Karas siegessicher
Die EU-Spitzenkandidaten Eugen Freund (SPÖ) und Othmar Karas (ÖVP) haben am Sonntag in einer Doppelausgabe der ORF-„Pressestunde“ ihre Ziele für die EU-Wahl abgesteckt. Freund betonte die Notwendigkeit eines Kurswechsels in Europa, Karas rechnet mit einem Sieg der Konservativen.
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Freund hofft auf eine Mehrheit der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und auf Martin Schulz als Kommissionspräsidenten. „Der erste Schritt, der getan werden muss, um zu diesem Kurswechsel zu kommen, ist, die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament zu ändern. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, und noch nie war die Chance für eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse so groß“, so der einstige ORF-Moderator. Denn in der EU komme es beim Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen auf jede Stimme an.
Die Menschen hätten den bisherigen Kurs „bis oben hin“. Bisher gab es laut Freund im Europäischen Parlament 80 Mandate Unterschied zu den Konservativen: „Es kommt auf jede Stimme an. Ich könnte die Stimme sein, die den Sozialdemokraten die Mehrheit verschafft.“ Mit dieser könnte es gelingen, den „Kurswechsel“ einzuleiten, so Freund.

ORF
Karas stellte sich den Fragen von Alexandra Föderl-Schmid („Der Standard“) und Hans Bürger (ORF)
Karas: Personen stärker als die Partei
Auch Karas sieht eine Richtungswahl am kommenden Sonntag: Es ginge darum, „ein Europa der Bürger zu bauen, und nicht ein Europa der Regierungen“. Keine Entscheidung dürfe ohne das Europäische Parlament stattfinden. Dafür trete er ein. Der ÖVP-Spitzenkandidat geht davon aus, dass die Europäische Volkspartei die EU-Wahl gewinnt und Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wird.
Der Frage, ob er EU-Kommissar wird, wich er aus: Diese stelle sich für ihn nicht. Die Darstellung, er habe die ÖVP mit Androhung einer eigenen Liste dazu gebracht, ihn zum Spitzenkandidaten zu machen, wies Karas zurück: „Ich erpresse nicht.“
„Angewidert“ von Strasser-Plakaten der Grünen
Den auf ihn zugeschnittenen Wahlkampf - ohne ÖVP-Logo auf Plakaten - verteidigte Karas. Er spiele die Partei nicht gegen sich selbst aus, „aber im Europaparlament sind Personen stärker als die Partei“, so Karas - ohne den Hinweis zu vergessen, dass er 2009 mit einer erfolgreichen Vorzugsstimmenkampagne den damaligen ÖVP-Listenersten Ernst Strasser überflügelt hatte.

Die Grünen
Für das Plakat mit Strasser mussten die Grünen Kritik einstecken
Karas sei nun aber „angewidert“ vom Grünen-Plakat mit dem ehemaligen ÖVP-Spitzenkandidaten. Es sei „grenzwertig und menschenverachtend“ und „nicht mein politischer Stil“. Schadenfreude habe er jedenfalls keine empfunden. Vor fünf Jahren führte Strasser die ÖVP in den EU-Wahlkampf - und siegte. Der Listenzweite Karas erhielt damals mehr als 100.000 Vorzugsstimmen - Delegationsleiter wurde dennoch Strasser, der mittlerweile wegen Bestechlichkeit zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Freund „weiß, wie es wirklich war“
Freund wiederum musste sich gleich zu Beginn der Pressestunde den Journalistenfragen von Hubert Patterer („Kleine Zeitung“) und Patricia Pawlicki (ORF) zu der Serie an Patzern und Angriffen, die Freunds Antreten begleiteten, stellen. Auf ihn würden im Wahlkampf „Schmutzkübel“ - Stichwort etwa Geheimdienst, Spesenkonflikt mit dem ORF - geworfen. Das meiste sei vor langer Zeit passiert und hätte früher keine Aufregungen verursacht. „Ich weiß, wie es wirklich war“, so Freund.
Nun sei er erst ein paar Monate Politiker, und er erlebe dieses „Abenteuer jeden Tag mit größerer Freude“. Verteidigen musste er in der „Pressestunde“ den sich reimenden Plakatslogan „Sozial statt egal“. Zwar hätte er sich eine längere Formulierung gewünscht, auf einem Plakat benötige es jedoch eine kurze Darstellung, die auch im Vorbeifahren hängen bleibt. Grundsätzlich dürfe einem Europa „nicht gleichgültig“ sein.
Kein Problem mit Promikomitee für Leichtfried
Dass der steirische SPÖ-Spitzenkandidat Jörg Leichtfried auch von einem Promikomitee - darunter Schauspieler Harald Krassnitzer und ÖBB-Chef Christian Kern - unterstützt wird, irritiert Freund „absolut nicht“, im Gegenteil: „Mein Vorteil war, dass ich schon bekannt war. Es ist gut, wenn die (SPÖ-Mandatare, Anm.) zusätzliche Unterstützung bekommen.“ Freund schloss in diesem Zusammenhang nicht aus, der SPÖ beizutreten: „Ich habe nie gesagt, dass ich der Partei nicht angehören will. Ich schließe das nicht aus.“ Er räumte öffentliche Aufforderungen dazu ein, intern habe es jedoch keinen Druck gegeben.
„Botschafter“ für Jugendbeschäftigung
Freund will in Europa ein Botschafter für Jugendbeschäftigung sein. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe in Europa immer weiter auseinander, Arbeit werde in ganz Europa zu hoch, Vermögen hingegen zu wenig besteuert, so der Spitzenkandidat der SPÖ.
Die Bankenrettung in der Finanzkrise sei zwar wichtig gewesen, aber die EU habe die Menschen in den Krisenländern vergessen. Es hätte eben auch Programme gebraucht, damit in den betroffenen Ländern auch finanziert werde. Ziel müsse es sein, die Jugendarbeitslosigkeit niedrig zu halten. Er wolle daher „in Brüssel“ Botschafter für die Ausbildungsgarantie für Jugendliche, die duale Ausbildung und überbetriebliche Lehrwerkstätten sein.
Wertschätzung für Conchita „ganz wichtig“
Die Budgetkürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit kritisierte Freund. In Sachen Türkei sollten die Bemühungen um eine privilegierte Partnerschaft fortgeführt werden, wenngleich er eine „Entfernung“ des Landes von Europa in den vergangenen eineinhalb Jahren beobachte. Kritik übte Freund an den intransparenten Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP). Die guten europäischen Standards etwa in der Lebensmittelsicherheit müssten eingehalten werden.

