Themenüberblick

Gripen-Kauf abgeblasen

Die Schweiz kauft vorläufig keine neuen Kampfflugzeuge. Bei der Volksabstimmung am Sonntag ist der Kauf von 22 Gripen des schwedischen Herstellers Saab für 3,1 Milliarden Franken (2,54 Mrd. Euro) abgelehnt worden. Wie die Schweizer Nachrichtenagentur sda meldete, stimmten 53,4 Prozent der Beteiligten mit Nein.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

46,6 Prozent sagten Ja. Die Gegner des Kaufprojektes der Regierung hatten argumentiert, ein neutrales Land wie die Schweiz brauche keine hochgerüstete Luftwaffe. Noch vor einigen Wochen war die Ablehnung in Umfragen noch viel deutlicher gewesen: Eine klare Mehrheit war der Ansicht, ein neutrales Land wie die Schweiz brauche heute keine starke Luftwaffe mehr.

Kostenfrage im Mittelpunkt

Doch nicht zuletzt wohl angesichts des Vorgehens Russlands gegen die Ukraine wurden auch in der Schweiz, die nicht zur NATO gehört, Erinnerungen an Bedrohungsszenarien aus dem Kalten Krieg wachgerufen. Dementsprechend knapp fiel nun das Ergebnis aus. Vor allem die Wähler in der Westschweiz stimmten mit Nein.

Als grundsätzliches Misstrauensvotum gegen die Armee könne das Ergebnis nicht gewertet werden, sagte der Meinungsforscher Claude Longchamp. „Die Kostenfrage stand im Zentrum.“ Im letzten Herbst hatten die Schweizer in einer Volksabstimmung mit 73 Prozent die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht abgelehnt.

Schon lange heißes Eisen

Verteidigungsminister Ueli Maurer (Schweizer Volkspartei, SVP) hatte argumentiert, die derzeitige Flotte der Schweizer Armee werde es nicht mehr lange machen, er forderte dringend eine Nachbeschaffung. Politische Gegner und unterschiedliche Initiativen widersprachen ihm vehement. SVP sowie anderer bürgerlicher Parteien und die Armee reagierten enttäuscht auf das Wählervotum. „Ich nehme das durchaus etwas persönlich“, sagte Maurer bei einer Fernsehpressekonferenz auf die Frage, ob er das Votum gegen die Kampfjets als „persönliche Niederlage“ empfinde.

Abfangjäger sind ähnlich wie in Österreich in der ebenfalls neutralen Schweiz ein heißes Thema. Die deutsche „Zeit“ erinnerte vor kurzem an den Gegenwind, der der Schweizer Armee schon vor über 20 Jahren beim Kauf der F/A-18 entgegenwehte. Die Geschichte der Schweizer Luftwaffe sei „seit jeher ein Drama“ gewesen - „aber mit dem Gripen wird sie zur Tragikomödie“.

„Angriffe bitte nur zwischen 8.00 und 16.00 Uhr“

Schlagzeilen machte die Schweizer Luftwaffe im Februar, als es zu einer Flugzeugentführung kam. Französische Kampfjets mussten die Maschine eskortieren, da keine Schweizer Jets verfügbar waren. Die Aktion ging glimpflich aus, der Entführer, der Kopilot des Passagierjets der Ethiopian Airlines, der in der Schweiz Asyl beantragen wollte, wurde festgenommen.

Schweizer Northrop F-5 Tiger parkt vor einem voerbeifahrenden F/A 18-Kampfflugzeug

Reuters/Ruben Sprich

F-5 (vorne) und F/A-18 der Schweizer Luftwaffe

Die Schweizer Luftwaffe wurde zur Zielscheibe von Spott, da sie der Entführer zeitig in der Früh außerhalb ihrer „Amtsstunden“ erwischt hatte. Potenzielle „Terroristen“ wurden in Kommentaren ersucht, die Schweiz nach Möglichkeit doch „bitte nur an Wochentagen zwischen 8.00 und 16.00 anzugreifen“.

