„Ich will die ganze Welt“
Nach ihren fulminanten Sieg beim Eurovision Song Contest ist die österreichische Conchita Wurst am Sonntag von begeisterten Fans auf dem Flughafen Wien Schwechat euphorisch empfangen worden. „Mir geht es sehr, sehr gut“, so Conchita Wurst bei der von zahlreichen Medien verfolgten Pressekonferenz im Anschluss. Begreifen werde sie ihren Sieg allerdings erst frühestens „in einer Woche“.
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Gleichzeitig gestand Conchita Wurst aber ein, in den letzten zwei Tagen ein Gefühl gehabt zu haben, „dass wir eine Chance haben“. Beim Finale selbst war schließlich alles „viel überwältigender“ als erwartet: „Es kam eine Welle der Emotionen auf mich zugerollt und ich hatte wirklich damit zu tun, nicht umzufallen.“ Die Reaktionen auf ihren Triumph seien jedenfalls überwältigend gewesen. Sogar Lady Gaga hat getwittert: „Conchita Wurst, you complete me“ („Du vervollständigst mich“). Nun wolle sie weiter Musik machen, das sei das Hauptziel, und sich nicht aufhalten lassen.

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Auf Facebook schrieb Conchita Wurst von einer „fantastischen Reise“ - am Sonntag landete die Song-Contest-Gewinnerin auf dem Flughafen Wien
Anrufe von TV-Produzenten aus Los Angeles seien bereits eingetrudelt, wurde ihr von ihrem Manager mitgeteilt. Nächster Schritt New York? „Natürlich, ich will die ganze Welt.“ Nach ihrem Triumphzug in Kopenhagen seien jedenfalls noch lange nicht alle Ziele erreicht: „Mein größtes Ziel ist ein Grammy - und auf dem Weg dorthin nehme ich alles mit, was ich kriegen kann“. Klar stellte Conchita Wurst zudem, dass der Song Contest „nicht nur eine Anhäufung von Pyrotechnik und nackten Beinen“ sei: „Das sind alles hochkarätige Künstler“ - Video dazu in iptv.ORF.at.
„Zukunft ohne Abgrenzung und Diskriminierung“
Begeistert zeigte sich unterdessen auch die auf die frisch gekührte ESC-Siegerin wartende Menge auf dem Wiener Flughafen. Reporter beschrieben die Stimmung als „völlig verrückt“. Der Empfang auf dem Flughafen Wien-Schwechat sei ein „großes Fest der Toleranz in Europa“. Auf dem Weg zu einer Pressekonferenz winkte und dankte Conchita Wurst immer wieder ihren Anhängern.

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Zahlreiche Fans warteten bereits Stunden zuvor auf die Nachfolgerin von Udo Jürgens, der vor 48 Jahren zum ersten und bis dato letzten Mal den Song Contest für Österreich gewinnen konnte
„Conchita ist gegen Diskriminierung, darum lieben wir sie“, sagte ein Fan. Ein anderer fügte hinzu: „Ich bin immer noch fassungslos, dass Europa wirklich so tolerant ist.“ Eine junge Frau meinte: „Das ist ein Zeichen von Liebe, Toleranz und Offenheit“ - mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Auch Conchita Wurst sprach von einem Sieg für all jene, die eine Zukunft ohne Abgrenzung und Diskriminierung vor sich sehen. „Am Ende siegt immer das Gute“, so Conchita Wurst bei der Pressekonferenz weiter. Gerichtet sehen wollte sie diese Botschaft auch an „einige uns bekannte Politiker“. Auf die Frage, ob damit der russische Präsident Wladimir Putin gemeint sei, erwiderte Conchita Wurst: „Unter anderen.“
