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Das Apartheidssyndikat eines Arztes

Der Franzose Caryl Ferey ist als junger Mann um die Welt gereist, bevor er zum Schriftsteller wurde und vor allem Polizeiromane verfasste. Sein Buch „Zulu“ aus dem Jahr 2008 wurde international zum Achtungserfolg. Im deutschen Sprachraum legte es der Piper-Verlag auf. Nun nahm sich Regisseur Jerome Salle des Stoffes an.

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Damit der Film trotz eines historischen und politischen Themas an den Kassen nicht völlig untergeht, besetzte Salle die Hauptrollen mit Forest Whitaker und Orlando Bloom. Die beiden spielen südafrikanische Cops, die eine Bande notorischer Krimineller hochnehmen sollen, die neuartige Designerdrogen verkaufen und offenbar für den Tod einer jungen Frau verantwortlich zeichnen. Ali Sokhela (Whitaker) ist der Streber. Er hat sein Leben ganz dem Beruf gewidmet. Brian Epkeen (Bloom) ist der Draufgänger. Wenn er nicht gerade trinkt, hat er eine Frau im Bett - jedes Mal eine andere.

Szene aus dem Film "Zulu" zeigt die Schauspieler Orlando Bloom und Forrest Whitaker auf einer Bank

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Orlando Bloom und Forest Whitaker in „Zulu“ - die Gewalt ist allgegenwärtig

Mandelas Worte der Vergebung

Soweit entspricht alles einem klassischen Thrillersetting. Effektvoll lässt sich südafrikanischer Rap einsetzen, werden Gang-Tattoos und Township-Wellblecharchitektur ins Bild gerückt. Orlando Bloom mit Sixpack und Tschick-Pack, mit halbnackter Dame im Bett und Flachmann an den Lippen. Doch dann kommt die Vergangenheit ins Spiel. Eine Vergangenheit, die Ali persönlich nimmt. Als Kind musste er mitansehen, wie sein Vater aus rassistischen Gründen bestialisch ermordet wurde. Aber noch predigt er Mandelas Worte von der Vergebung.

Nach und nach kommen die Cops den Machenschaften eines Arztes auf die Schliche, der während der Zeit der Apartheid ein Projekt leitete, in dem chemische bzw. biologische Waffen entwickelt werden sollten, die darauf abzielten, die schwarze Bevölkerung zu dezimieren. Nach Ende der Apartheid sattelte der Doktor um und produzierte Designerdrogen. Das klingt unendlich konstruiert und an den Haaren herbeigezogen. Und dennoch: Es beruht auf historischen Tatsachen.

Die Labore des Wouter Basson

Im Gegenteil, der Autor und der Regisseur hätten noch auf weitaus mehr und noch unglaublichere Details zurückgreifen können. Vorlage für die historische Figur ist der Arzt Wouter Basson, der bis heute eine Herzklinik in Südafrika betreibt. Basson leitete während der Zeit der Apartheid von Anfang der 80er Jahre an das „Project Coast“. Auf zu neuen Ufern - das hieß für die Regierung damals: den Widerstand der schwarzen Bevölkerung brechen und sie am besten in ihrer Gesamtheit drastisch dezimieren.

Basson war Arzt, aber auch Geheimdienstler. Er befehligte Agenten, Chemiker und Mediziner. Offiziell sollte eine Abwehr von chemischen und biologischen Kampfstoffen für das Militär entwickelt werden. Tatsächlich jedoch wurde in seinen Laboren an synthetischen Wirkstoffen geforscht, die spezifisch nur auf dunkel pigmentierte Menschen wirken sollten. Das große Ziel: ein Mittel finden, das schwarze Frauen unfruchtbar macht, und es dann in den Townships über das Trinkwasser verteilen.

Systemwechsel mit systematischen Auslassungen

Entwickelt wurden auch aggressive Giftstoffe, mit denen Gegner der Regierung mittels Spritzen oder vergiftetem Essen getötet wurden. Basson hatte Kontakte in alle Welt. Um an die Zutaten für seine Giftküchen zu kommen, reiste er in nordafrikanische Wüstensiedlungen genauso wie in die Hauptstädte westlicher Länder und in „Schurkenstaaten“. Bassons System war ausgeklügelt. Es funktionierte.

