischen Situation in Serbien und Bosnien“. Derzeit sind laut Außenministerium Mitglieder der österreichischen Wasserrettung und Feuerwehren aus Wien und Niederösterreich im Einsatz. Sie haben Boote, Versorgungswagen, Fahrzeuge und Pumpen dabei.
Vier Bundesheerhubschrauber brachten in Bosnien in den vergangenen Tagen in 160 Einsätzen mehr als 800 Personen in Sicherheit. Drei Alouette 3 und ein Black Hawk flogen laut Verteidigungsministerium am Sonntag seit Tagesanbruch in Maglaj, Tuzla und Zenica Schwangere, Dialysepatienten und vom Hochwasser eingeschlosse Frauen, Männer und Kinder aus. Ein Ende des Einsatzes ist derzeit nicht absehbar.
Papst gedenkt der Opfer
Papst Franziskus gedachte unterdessen bei seinem Mittagsgebet auf dem Petersplatz der Opfer der schweren Hochwasserkatastrophe auf dem Balkan. Vor mehreren zehntausend Gläubigen verwies er am Sonntag auf die Überschwemmungen vor allem in Serbien und Bosnien und empfahl die Opfer der Barmherzigkeit Gottes. Zugleich bekundete er seine Verbundenheit mit allen Menschen, die dort derzeit in Angst und Sorge lebten.
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