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Russland drohen neue Sanktionen

Bei dem umstrittenen Referendum in der Ostukraine hat sich nach Angaben der prorussischen Separatisten in der Region Donezk eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für eine Abspaltung der Region entschieden. Fast 90 Prozent hätten für eine Eigenständigkeit der selbst ernannten „Volksrepublik“ Donezk gestimmt, sagte Wahlleiter Roman Ljagin laut Medienberichten von Sonntagabend.

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Nur zehn Prozent der Teilnehmer hätten dagegen votiert, hieß es. Endgültige Zahlen wollte Ljagin am Montag vorlegen. Die Wahlbeteiligung liege bei knapp 75 Prozent. Nach Angaben der Agentur RIA Nowosti hatten 89,7 Prozent der Teilnehmer der Befragung für die Abspaltung von Kiew gestimmt. Bei dem Referendum im Gebiet Lugansk stimmten laut Separatisten fast 96 Prozent für eine Unabhängigkeit. Das teilte der Vizechef der selbst ernannten Wahlkommission, Alexander Malychin, der Agentur Interfax zufolge am Montag mit. Die Beteiligung bei der Abstimmung am Sonntag sei im Gebiet Lugansk bei 81 Prozent gelegen.

Wahlbeobachter nicht zulassen

Die Stimmauszählung sei „extrem leicht“ gewesen, weil die Zahl der Gegenstimmen so niedrig sei und kaum ungültige Stimmzettel abgegeben worden seien, sagte Ljagin weiter. Die Bewohner der jüngst proklamierten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk waren am Sonntag aufgerufen, über die Unabhängigkeit von Kiew abzustimmen. Die EU, die USA und zahlreiche andere Staaten verurteilten das Referendum als illegal. Wahlbeobachter waren nicht zugelassen.

Ausgewertete Stimmzettel

Reuters/Valentyn Ogirenko

Keine Kuverts, völlig undurchsichtige Auszählung - nur zwei von unzähligen fragwürdigen Umständen, unter denen das Referendum stattfand

Die Abstimmungsteilnehmer sollten darüber entscheiden, ob die „Volksrepubliken“ unabhängig werden. Die Frage, ob sich die Gebiete dann wie die ukrainische Halbinsel Krim der Russischen Föderation anschließen, war nicht Gegenstand der Befragung. Zudem fand das Referendum nur in 14 Städten oder Orten unter Kontrolle der Rebellen statt, in denen weniger als die Hälfte der gut sieben Millionen Bewohner der Regionen Donezk und Lugansk lebt.

Wenige Wahllokale

Fotos und Videos zeigten lange Schlangen vor Wahllokalen. Allerdings gab es für sehr viele Wahlberechtigte nur sehr wenige Wahllokale - eine Erklärung für den scheinbar großen Andrang. Einwohner warfen ihre Stimmzettel in durchsichtige Urnen, auf die die schwarz-blau-rote Flagge der „Volksrepublik“ geklebt war. Teilweise waren „Wahllokale“ auf der Straße oder - wie in der Separatistenhochburg Slawjansk - direkt an den Barrikaden der moskautreuen Kämpfer aufgebaut.

Menschen bei Referendum

Reuters/Marko Djurica

Bei der Abstimmung wurde improvisiert: Selbst gebastelte Urnen und Stimmzettel

In der Stadt Krasnoarmejsk wurde die Abstimmung frühzeitig beendet, weil dort die Nationalgarde mit gepanzerten Fahrzeugen vorrückte. Auch in Moskau beteiligten sich etliche Menschen - angeblich alle aus den Regionen Donezk und Lugansk - an einer improvisierten Wahlstation unter freiem Himmel an der Abstimmung. Führungsmitglied Denis Puschilin kündigte an, in einem nächsten Schritt wollten die Aktivisten staatliche und militärische Strukturen bilden.

Kiew sieht Moskau hinter „krimineller Farce“

Für Kiew ist klar: Die Direktiven dafür kamen aus Moskau. So wirft die prowestliche Zentralregierung in Kiew Moskau die Organisation des Referendums über die Abspaltung der Regionen vor - dieses sei vom Kreml „inspiriert, organisiert und finanziert“ worden, hieß es am Sonntagabend aus dem Außenministerium. Dem Appell des russischen Präsidenten Wladimir Putin an die Separatisten, das Referendum zu verschieben, wird folglich kein Glauben geschenkt. Drahtzieher der „kriminellen Farce“ seien „terroristische Banden“, die nach russischen Standards ausgerüstet und trainiert worden seien, so das Außenministerium in Kiew.

Das Ministerium betonte, das Ergebnis der Abstimmung werde keinen Einfluss auf die territoriale Einheit des Landes haben. „Das ist nichts anderes als eine Informationskampagne, um Verbrechen zu vertuschen“, sagte Präsidialamtschef Sergej Paschinski am Sonntag in Kiew. Proukrainische Medien berichteten von massiven Fälschungen. Russland und die moskautreuen Separatisten haben bisher jede Einmischung Moskaus dementiert.