Und es funktionierte nach dem Ende der Apartheid weiter. Der letzte weiße Präsident, Willem de Klerk, hatte Basson kurz vor dem Systemwechsel entlassen - und Nelson Mandela setzte ihn wieder ein. Spekulationen zufolge soll die CIA darauf gedrängt haben, weil jemand wie Basson ohne jede staatliche Kontrolle zu gefährlich schien. Danach folgte die Aufarbeitung des Apartheidsystems, und Basson verlor doch noch seinen Job.

Kein Ende der Vorwürfe

Vor der „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ musste „Dr. Death“, wie er sich selbst nannte, aussagen. Und es wurde, nachdem man erfahren hatte, dass Basson das Land verlassen wollte und mit Hunderten Ecstasy-Tabletten aufgegriffen wurde, ein regulärer Prozess gegen ihn angestrengt - der umfangreichste in Bezug auf das rassistische Regime.

Basson musste nicht ins Gefängnis. Er berief sich auf die militärische Befehlskette und kam damit durch. Nicht einmal die Drogen führten zur Verurteilung. Eine Wiederaufnahme des Prozesses lehnte die Staatsanwaltschaft 2005 ab. Die alten Bande funktionierten noch. Die Gerichtsbarkeit war nicht ausgewechselt worden.

Nun versucht man es nach jahrelangen neuen Recherchen in der letztmöglichen Instanz, der Ethikkommission der südafrikanischen Ärztekammer, Basson wenigstens seine Genehmigung als Arzt zu entziehen. Der Prozess wurde auf Juli vertagt, weil einer der Hauptzeugen erkrankt ist. Die Vorwürfe lauten hier im Detail: die Produktion von Mandrax und Kokain und die Lieferung von aggressivem Tränengas an Angolas-Unita-Führer Jonas Savimbi sowie die Produktion von desorientierenden Mitteln, um Entführungsopfer leichter über Grenzen transportieren zu können.

Orlando Blooms Metamorphose

Verglichen mit der Wirklichkeit ist der Thriller trotz zahlreicher expliziter Gewaltdarstellungen also noch einigermaßen dezent. Wenn Kritiker auf die klischeehafte Darstellung Südafrikas als Hort der Gewalt hinweisen, seien sie auf die Geschichte des Landes und die hohe Kriminalitätsrate der Gegenwart verwiesen. Was die klischeehafte Zeichnung der Charaktere betrifft, kann man kaum widersprechen. Hier der brave Cop, dort der räudige Bulle - dieses Muster löst sich erst im Verlauf der Handlung auf. Offenbar herrschte die Sorge vor, den Film nicht noch weiter zu verkomplizieren durch eine differenziertere Zeichnung der Hauptfiguren.

Szene aus dem Film "Zulu" zeigt Schauspieler Orlando Bloom mit Pistole

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Bloom zeigt Muskeln, will aber seiner Rolle als Paradeschönling entkommen

Und außerdem wollte man wohl Orlando Bloom, dem ehemaligen „Herr der Ringe“-Schönling Legolas und Karibikpiraten an der Seite Johnny Depps die Möglichkeit geben, seinen durchtrainierten Körper zu zeigen. Dabei versucht Bloom gerade eine Metamorphose, die genau durch diesen Film gekennzeichnet werden sollte: vom Teenieschwarm zum Charaktermimen.

Dieses Ziel dürfte er mit „Zulu“ noch nicht ganz erreicht haben. Aber immerhin, er spielt eine bösere Version seiner alten Rolle, und das in einem packenden Thriller, der sich schonungslos einem weiterhin kritischen Thema widmet: der mangelhaften Aufarbeitung nach dem Ende von Terrorregimen. Ein Thema, das nicht nur in Südafrika brisant ist.

Simon Hadler, ORF.at

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