ORF
Freund hofft auf Mehrheit der Sozialdemokraten
Das EU-Parlament sollte nach Ansicht Freunds künftig nur noch einen Sitz haben. In Straßburg könnte stattdessen etwa eine Europauniversität entstehen. Darauf angesprochen, sprach sich Freund auch für ein Rederecht der Europamandatare im Nationalrat aus. Den Staatsempfang für die Song-Contest-Siegerin Conchita Wurst am Sonntag unterstützt Freund. Diese Wertschätzung sei „ganz wichtig“, er sei gegen jede Diskriminierung in diesem Bereich.
Karas: Kein Kommentar zu Homogleichstellung
„Leider keine europäische Kompetenz“ gibt es wiederum für Karas für die Finanztransaktionssteuer - und so bestehe bisher erst ein „Minimalkonsens“ unter Zustimmung von zehn der 28 Mitgliedsstaaten. Karas hätte gerne eine europaweite Steuer mit stärkerem ordnungspolitischen Charakter - also höherer Besteuerung der außerbörslichen Transaktionen.
Keine Stellung beziehen wollte Karas zu innenpolitischen Themen wie Steuerreform und der Gleichstellung Homosexueller. Warum nicht, wurde ziemlich lange erörtert: Die Steuerreform sei nicht EU-Angelegenheit, sondern Sache der nationalen Parlamente, so Karas. Familien- und Adoptionsrecht solle nicht europaweit geregelt werden, sondern aufgrund eines Wertekonsenses im Mitgliedsstaat. Und er konzentriere sich auf die Punkte, um die es bei der EU-Wahl gehe - und woran er als Europapolitiker gemessen werde könne.
„Ich lasse mich nicht pflanzen“
Als solcher präsentierte er sich als Kämpfer für mehr Rechte des Europaparlaments. „Ich lasse mich von keinem Staats- und Regierungschef pflanzen“, sagte er auf die Frage, ob denn tatsächlich einer der europaweiten Spitzenkandidaten für die EU-Wahl Kommissionspräsident werde. Nach der neuen Regelung müsse die Kandidatennominierung des Rates auf dem Ergebnis der EU-Wahl basieren. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs daran nicht halten, würden sie einen „institutionellen Konflikt riskieren“.
Abgrenzung zu NEOS
Als größte Unterschiede zu NEOS führte Karas einerseits das Nein zur Auflösung des Bundesheeres und andererseits die Wirtschaftspolitik an. NEOS wolle „Europa als Freihandelszone“ - und er sei ein Verfechter der sozialen Marktwirtschaft.
Die von NEOS geforderte EU-Armee unter Auflösung des Bundesheeres will Karas nicht, aber gemeinsame Battlegroups (mit freiwilliger Teilnahme) unter gemeinsamem EU-Kommando. Nötig sei verstärkte Kooperation - und eine wirkliche gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Das Einstimmigkeitsprinzip müsse gestrichen, das Europaparlament beteiligt werden.
Beide für Dialog in Ukraine-Krise
Beide Spitzenkandidaten setzen in der Ukraine-Krise auf Verhandlungen und Dialog. Freund hielt fest, dass alles zur Deeskalation der Situation unternommen werden müsse. Er sei für Verhandlungen, damit es überhaupt nicht zu schärferen Sanktionen kommen müsse. Russland müsse mit eingebunden werden. Der Ukraine-Konflikt berge zudem Chancen. So solle generell durch die Forschung zu erneuerbaren Energien die Abhängigkeit von Russland verringert werden.
Auch Karas verteidigte die EU-Linie, vor Sanktionen den Dialog zu suchen. Er sieht darin auch ein Argument für eine Energieunion: Europa sei bei der Energieversorgung erpressbar. Deshalb sollte man Energie gemeinsam kaufen und sich gemeinsam darum bemühen, den Verbrauch - etwa mit dem Ausbau erneuerbarer Energien - zu senken.
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