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Oklahoma setzt alle Exekutionen aus

Der lange und qualvolle Todeskampf eines 38 Jahre alten Häftlings im Bundesstaat Oklahoma hat die Hinrichtungspraxis der USA erneut ins Rampenlicht gerückt. Gouverneurin Mary Fallin, eine entschiedene Befürworterin der Todesstrafe, setzte sämtliche Exekutionen in dem Südstaat aus, bis eine Untersuchung geklärt hat, was bei der Hinrichtung am Dienstagabend schiefgegangen ist.

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Todeskandidat Clayton Lockett war beim Spritzen einer nicht erprobten Giftmischung eine Vene geplatzt. Er verzerrte das Gesicht, bäumte sich auf und schnappte nach Luft, statt bewusstlos zu werden, wie Medien berichteten. Erst 43 Minuten später setzte nach einem Herzinfarkt der Tod ein. In einem Brief an Fallin zeichnet der Strafvollzugschef des US-Staats, Robert Patton, den zeitlichen Ablauf der Hinrichtung nach, der offenbar ein Kampf mit Wachleuten vorausgegangen war.

Häftling mit Elektroschocker niedergestreckt

Patton erwähnt, dass sich Lockett einen Tag zuvor am rechten Arm eine Schnittwunde zugefügt habe. Am Hinrichtungstag sei mit einer Elektroschockpistole auf ihn geschossen worden. Er sei gewaltsam aus seiner Zelle geholt und geröntgt worden. Das Gift sei ihm in die Leiste verabreicht worden, da es an Armen und Beinen keine geeignete Stelle gegeben habe. Die Rechtsanwältin Madeline Cohen sagte dazu, das Gift sei nicht in Locketts Venen, sondern in sein Fleisch injiziert worden.

Eine Untersuchung soll jetzt die genaue Todesursache Locketts klären. Ein Gerichtsmediziner entnahm dem Getöteten bereits Blut, auch ein unabhängiger Pathologe soll den Körper untersuchen. Eine Obduktion und toxikologische Tests sollen zeigen, welche Menge des Gifts in seinen Blutkreislauf geriet.

Giftmischung bleibt geheim

Der Vorfall facht die Debatte über die Todesstrafe in den USA an. Vor allem das Instrument Giftspritze löst bei immer mehr Bürgern Unbehagen aus. Seit sich viele Pharmafirmen und Apotheken im In- und Ausland aus ethischen und rechtlichen Gründen wehren, für Exekutionen benötigte Beruhigungs- und Schmerzmittel zu verkaufen, versuchen die Behörden die Engpässe kreativ zu umgehen. Laut der „New York Times“ („NYT“) wenden sie sich vordringlich an staatlich schwach regulierte Labore.

Arbeiter demontieren 2002 den Elektrischen Stuhl in Lucasville, Ohio

AP/Al Behrman

Demontage eines elektrischen Stuhls in Ohio, das diese Hinrichtungsart 2002 verbot

Oklahoma und andere Bundesstaaten halten trotz gerichtlicher Klagen geheim, welche Ersatzstoffe diese Anbieter verwenden. Kritiker finden das ungeheuerlich. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU beklagt, dass Oklahoma mit ungetesteten Wirkstoffen „wissenschaftliche Experimente“ an Todeskandidaten durchführe. Die Giftspritze kaschiere „die Grausamkeit des Tötungsakts durch den Anschein klinischer Sauberkeit“, kritisiert Amnesty International.

Nicht der erste Fall

Die Frage sei, „ob wir der Regierung genug vertrauen, um ihr zu erlauben, ihre Bürger, auch die schuldigen, mit einem geheimen Prozedere zu töten“, sagt der ACLU-Direktor in Oklahoma, Ryan Kiesel. Die Behörden des Staates betonen hingegen, dass nicht das Mittel, sondern die fehlerhafte Verabreichung das Problem bei Locketts Hinrichtung ausgelöst habe.

