Themenüberblick

Neuer Glanz für Österreich-Bilanz?

Jetzt heißt es für Conchita Wurst: Ruhe bewahren. In den Wettbüros wird sie als Top-Drei-Kandidatin gehandelt. Die Interpretin mit dem Vollbart hat es in der Hand, Österreich zum zweiten Mal in der Geschichte des Eurovision Song Contests (ESC) zum Sieg zu führen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Mit entwaffnender Ehrlichkeit und der ihr eigenen Mischung aus Charme und Gewitztzeit sagte sie auf die Frage von ORF-Musikredakteur Klaus Totzler im Interview nach dem erfolgreichen Halbfinale, für wen sie eigentlich singt: „Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber für niemanden als mich selbst. Das sind meine drei Minuten. Ich weiß, ich vertrete Österreich und ich werde auch in Zukunft und auch hier alles geben, um mein Land stolz zu machen. Aber vorher komm ich.“

Conchita Wurst mit dem Song "Rise Like a Phoenix"

ORF/Milenko Badzic

„Rise Like A Phoenix“ - Conchita Wurst machte dem Titel ihres Songs alle Ehre

Conchita Wurst ist in den vergangenen Tagen ein glatter Durchmarsch gelungen, lag die dunkelhaarige Lady doch noch vor drei Tagen in den Wettbüros auf Platz zehn und rangiert nun auf einem der Topplätze. Gesangstrainerin Monika Ballwein arbeitet seit Jahren mit Conchita Wurst und ist von der Begeisterung um sie überwältigt. „Das gab es noch nie. Ich war zum fünften Mal dabei, das hab ich echt noch nie erlebt, so Ballwein, die am Dienstag noch mit Wurst trainiert hat - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

In Udo Jürgens’ Fußstapfen

Bei der Show startet Conchita Wurst mit Startnummer elf ziemlich in der Mitte des Feldes. Sollte sie am Samstag beim großen Finale tatsächlich gegen die 25 Konkurrenten triumphieren, wäre das erst der zweite Sieg Österreichs beim ESC nach Udo Jürgens’ „Merci Cherie“ 1966. Dieser Song war von Jürgens und Thomas Hörbiger komponiert worden.

Im Text, der vom Refrain abgesehen auf Deutsch gesungen wurde, ging es um einen Mann, der sich von seiner großen Liebe verabschiedet und ihr für die schönen Momente in der Beziehung dankt. Jürgens startete übrigens nicht senkrecht durch. Sein Sieg war bereits das dritte Antreten hintereinander. 1964 erreichte er mit „Warum nur, warum?“ den sechsten Platz, 1965 mit „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ den vierten Platz. In dem Jahr, in dem er gewann, trat er als Nummer neun an. Das könnte man als positives Vorzeichen werten: Auch sie tritt im Mittelfeld an.

Kaum Steilvorlagen in letzter Zeit

Sonst sah es vor allem in den letzten Jahren meist traurig aus. Negativrekordhalter sind die Interpreten der Jahre 1981 (Marty Brem), 1984 (Anita), 1988 (Wilfried) und 1991 (Thomas Forstner), die auf dem letzten Platz landeten.

2007 schied Eric Papilaya mit „Get a life - get alive“ allerdings bereits im Semifinale aus und wurde dort mit vier Punkten Vorletzter. Anschließend verzichtete man 2006 sowie 2008 bis 2010 gänzlich auf eine Teilnahme. Beim neuerlichen Antritt 2011 in Düsseldorf kam Nadine Beiler schließlich auf Platz 18, bevor im Jahr danach die Trackshittaz mit ihrer Hip-Hop-Nummer „Woki mit deim Popo“ im Halbfinale die geringste Punkteanzahl aller Länder erhielten. Im Vorjahr musste sich dann Nathalia Kelly in Malmö mit Platz 14 von 16 Teilnehmern in ihrem Halbfinale begnügen.