Bereits unmittelbar nach dem Ende des Votings in Kopenhagen sagte Conchita Wurst, sie widme ihren Sieg allen, die an die Zukunft von Frieden und Freiheit glauben: „We are unity - we are unstoppable - you know who you are.“ Konkreter wurde sie später in einem Interview in Bezug auf Putin und dessen homosexuellenfeindliche Gesetzgebung: „Ich weiß nicht, ob er zuguckt. Aber falls ja, sage ich ganz klar: Wir sind unaufhaltbar.“ Auf Twitter und Facebook sprach Conchita Wurst unmittelbar nach ihrem Sieg von „einer fantastischen Reise“. „Diese Nacht steht für Gleichheit, Liebe und Respekt! Ich danke so sehr für eure Unterstützung! Ich lebe meinen Traum! Danke, Danke!“

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Fassungslosigkeit und Freude: Conchita Wurst und ihr Team
Druck verspürt Wurst trotz der gesellschaftspolitischen Signalwirkung dennoch nicht. „Ich bin nicht die Botschafterin der Toleranz, ich trage nur meinen Teil dazu bei“, gab sie sich auf entsprechende Fragen hin bescheiden. „Ich sehe das für mich als persönliches Anliegen, aber Gott sei Dank bin ich nicht allein damit.“ Mit negativen Kommentaren gegen ihre Person beschäftige sie sich dagegen nicht. „Das ist für mich jetzt genauso belanglos, wie es vorher war.“
Spannung stieg kontinuierlich
Außer Frage steht: Der größte Hype um Österreich bei einem Song Contest seit Udo Jürgens galt von Anfang an ihr. Das zeigte bereits die Reaktion des Publikums in Kopenhagen, das den Auftritt von Conchita Wurst lautstark bejubelte. Die Spannung steigerte sich kontinuierlich während der Show. In Livetickern von Medien war sie plötzlich klare Favoritin und lag bei den Wettbüros schließlich ebenfalls auf Platz eins.

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Das Publikum bejubelte den Auftritt der Österreicherin
Fünf Punkte aus Russland
Besonders packend gestaltete sich dann die Bekanntgabe des Votings. Die Reihenfolge der Länder, die ihre Wertung bekanntgeben, wird so bestimmt, dass die Spannung möglichst lange gehalten wird. Den Anfang machte Aserbaidschan - mit nur einem Punkt für Österreich. Dann startete langsam eine Aufholjagd, die zwischenzeitlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Schweden und schließlich mit den Niederlanden wurde.
Die große Sensation: Ausgerechnet aus Russland, wo besonders viele homophobe Stimmen gegen Conchita Wurst lautgeworden waren, erhielt sie fünf Punkte. Ebenfalls bemerkenswert: nur sieben Punkte aus Deutschland. Ansonsten gestaltete sich die Bekanntgabe des Votings gegen Ende als Durchmarsch. Immer wieder eingeblendet: Conchita Wurst, mit großen Augen in die Kamera blickend, betende Hände, Fassungslosigkeit, Tränen. Übrigens: Auch im Halbfinale hatte sie bereits gewonnen, wie nunmehr bekanntgegeben wurde.
Die Punkteverteilung
|
Punkte |
Land |
Interpret |
Song |
1. |
290 |
Österreich |
Conchita Wurst |
"Rise Like a Phoenix" |
2. |
238 |
Niederlande |
The Common Linnets |
"Calm After The Storm" |
3. |
218 |
Schweden |
Sanna Nielsen |
"Undo" |
4. |
174 |
Armenien |
Aram Mp3 |
"Not Alone" |
5. |
143 |
Ungarn |
Kallay-Saunders |
"Running" |
6. |
113 |
Ukraine |
Marija Jaremtschuk |
"Tick-Tock" |
7. |
89 |
Russland |
Tolmatschowa-Schwestern |
"Shine" |
8. |
88 |
Norwegen |
Carl Espen |
"Silent Storm" |
9. |
74 |
Dänemark |
Basim |
"Cliche Love Song" |
10. |
74 |
Spanien |
Ruth Lorenzo |
"Dancing In The Rain" |
11. |
72 |
Finnland |
Softengine |
"Something Better" |
12. |
72 |
Rumänien |
Paula Seling & Ovi |
"Miracle" |
13. |
64 |
Schweiz |
Sebalter |
"Hunter of Stars" |
14. |
62 |
Polen |
Donatan & Cleo |
"My Slowianie" |
15. |
58 |
Island |
Pollapönk |
"No Prejudice" |
16. |
43 |
Weißrussland |
Teo |
"Cheescake" |
17. |
40 |
Großbritannien |
Molly-Smitten Downes |
"Children Of The Universe" |
18. |
39 |