Doch es war nicht der erste Fall: Bereits im Jänner hatte etwa eine Exekution mit einer neuen Giftmischung im Staat Ohio international Schlagzeilen gemacht. Damals habe der Betroffene insgesamt 25 Minuten mit dem Tod gerungen. Er schnappte nach Luft, machte Würgegeräusche, berichteten Zeugen. Auch hier hatte der Verteidiger vorher vergeblich Einspruch gegen die Verwendung der Ersatzstoffe eingelegt. Die Familie des Hingerichteten reichte später Klage gegen den Bundesstaat Ohio ein.

Elektrischer Stuhl oder Erschießungskommando?

Selbst Unterstützern der Todesstrafe ist die Sache nicht geheuer. Mehrere Bundesstaaten denken deshalb über eine Rückkehr zum elektrischen Stuhl oder zum Erschießungskommando nach. Doch entsprechende Initiativen, etwa in Virginia und Wyoming, scheiterten bisher am Widerstand des Parlaments. Bürgerrechtler hoffen dagegen, dass sich ein ganz anderer Trend fortsetzt: In den letzten Jahren schafften New Mexico, Connecticut und Maryland die Todesstrafe ab. Geht es nach ihnen, sollen möglichst viele der anderen 32 Staaten folgen.

Weißes Haus verlangt „humane“ Vollstreckung

Präsident Barack Obamas Sprecher Jay Carney sagte, selbst wenn die Todesstrafe in einigen Fällen angemessen sei, müsse sie auf humane Weise vollstreckt werden - das sei „grundlegender Standard“ in den Vereinigten Staaten. „Ich denke, jeder würde anerkennen, dass dieser Fall (die Hinrichtung in Oklahoma, Anm.) hinter diesem Standard zurückblieb.“ Eine Untersuchung des Justizministeriums werde es aber vermutlich nicht geben.

Obama glaube nach wie vor, dass die Todesstrafe bei einigen „abscheulichen“ Straftaten angemessen sei, so Carney. Auch Gouverneurin Fallin sagte: „Ich glaube an den Rechtsweg. Und ich glaube, dass die Todesstrafe eine geeignete Strafe für diejenigen ist, die schreckliche Straftaten gegen ihre Mitmenschen begehen.“ Der Staat müsse aber sicherstellen, dass das Protokoll und die Abläufe funktionierten.

UNO verurteilt grausame Hinrichtung

„Die vermasselte Hinrichtung in Oklahoma ist eine weitere traurige Erinnerung daran, wie kaputt unser System der Todesstrafe ist“, teilte dagegen ACLU mit und rief Ohios Gouverneur John Kasich dazu auf, die für den 28. Mai angesetzte Hinrichtung des wegen Mordes verurteilten Arthur Tyler zu stoppen.

Auch die UNO kritisierte die qualvolle Hinrichtung scharf und forderte ein Moratorium für die Todesstrafe. Das Leiden des verurteilten Lockett während seiner Exekution könne im Sinne der internationalen Menschenrechtsgesetze als „grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ betrachtet werden, sagte der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Freitag. Locketts Todeskampf verstoße auch gegen die US-Verfassung, die grausame Strafen verbiete.

Über 3.000 in der Todeszelle

Die USA gehören zu den wenigen Industrienationen, die noch an der Todesstrafe festhalten. In 32 der 50 US-Bundesstaaten sieht das Gesetz diese Strafe für schwere Verbrechen vor. Seit der Oberste Gerichtshof der USA die Todesstrafe 1976 wieder zuließ, wurden nach Angaben des Death Penalty Information Centers (DPIC) fast 1.400 Todesurteile vollstreckt.

Mehr als 140 Gefangene wurden seitdem aus der Todeszelle entlassen, weil sich ihre Unschuld erwiesen hatte. Anfang Oktober 2013 saßen nach DPIC-Angaben 3.088 Todeskandidaten hinter Gittern, die meisten in Kalifornien (741), Florida (412) und Texas (287). Die mit Abstand meisten Exekutionen seit 1976 gab es mit 515 in Texas. Es folgen Virginia (110), Oklahoma (110) und Florida (86) (Stand 24. April). Allerdings geht die Zahl der Hinrichtungen seit Jahren stetig zurück - von 265 im Jahr 1997 auf 80 im Vorjahr. Die allermeisten werden durch eine Giftinjektion getötet.

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