Ein Toter bei Schießerei

Bei einem Militäreinsatz in der Ostukraine wurde am Sonntag mindestens ein Mensch getötet und einer verletzt. Das berichteten russische Medien am Sonntagabend unter Berufung auf prorussische Aktivisten in Krasnoarmejsk im Donezk-Gebiet. Ukrainische Regierungstruppen hätten in einem Wahllokal die Stimmabgabe für das umstrittene Referendum gestoppt. In einem darauffolgenden Handgemenge seien mehrere Schüsse gefallen. Im angrenzenden Gebiet Lugansk hätten Einwohner eines Dorfes ein Vorrücken der ukrainischen Nationalgarde verhindert, indem sie als lebender Schutzwall die Straße blockiert hätten.

EU erkennt „angebliche Referenden“ nicht an

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sagte, die Europäische Union erkenne die „angeblichen Referenden“ nicht an. Die Organisatoren der Abstimmungen seien nicht demokratisch legitimiert, die Abhaltung der Befragungen widerspreche den Zielen der „gemeinsamen Genfer Erklärung“ zur Deeskalation in der Ukraine.

Frankreichs Präsident Francois Hollande verurteilte das Referendum als „sinnlos“ sowie „null und nichtig“. Das einzige Votum, das zähle, sei die geplante landesweite Präsidentschaftswahl am 25. Mai. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel warnte Russland davor, sich für einen möglichen „kurzfristigen Sieg“ auf lange Sicht weltweit zu isolieren. Am Montag kommen in Brüssel die EU-Außenminister zusammen, um über weitere Sanktionen zu beraten. Laut einem „Spiegel“-Vorabbericht bereitet die Europäische Investitionsbank auch eine Liste mit Projekten vor, die im Fall einer weiteren Eskalation auf Eis gelegt werden könnten. Am Montag will EU-Ratspräsident Herman van Rompuy nach Kiew reisen.

Putin will sich erst nach Analyse äußern

Putin will sich erst nach einer Analyse des Ergebnisses zu dem umstrittenen Referendum äußern. Das sagte Putins Sprecher Dimitri Peskow der Moskauer Zeitung „Kommersant“ (Montag-Ausgabe). Er nahm die prorussischen Separatisten in Schutz, die trotz einer Aufforderung Putins an der Befragung festgehalten hatten. Das militärische Vorgehen der Regierung in Kiew habe ihnen keine andere Wahl gelassen. Die Androhung schärferer Sanktionen der EU und der USA gegen Russland nannte Peskow eine absolute Dummheit.

NATO fordert Putin zu Truppenabzug auf

NATO-Oberbefehlshaber Philip Breedlove forderte Putin indes zum Abzug seiner Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine auf. „Ich erwarte von Russland, an seinen internationalen Zusagen und Verpflichtungen festzuhalten und aufzuhören, gewalttätige und schwer bewaffnete Separatisten zu unterstützen, und seine 40.000 Soldaten von den ukrainischen Grenzen abzuziehen“, sagte der US-General im Interview der „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe).

Moskau hatte in den vergangenen Wochen mehrfach behauptet, dass es einen Teil seiner Truppen aus dem Grenzgebiet abgezogen habe. Die NATO erklärte dagegen, dafür keinen Beweis gefunden zu haben. Breedlove stellte der Ukraine unter Umständen einen NATO-Beitritt in Aussicht. „Natürlich ist es an der Ukraine zu entscheiden, ob sie sich der NATO anschließen möchte“, sagte der US-General. „Wir zwingen niemanden beizutreten.“

US-Söldner im Land?

Unterdessen bestritt die US-Sicherheitsfirma Academi, dass Elitekämpfer der Firma in der Ukraine aktiv sind. Academi habe nirgendwo in der Ukraine Personal präsent oder im Einsatz, sagte Vizeunternehmenschefin Suzanne Kelly am Sonntag der „Zeit“ (Onlineausgabe). Es sei auch nicht geplant, in der Ukraine präsent zu sein oder einen Einsatz zu starten.

Die „Bild am Sonntag“ hatte zuvor berichtet, die ukrainischen Sicherheitskräfte würden von 400 Academi-Söldnern unterstützt. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) habe die Bundesregierung am 29. April darüber in Kenntnis gesetzt. Die Informationen sollen vom US-Geheimdienst stammen. „Bild am Sonntag“ bezeichnete Academi als Nachfolgeunternehmen von Blackwater. Dazu sagte Kelly, es sei „unglaublich unverantwortlich“, den Eindruck zu erwecken, Academi und Blackwater seien ein und dasselbe.

Umstrittene Rolle von Sicherheitsfirmen

Der Eigner von Blackwater habe die in den USA angesiedelte Trainingseinrichtung an eine private Investorengruppe verkauft, die diese und das zur Unterstützung gegründete Unternehmen in Academi umbenannt habe. Der frühere Eigentümer habe alle Rechte an dem Namen Blackwater behalten. „Academi hat keine Beziehung zu ihm“, sagte Kelly. Private Sicherheitsfirmen wie Blackwater gerieten insbesondere während des Irak-Krieges in die Kritik. In den USA stehen mehrere ehemalige Blackwater-Angestellte in Zusammenhang mit der Tötung von irakischen Zivilisten vor Gericht.

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