Deutschland |
Elaiza |
"Is It Right" |
19. |
37 |
Montenegro |
Sergej Cetkovic |
"Moj Svijet" |
20. |
35 |
Griechenland |
Freaky Fortune feat. Risky Kidd |
"Rise up" |
21. |
33 |
Aserbaidschan |
Dilara Kazimova |
"Start A Fire" |
22. |
33 |
Italien |
Emma Marone |
"La mia citta" |
23. |
32 |
Malta |
Firelight |
"Coming Home" |
24. |
14 |
San Marino |
Valentina Monetta |
"Maybe" |
25. |
9 |
Slowenien |
Tinkara Kovac |
"Round and Round" |
26. |
2 |
Frankreich |
Twin Twin |
"Moustache" |
Dort sei sie noch sehr nervös gewesen, so Conchita Wurst: Im Finale habe sie sich aber richtig gut gefühlt - vor allem, als man sich dann beim Voting erstmals kurz auf Platz eins befand. „Ich habe in die Runde gesagt: Wir sind jetzt gerade eine Minute lang auf Platz eins - genießt das, das wird nicht so bleiben. Dann habe ich gesagt, es sind schon vier Minuten - und dann ging das so weiter. Ich konnte das nicht glauben. Ich glaube, man hat gesehen, wie fassungslos ich war.“
Wrabetz: „Österreich wird der Gastgeber sein“
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zeigte sich nach der Show äußerst erfreut: „Wir freuen uns unglaublich über diesen Gewinn. Der war ja nicht so vorhersehbar.“ Deshalb könne man aber jetzt auch noch nichts über einen etwaigen Veranstaltungsort des Song Contest nächstes Jahr in Österreich sagen: „Wir haben noch nicht alles in allen Details durchgedacht. Aber Österreich ist ein Land, das für Musik steht und mehrere Möglichkeiten hat, den Song Contest auszurichten. Ich sage heute nur: Österreich wird der Gastgeber sein“, so Wrabetz.
Der Sieg von Conchita Wurst bewirke jedenfalls etwas in Österreich: „Österreich ist toleranter geworden heute Abend.“ Conchita Wurst habe ganz Europa nicht nur mit ihrer tollen Stimme überzeugt, sondern auch ein Zeichen für Toleranz und Akzeptanz gesetzt. ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner sagte: „Conchita Wurst hat mit ihrem Erfolg Österreich eine neue starke Stimme in Europa gegeben. Was für eine unvorstellbar großartige Nacht. Conchita Wursts fulminanter Song, ihre starke Performance und ihre unglaubliche Persönlichkeit haben Österreich in Europa in den letzten Wochen eine neue starke Stimme gegeben und wohl auch neues Selbstverständnis. Danke. Dieser Erfolg gehört ihr.“
Tauziehen um Austragung begonnen
In der Debatte über den Austragungsort gibt es unterdessen bereits erste Bereitschaftserklärungen. Unter anderem zeigte sich der Chef der Wiener Stadthalle, Wolfgang Fischer, überzeugt, den Song Contest 2015 „problemlos“ abhalten zu können - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Doch auch andere potenzielle Austragungsorte zeigen bereits Interesse: Neben Kärnten (Wörthersee-Stadion) bot sich auch Niederösterreich an. Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (TS) teilte am Sonntagabend mit, dass der Song Contest als „Open Air in NÖ“ veranstaltet werden solle. Es biete sich „eine Chance auf das erste Open-Air-Finale dieser Veranstaltung“, sagte Kaufmann-Bruckberger mit Blick auf die Tatsache, dass der europäische Gesangswettbewerb in seiner sechs Jahrzehnte langen Geschichte noch nie unter freiem Himmel ausgetragen wurde.
Auch Innsbruck brachte sich als Austragungsort ins Spiel: Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (FI) erklärten in einer gemeinsamen Aussendung Sonntagabend, dass Land und Stadt für eine Ausrichtung „Schulter an Schulter“ zur Verfügung stünden.
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