„Friedhof mit 24 Dollar Eintritt“
Mehr als zwölf Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist am Donnerstag in New York das National September 11 Memorial & Museum eröffnet worden. Die Gedenkstätte auf Ground Zero, dem Gelände des zerstörten World Trade Center (WTC), ist einerseits als Mahnmal konzipiert, andererseits erzählt das Museum die Geschichte von 9/11 - doch das Konzept ist nicht unumstritten.
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Das Museum selbst stellt den Anspruch, die Auswirkungen der Ereignisse von 9/11 zu dokumentieren und zu untersuchen, auch die geopolitischen. Es erzähle die Geschehnisse dieses Tages mit der Wucht eines „Schlags in die Magengrube“, schrieb die „New York Times“ („NYT“). Allerdings sei nicht ganz klar, worauf es ausgelegt sei. Soll das Museum historisches Zeugnis, ein Denkmal für die Toten oder eher eine „Touristenattraktion im Stil eines Themenparks“ sein? „Wie viele Friedhöfe verlangen 24 Dollar Eintrittsgeld und verkaufen Souvenir-T-Shirts?“

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„Survivor Stairs“, die „Stiege der Überlebenden“ aus den Türmen des WTC
Heftige Kontroversen begleiteten Entstehung
Tatsächlich war die Umsetzung des laut US-Medien bis zu eine Mrd. Dollar (knapp 730 Mio. Euro) teuren Projekts nicht nur von Finanzierungsschwierigkeiten begleitet, sondern auch von heftigen Konzeptdebatten mit Überlebenden, vor allem aber Angehörigen der beinahe 3.000 Toten. Sie wollten in die Planung einbezogen werden.

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Die Besatzung dieses Drehleiterfahrzeugs starb im Nordturm des WTC
Zuletzt wurde am Wochenende erneut Kritik von Hinterbliebenenseite laut, als Tausende nicht identifizierte sterbliche Überreste, in Metallsärgen verlötet, in das Museum in Manhattan überführt wurden. Erneut wurde die Frage gestellt, ob ein Museum der richtige Aufbewahrungsort dafür sei.
Bis unter die Grundfesten des WTC
Vorerst wurde die Gedenkstätte am Donnerstag unter Anwesenheit von US-Präsident Barack Obama und dem seinerzeitigen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, in dessen Amtszeit die Anschläge fielen, nur für Überlebende und Angehörige der Opfer eröffnet.
Das Museum sei „ein heiliger Ort der Heilung und der Hoffnung“, sagte Obama. Besucher hätten künftig die Möglichkeit, sich an die Opfer zu erinnern. Diese lebten „in uns fort, in den Familien, die sie weiter lieben“. Für die Öffentlichkeit ist die Gedenkstätte erst ab Mitte kommender Woche zugänglich - das Museum für umgerechnet 17,50 Euro Eintritt.

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Einige von Tausenden Ausstellungsstücken aus den Trümmern
Es umfasst Ausstellungsflächen von mehr als 10.000 Quadratmetern auf sieben (unterirdischen) Geschoßen, vom Ground Zero bis tief hinunter zu den Grundfesten des zerstörten WTC „from plaza to bedrock“ („vom Platz bis zum Grundgestein“). Gezeigt werden über 10.300 Ausstellungsstücke, angefangen von über 2.100 Archivdokumenten bis zu Einsatzfahrzeugen, Stahlträgern und einer Stiege der Zwillingstürme. Die Eröffnung war ursprünglich schon 2012 geplant.
Knapp 3.000 Namen und Biografien
Die Namen der Toten von 9/11 und auch die der sechs Todesopfer des Anschlags auf das WTC vom 26. Februar 1993, insgesamt 2.983 Namen, sind in die bronzenen Einfassungen zweier Wasserbecken („reflecting pools“) an der Oberfläche eingraviert. In der Gedenkstätte sind ihre Porträts und Biografien zu sehen. 1993 hatte eine Gruppe islamistischer Terroristen versucht, die Zwillingstürme durch Zünden einer Autobombe in einer Tiefgarage zum Einstürzen zu bringen. Die Ladung reichte dafür nicht aus.

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Metallträger von der Ostfassade des ehemaligen WTC
Der „War on Terror“ und seine Folgen
Vorrangig rekonstruiert das Museum die Ereignisse von 9/11, als Mitglieder des Terrornetzwerks Al-Kaida zwei Passagiermaschinen entführten und in den Nord- und Südturm des WTC steuerten. Außerdem flogen die Attentäter eine Maschine gegen den Gebäudekomplex des Pentagon in Arlington im Bundesstaat Virginia gegenüber der Hauptstadt Washington DC. Ein weiterer entführter Passagierjet stürzte im Bundesstaat Pennsylvania auf ein Feld.
Die Ausstellung geht auch der Frage nach, wie der 11. September 2001 die Welt verändert hat. Die Regierung unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush räumte dem Kampf gegen den Terrorismus, dem „War on Terror“, den Bush wenige Tage nach den Anschlägen erklärte, die oberste Priorität ein - und opferte dabei auch Bürgerrechte. Für Exzesse stehen etwa der Umgang mit Terrorverdächtigen im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba und der massive Ausbau des Überwachungsapparats des Geheimdienstes National Security Agency (NSA). Am 1. Oktober 2001 griffen US-Truppen in Afghanistan an, nachdem ein Ultimatum an Al-Kaida ohne Resonanz verhallt war.
Ein neues WTC entsteht
Im Vorfeld der Eröffnung löste ein siebenminütiges Video des Museums über den radikalen Islam und den Aufstieg von Al-Kaida Verstimmungen aus. Ein interreligiöser Rat in New York beschwerte sich, dass der Film nicht klar genug zwischen gläubigen Muslimen und islamistischen Extremisten trenne. Mehrere muslimische Organisationen prangerten den „möglicherweise aufhetzenden“ Inhalt an.
Neben den Zwillingstürmen war 2001 auch eine Gedenkstätte für die Opfer von 1993 zerstört worden. Zum zehnten Jahrestag 2011 wurde ein Gedenkpavillon eröffnet, der Komplex wurde nach Angaben der Stiftung hinter dem Memorial seither von mehr als zwölf Millionen Menschen besucht. Die offizielle Angabe zu den Kosten für die gesamte Anlage liegt bei 700 Mio. Dollar (rund 510 Mio. Euro). Rund um das 9/11 Memorial entsteht derzeit ein Hochhauskomplex mit dem One World Trade Center (1 WTC) als Hauptgebäude und vier weiteren Wolkenkratzern. Mit 541,3 Meter Höhe ist das Hochhaus das höchste Gebäude der USA.
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