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„Mit der Regierung auf einer Linie“

In Brasilien wird der Megakonzern Odebrecht mit weltweit mehr als 250.000 Mitarbeitern als Wirtschaftswunder Brasiliens bezeichnet. Nicht ganz ohne Grund, wie Kritiker meinen. Nützen dem Familienclan doch schon seit Jahrzehnten die engen Beziehungen zu den jeweiligen Machthabern.

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Die Anfänge der Odebrecht-Unternehmensdynastie gehen auf das Jahr 1865 zurück, als Emil Odebrecht von Deutschland nach Brasilien auswanderte. Seine Nachkommen gründeten 1944 die Organisation Odebrecht als familiengeführten Mischkonzern in Salvador da Bahia. Als Bauunternehmen begonnen, weitete der Konzern sein Tätigkeitsfeld stetig aus.

Umsatzvolumen von 32 Milliarden Euro

Als Global Player ist Odebrecht vor allem in der Petrochemie, aber auch mit Engineering- und Bauleistungen in den meisten Ländern Südamerikas, in Mittelamerika, den USA, Angola, Portugal und dem Nahen Osten vertreten. Der Konzernriese setzt neuerdings auch auf nachhaltige Entwicklung und hat seine Finger auch bei Agrarprodukten, Wasser und Umwelttechnik im Spiel. Das Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von 32,3 Milliarden Euro ist aber auch in den Bereichen Waffen, Atomkraft und Finanzdienstleistungen vertreten.

Marcelo Odebrecht

Reuters/Enrique Castro-Mendivil

Marcelo Bahia Odebrecht ist Generaldirektor des Konzerns

Das Unternehmen ist in den letzten zehn Jahren auf spektakuläre Weise gewachsen. Im Wirtschaftsjahr 2009 erzielte der Konzern mehr als die Hälfte seines Umsatzes auf dem heimischen Markt. Beim Export von Dienstleistungen, insbesondere in andere Schwellen- und Entwicklungsländer, ist Odebrecht das führende brasilianische Unternehmen.

Staatliche Strategien nutzten Odebrecht

Und dieser Erfolg kommt laut einem Bericht der Zeitung „Le Monde diplomatique“ nicht von ungefähr. So wird der Familie seit jeher eine enge Verknüpfung zu den jeweiligen staatlichen Machthabern nachgesagt. So ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Staat - zuerst unter dem autokratischen Präsidenten Getulio Vargas, dann unter der Militärdiktatur - durch eine autonome ökonomische Strategie, die auf Importsubstitution durch eigene Produkte setzt, das Unternehmen kräftig unterstützte.

Dank der Bereitstellung der Infrastruktur in Form von Straßen, U-Bahnen und Staudämmen, konnte Odebrecht sein Unternehmen im Laufe der Jahre zunehmend ausbauen. Auch der 2003 zum Präsidenten gewählte Luiz Inacio da Silva (kurz Lula) unterstützte den Konzern. So erhielt Odebrecht ohne Weiteres den Zuschlag für den Bau der wichtigsten Fußballstadien für die Weltmeisterschaft 2014 und für die großen Bauvorhaben im Zuge der Olympischen Spiele zwei Jahre später.

Korruptionsvorwurf bei Bau für WM-Stadien

Die brasilianische Staatsanwaltschaft erhob deshalb wegen des Verdachts der Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe Anklage gegen das Konsortium Complexo Maracana Entretenimiento SA, an dem Odebrecht zu 90 Prozent beteiligt ist. Das Konsortium bekam den Auftrag, das traditionsreiche Maracana-Stadion in Rio de Janeiro zu einem Entertainmentkomplex auszubauen und für 35 Jahre in Konzession zu nutzen. Im Sommer gingen zahlreiche - zum Teil aufgrund der neuen Bauten enteignete - Brasilianer auf die Straße und demonstrierten gegen staatlich gestützte Bauwirtschaft. Anfang Dezember wurden weitere Unregelmäßigkeiten bekannt, als sich herausstellte, dass Odebrecht nach der Baugenehmigung das Stadionprojekt stark verändert hatte.

Odebrecht-Bauarbeiter arbeiten am Itaquerao-Stadion in Sao Paulo

APA/EPA/Sebastiao Moreira

Bauarbeiter von Odebrecht im WM-Stadium Itaquerao in Sao Paulo

Der Odebrecht-Konzern hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder auch dem Staat finanziell unter die Arme gegriffen. In den letzten beiden Amtsperioden Lulas hat die Odebrecht-Gruppe ihre Zuwendungen an dessen Partido dos Trabalhadores (Partei der Arbeiter, PT) im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten weiter erhöht. Die Position des Unternehmens hat der Unternehmenschef Marcelo Odebrecht wie folgt dargelegt: „Ja, wir liegen durchaus auf einer Linie mit der Regierung, wir sehen da kein Problem. Schließlich ist es die gewählte Regierung, sie vertritt die Interessen der Bevölkerung.“

Undurchsichtige Vergabepraktiken

Die strategische Freundschaft zu Lula half auch im Konflikt mit Ecuador, wo Odebrecht ein riesiges Wasserkraftwerk baute, das danach aber aufgrund schwerer technischer Mängel abgeschaltet werden musste. Ecuador setzte eine unabhängige Kommission zur Überprüfung der Mängel und Unregelmäßigkeiten bei der Vertragsabwicklung und der Kreditvergabe ein - Lula zog daraufhin seinen Botschafter ab.

Undurchsichtig war auch die Vergabe eines Auftrages des Marineministeriums über den Bau von fünf U-Booten. 2008 ging der Auftrag in Höhe von 7,8 Milliarden Reis (rund 2,6 Mrd. Euro) ohne Ausschreibung an ein Joint Venture der Odebrecht-Organisation. Auch bei der Modernisierung der Armee waren die engen Kontakte zum Militär von Vorteil, was den Abschluss „von Verträgen erleichtert habe“, so Raul Zibechi, Journalist aus Uruguay.

Nachhaltige Entwicklung ohne Bauern

Odebrecht setzt auch auf nachhaltige Entwicklung. In Peru etwa hat der Konzern erstmals einen Tunnel durch die Anden gegraben, einen Fluss umgeleitet und Dämme und künstliche Lagunen angelegt, um eine Trockenzone zu bewässern. Nach Fertigstellung wird das Projekt namens Olmos in Regie von Odebrecht betrieben, das Wasser, Strom und Boden weiterverkauft, um die gestiegenen Anfangsinvestitionen zu refinanzieren.

Die Konzessionen für die ersten 110.000 Hektar wurden dabei an große Nahrungsmittelkonzerne vergeben. Bei einer Mindestgröße der Parzellen von 1.000 Hektar war es für lokale Bauern schwer möglich, von dem bewässerten Land zu profitieren. Auch bei diesem Projekt wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass die „guten Beziehungen“ der Organisation zum einstigen peruanischen Präsidenten Alan Garcia für den Vertragsabschluss ausschlaggebend waren.

Odebrecht wies alle Vorwürfe von sich. Ein Sprecher der Organisation sprach vielmehr davon, dass das Unternehmen „eine Antwort auf die Bedürfnisse des Landes zu bieten“ habe und deshalb auch nur in dessen Sinne handle.

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