Conchita Wurst singt beim Song Contest

AP/Frank Augstein

Das Publikum in der Halle reagierte stark auf „Rise Like A Phoenix“

Österreichs Song-Contest-Bilanz

2014 Conchita Wurst Rise Like a Phoenix
2013 Natália Kelly Shine 14/16
2012 Trackshittaz Woki mit deim Popo 18/18
2011 Nadine Beiler The Secret Is Love 18/25
2010 Auf Teilnahme verzichtet
2009 Auf Teilnahme verzichtet
2008 Auf Teilnahme verzichtet
2007 Eric Papilaya Get a Life – Get Alive 27/28
2006 Auf Teilnahme verzichtet
2005 Global Kryner Y así 21/25
2004 Tie Break Du bist 21/24
2003 Alf Poier Weil der Mensch zählt 6/26
2002 Manuel Ortega Say a Word 18/24
2001 Nicht qualifiziert
2000 The Rounder Girls All to You 14/24
1999 Bobbie Singer Reflection 10/23
1998 Nicht qualifiziert
1997 Bettina Soriat One Step 21/25
1996 George Nussbaumer Weil’s dr guat got 10/23
1995 Stella Jones Die Welt dreht sich verkehrt 13/23
1994 Petra Frey Für den Frieden der Welt 17/25
1993 Tony Wegas Maria Magdalena 14/25
1992 Tony Wegas Zusammen geh’n 10/23
1991 Thomas Forstner Venedig im Regen 22/22
1990 Simone Keine Mauern mehr 10/22
1989 Thomas Forstner Nur ein Lied 5/22
1988 Wilfried Lisa, Mona Lisa 21/21
1987 Gary Lux Nur noch Gefühl 20/22
1986 Timna Brauer Die Zeit ist einsam 18/20
1985 Gary Lux Kinder dieser Welt 8/19
1984 Anita Einfach weg 19/19
1983 Westend Hurricane 9/20
1982 Mess Sonntag 9/18
1981 Marty Brem Wenn du da bist 17/20
1980 Blue Danube Du bist Musik 8/19
1979 Christina Simon Heute in Jerusalem 18/19
1978 Springtime Mrs. Caroline Robinson 15/20
1977 Schmetterlinge Boom Boom Boomerang 17/18
1976 Waterloo & Robinson My Little World 5/18
1975 Auf Teilnahme verzichtet
1974 Auf Teilnahme verzichtet
1973 Auf Teilnahme verzichtet
1972 Milestones Falter im Wind 5/18
1971 Marianne Mendt Musik 16/18
1970 Auf Teilnahme verzichtet
1969 Auf Teilnahme verzichtet
1968 Karel Gott Tausend Fenster 13/17
1967 Peter Horton Warum es hunderttausend Sterne gibt 14/17
1966 Udo Jürgens Merci, Chérie 1/18
1965 Udo Jürgens Sag ihr, ich laß sie grüßen 4/18
1964 Udo Jürgens Warum nur, warum? 6/16
1963 Carmela Corren Vielleicht geschieht ein Wunder 7/16
1962 Eleonore Schwarz Nur in der Wiener Luft 13/16
1961 Jimmy Makulis Sehnsucht 15/16
1960 Harry Winter Du hast mich so fasziniert 7/13
1959 Ferry Graf Der k.u.k. Kalypso aus Wien 9/11
1958 Liane Augustin Die ganze Welt braucht Liebe 5/10
1957 Bob Martin Wohin, kleines Pony? 10/10

„Schicksalstage einer Kaiserin“

Österreichs trauriges Song-Contest-Blatt könnte sich nun wenden. „Conchita Wurst, Schicksalstage einer Kaiserin“, titelte der „stern“ am Freitag und fügte hinzu: „Wird sie die Nachfolgerin von Udo Jürgens? Mit Bartträgerin Conchita Wurst könnte Österreich zum zweiten Mal den ESC gewinnen. Beim Semifinale wurde sie in Kopenhagen wie eine Kaiserin gefeiert.“

„Erst geschmäht, dann bejubelt: Die österreichische Travestiekünstlerin Conchita Wurst wurde mit Diven-Bombast zur Siegerin der Herzen - beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests. Keine Frage: Nun muss der Damenbart auch in der Endrunde gewinnen“, schrieb der „Spiegel“ (Onlineausgabe) am Freitag.

Conchita Wurst freut sich nach dem Auftritt

ORF/Milenko Badzic

Sichtbare Erleichterung nach dem Einzug ins Finale bei Conchita Wurst und ihren Begleitern

„Ich habe nur geweint“

Am Donnerstag nach 22.00 Uhr hatte Conchita Wurst jedenfalls einige Schreckminuten zu überstehen, bevor sie sich über ihr Finalticket freuen konnte, wurde sie doch erst als zehnter und damit letzter Kandidat genannt. Hier hat der Zufall der Dramaturgie in die Hände gespielt, wird die Reihenfolge der Verkündung doch ausgelost: „Ich habe mir in dem Moment nur gedacht: Da sitzt doch hinter mir noch die Israeli - und die hat so eine Megastimme. Ich gönne es ihr von Herzen - aber bitte, bitte.“

Schließlich war es Israel, das nach Hause fahren muss, während Conchita Wursts Reaktion eindeutig ausfiel: „Ich habe nur geweint.“ Mit etwas Abstand zeigte sich die Diva mit Gesichtsbehaarung nach ihrem Triumph jedenfalls überglücklich über den Einzug ins Finale: „Ich habe alles gegeben, was ich hatte - und das hat Gott sei Dank fürs Erste gereicht.“ Auf das glatte Eis einer Zielformulierung für die Finalrunde am Samstag ließ sich Conchita Wurst von den Medienvertretern jedenfalls nicht führen.

Links: