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Stromlieferungen bis in den Jemen

Äthiopien verfolgt einen ambitionierten Plan: Mit dem Grand Renaissance Dam am Blauen Nil will das ostafrikanische Land bis 2025 zum größten Stromexporteur Afrikas aufsteigen. Finanziert werden soll das Projekt aus eigener Kraft, doch Experten fürchten, dass durch das Megaprojekt der Wirtschaftsaufschwung jäh gestoppt werden könnte.

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Die Bauarbeiten im Guba-Tal, an der Grenze zum Sudan, laufen auf Hochtouren. Dort, am Ufer des Blauen Nils, entsteht derzeit das größte Staudammprojekt Afrikas. Bei Fertigstellung soll das Kraftwerk 6.000 Megawatt Strom liefern - so viel wie sechs Atomkraftwerke zusammen. Ende des Jahres sollen die ersten 750 Megawatt Strom ins Netz gespeist werden.

Äthiopiens Aufstieg zur Stromsupermacht

Auf finanzielle Hilfe aus dem Ausland will man gänzlich verzichten. Eine Milliarde Euro sind bereits in das 2,8 Mrd. Euro teure Projekt geflossen. Insgesamt betragen die Kosten allein für das Kraftwerk rund zwölf Prozent des jährlichen Bruttoinlandproduktes (BIP). Daneben entsteht derzeit nahe der Stadt Mekelle auch noch der größte Windpark Afrikas. Derzeit liefert Ashegoda Wind Farm 90 Megawatt, bei Fertigstellung sollen 120 Megawatt Strom produziert werden.

Windpark in Ashegoda

Reuters/Kumerra Gemechu

Riesige Windparks dominieren Äthiopiens kahle Landschaft

Das sind äußerst ambitionierte Projekte für ein Land, dessen BIP sich auf magere 280 Euro pro Kopf beläuft. Doch Äthiopien hofft, dank der Investitionen in grüne Energie bis 2025 den Sprung zu einem Mittelstandstaat zu schaffen. Und die Wirtschaftszahlen der letzten Zahlen verblüfften tatsächlich: Im Durchschnitt betrug das Wirtschaftswachstum in den vergangenen zehn Jahren zwischen acht und zehn Prozent. Das lockte Investoren aus aller Welt in das einst ärmste Land Afrikas.

Angst vor Streit mit Ägypten

Die Gelder für die ehrgeizigen Infrastrukturpläne werden im privaten Sektor eingespart - und das könnte die Regierung teuer zu stehen kommen, warnen Wirtschaftsexperten. Bereits jetzt zeigt sich eine leichte Abschwächung bei den jüngsten Wirtschaftsdaten. Doch die Regierung in Addis Abeba lehnte ausländisches Geld bisher klar ab. Die Angst, dass ein möglicher Streit mit dem Nachbarn Ägypten Investoren vertreiben könnte, ist zu groß. „Wir wollen nicht, dass der Damm unter Druck gerät, vor allem nicht im Stadium der Finanzierung“, erklärte Fakahmed Negash, Direktor im Ministerium für Wasser und Energie gegenüber Reuters.

Und die Sorge ist nicht ganz unberechtigt, denn Ägypten, das sich seit jeher als alleinige Kontrollinstanz über den Nil sah, schäumt. Die Regierung in Kairo fürchtet, der Damm könnte den Nil-Stand beeinflussen. Die rund 90 Millionen Einwohner seien vom Nil-Wasser abhängig, denn sie hätten - im Gegensatz zu den anderen Nil-Anrainerstaaten - keine anderen Wasserquellen zur Verfügung, so das Argument der Regierung.

Banken werden ausgepresst

Zunächst forderte Ägypten den sofortigen Baustopp, als das nichts fruchtete, bot man Äthiopien finanzielle Unterstützung an. Ein Angebot, das Addis Abeba rundheraus ablehnte. Stattdessen übte Äthiopien Druck auf die Banken aus, 27 Prozent ihrer Kreditvolumina dem Staat als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug bot die Regierung Steuererleichterungen an. Gemeinsam mit anderen Projekten zog der Damm jedoch so viel Geld aus dem Finanzsystem ab, dass private Investoren immer schwerer zu Krediten kamen.

Baustelle des Renaissance-Dammes in Äthiopien

Reuters/Tiksa Negeri

Trotz schwieriger Bedingungen soll der Damm bis 2016 fertig werden

Die Situation sei bereits so angespannt, dass das Wirtschaftswachstum gefährdet sei, erklärte der Internationale Währungsfonds (IWF) und senkte die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr auf 7,5 Prozent von 8,5 Prozent im Vorjahr. Die Arbeiten auf der Baustelle sind dadurch jedoch nicht gefährdet. „Wir haben vollstes Vertrauen in die äthiopische Regierung“, erklärte der mit dem Dammbau beauftragte italienische Bauriese Salini Impregilo. Alle Zahlungen seien pünktlich eingetroffen, und man bezweifle nicht, dass auch die restlichen Milliarden einlangen werden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme an Reuters.

Wütende Proteste aus Ägypten verhallen

Geht es nach dem äthiopischen Energieministerium, dann sollen dem Megadamm weitere folgen. In den nächsten 25 Jahren will Äthiopien insgesamt 37.000 Megawatt Strom herstellen - und damit weit mehr als die 28.000 Megawatt, die laut Weltbank derzeit in allen Subsahara-Ländern zusammen (ohne Südafrika) produziert werden. Und die Abnehmer stehen Schlange. Kenia hat bereits einen Vertrag über 400 Megawatt unterzeichnet, ebenso wie Ruanda und Tansania. Über Tiefseekabel soll der Strom letztlich bis in den Jemen geleitet werden.

Ausgerechnet Ägyptens harte Wasserpolitik spielt Äthiopien dabei in die Hände. Kairo hält verbissen an einem Dokument aus dem Jahr 1929 fest. Dieses sieht vor, dass Ägypten und dem Sudan mehr als 80 Prozent des Wassers aus dem Nil zustehen, der durch insgesamt elf Länder fließt. Beide Länder haben auch ein Vetorecht, wenn es um Projekte geht, die den Lauf des Flusses beeinträchtigen oder verändern könnten. Das wollen andere Anrainer ändern. Der Plan für ein gemeinsames Gremium scheiterte bisher an Kairo.

Damm aus der Luft kaum zu zerstören

Der Sturz von Ex-Machthaber Hosni Mubarak und die darauf folgenden Turbulenzen schwächten Ägypten innenpolitisch so stark, dass es bisher keine schlagkräftige Antwort auf die Dammbaupläne vorzuweisen hatte. Langfristig wird Kairo demnach wohl oder übel auf die äthiopische Regierung zugehen müssen. Die Möglichkeiten der ägyptischen Armee sehen Militärexperten jedenfalls als „limitiert“ an. Die US-Denkfabrik Stratfor merkte an, dass allein die Entfernung des Staudamms ein Haupthindernis darstelle. Da Ägypten über keine Möglichkeiten verfüge, seine Militärflugzeuge in der Luft aufzutanken, sei das Hassobjekt zumindest aus der Luft kaum zu zerstören.

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