Zurückgezogenes Leben mit Bildern
Der deutsche Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist im Mai im Alter von 81 Jahren gestorben. Er war der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der als einer von vier Kunsthändlern Adolf Hitlers für das NS-Regime mit Kunst handelte. In seiner Münchner Wohnung war im Februar 2012 eine unschätzbare Sammlung gefunden und beschlagnahmt worden.
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Bevor er in das Zentrum der wohl spektakulärsten Kunstsensation der vergangenen Jahrzehnte geriet, hatte Gurlitt ein zurückgezogenes Leben in München und seinem Haus in Salzburg geführt. „Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt in meinem Leben“, sagte er in seinem einzigen Interview im „Spiegel“. Abgesehen von diesem Gespräch wollte sich Gurlitt, von dem es kaum Bilder gibt, nicht persönlich öffentlich äußern und beklagte sich mehrmals über aufdringliche Medien.

APA/Barbara Gindl
Im März wurden in Gurlitts Haus in Salzburg 238 wertvolle Kunstwerke gefunden
Aufgekauft hatte die Werke sein Vater in den 30er und 40er Jahren. Er hatte stets angegeben, dass die Sammlung bei der Bombardierung Dresdens 1945 zerstört worden sei, eine Angabe, die auch von anderen Mitgliedern der Familie so gemacht wurde. So beantwortete auch Wolfgang Gurlitt, Cousin von Hildebrand, ebenfalls Kunsthändler und nach dem Krieg Gründer der Neuen Galerie Linz (heute Lentos), damit die Frage nach dem Verbleib unzähliger Kunstwerke. Zur Rolle der beiden als Kunsthändler während der NS-Zeit sind noch immer einige Fragen offen.
Kunstankauf für „Führermuseum“
Sicher ist, dass Hildebrand Gurlitt unter den Nazis seine Position als Leiter des Kunstmuseums in Zwickau nicht nur wegen seines Engagements für „entartete“ Kunst, sondern auch wegen seiner nicht rein „arischen“ Herkunft verlor. Dennoch wurde er später als Einkäufer für den „Sonderauftrag Linz“ vom NS-Propagandaministerium eingesetzt und hatte die Aufgabe, Werke für ein geplantes „Führermuseum“ in Linz anzukaufen. Gleichzeitig bekam er den Auftrag, „entartete“ Kunst ins Ausland zu verkaufen. In der Nachkriegszeit gelang ihm die Rehabilitation aufgrund seiner jüdischen Wurzeln, weil er selbst nie Mitglied in einer NS-Organisation war und wegen seines Einsatzes für die Kunst der Modernen Meister.

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Hildebrand Gurlitt, Vater des verstorbenen Kunstsammlers
Auch Geschäftsunterlagen gefunden
In der Münchner Wohnung seines verstorbenen Sohnes Cornelius Gurlitt befanden sich laut „Süddeutscher Zeitung“ („SZ“) auch die Geschäftsunterlagen des Kunsthändlers, die gestützt auf Aussagen seiner Großmutter ebenfalls als verbrannt galten. Die Dokumente stellen eine Quelle von unschätzbarem Wert für die Forschungsstelle Entartete Kunst und auch für andere Provenienzforscher dar.
Gurlitt hatte die Bilder dem Anschein nach über ein halbes Jahrhundert in seiner Münchner Wohnung gehortet. Auf diesen aufmerksam geworden sei der Zoll bei einer zufälligen Bargeldkontrolle im September 2010 während einer Zugsreise von der Schweiz nach München. Die Fahnder hätten weiterrecherchiert und im Frühjahr 2011 eine Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen erwirkt.
Einvernehmliche Lösung erzielt
Im April, bereits schwer erkrankt, einigte sich Gurlitt mit der deutschen Regierung und dem Freistaat Bayern auf eine einvernehmliche Lösung. Der 81-Jährige erklärte sich bereit, Bilder, die unter Raubkunstverdacht stehen, eingehend untersuchen zu lassen - und sie im Fall der Fälle auch freiwillig an Vorbesitzer zurückzugeben. Dazu hatte er sich über seine Anwälte zwar schon vor einigen Monaten bereiterklärt, damals aber noch in Eigenregie ohne Einbeziehung der Behörden.
Gurlitt hatte keine Kinder und nach dem Tod seiner Schwester Benita nur noch entfernte Verwandte. Seine Cousine Uta Werner hatte zuletzt mit anderen Familienmitgliedern ein Gutachten über dessen Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserstellung anfertigen lassen. Ob sie das Erbe anfechten will, ist offen. Ihr Bruder, der 95-jährige Dietrich Gurlitt, distanzierte sich von dem Gutachten.
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