Österreich? Maurer will in anderer Liga mitfliegen

Laut dem Verteidigungsminister aus den Reihen der rechtspopulistischen SVP haben die Luftstreitkräfte nicht nur ein organisatorisches, sondern auch ein Problem mit dem Material: Er geht davon aus, dass die Jets nur noch bis maximal 2030 einsatzbereit sind. Eigentlich sollten zumindest die F/A-18 - die F-5 sind tatsächlich schon in die Jahre gekommen - zumindest bis 2035, wenn nicht 2040 dienen.

Saab Gripen

Saab AB/Stefan Kalm

22 Saab-Gripen - sie waren seinerzeit auch für Österreich im Gespräch - hätten die Schweiz umgerechnet 2,6 Mrd. Euro gekostet

Entsprechend eilig hatte es Maurer mit der Nachbeschaffung, die umgerechnet rund 2,6 Mrd. Euro hätte kosten sollen, und wollte sich seine Pläne nicht schlechtreden lassen. Zuletzt attackierte der SVP-Politiker das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen (SRF), da die „Rundschau“ in puncto Bedürfnisse für die Luftwaffe einen Vergleich mit Österreich gezogen hatte. Das Bundesheer verfügt nur über 15 Kampfjets des Typs Eurofighter EF 2000 (neben den über 40 Jahre alten Saab 105 OE). Maurer wollte seine Luftwaffe aber in einer Liga mit Belgien und den Niederlanden sehen, die weitaus mehr Jets in den Hangars stehen haben.

Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer

APA/EPA/ Ruben Sprich

Ueli Maurer sorgte mit „Witz“ über Frauen für Eklat

„Gebrauchtgegenstand“ Hausfrau

Den „Rundschau“-Bericht nannte er entnervt „tendenziös“ und voller „bösartiger Unterstellungen“. Zuletzt versuchte der SVP-Politiker noch, der Allgemeinheit den Gripen mit einem frauenfeindlichen „Witz“ schmackhaft zu machen.

„Wie viele Gebrauchtgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?“, fragte Maurer. Er fuhr fort: „Bei uns sind das nicht mehr viele, außer natürlich die Frau, die den Haushalt schmeißt.“ Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten, die Entgleisung könnte Maurer auch einige Stimmen bei dem Referendum gekostet haben.

Stattdessen Bildung und Nahverkehr

Die Gegner der Gripen-Beschaffung sahen den Bedarf der Schweizer Luftwaffe grundsätzlich anders: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) will überhaupt keine „Steuermilliarden für unsinnige Kampfjets“ ausgeben, die Initiative Nein zu den Kampfjet-Milliarden (Stop Gripen) ebenfalls nicht, das Bündnis gegen neue Kampfflugzeuge argumentiert: „Zur Erfüllung des Luftpolizeiauftrags genügen die vorhandenen 32 F/A-18-Flugzeuge, zumal wir von Freunden umgeben sind.“ Bern solle die Milliarden besser in Bildung und den öffentlichen Nahverkehr investieren.

Zu einer Stimme gegen den Gripen riefen auch die Schweizer Sozialdemokraten und die Grünen auf. Die laut eigenen Angaben überparteiliche Initiative Ja zum Gripen versuchte unter dem Motto „Sicherheit zuerst“, Stimmung für den Kampfjet zu machen.

Fragwürdige „Überzeugungsarbeit“ im Parlament

Auch wenn Maurer keine Vergleiche mit Österreich wollte, tauchte eine Parallele auf, die (Stichwort: Lobbying) stark an die unendliche Geschichte Eurofighter erinnert: Schwedische und Schweizer Medien berichteten über den Versuch der Beeinflussung von Parlamentariern.

Schwedens Botschafter Per Thöresson habe Maurer im Vorjahr Aufzeichnungen übergeben, in denen vermerkt gewesen sein soll, bei welchen Mitgliedern der sicherheitspolitischen Kommission des Schweizer Parlaments „es noch Überzeugungsarbeit braucht“.

Links: