Themenüberblick

Bei Dreharbeiten in Afrika erkrankt

Der österreichische Filmemacher Michael Glawogger ist tot. Der Regisseur starb in der Nacht auf Mittwoch bei Dreharbeiten in Liberia an Malaria, wie eine Sprecherin der produzierenden Lotus Film gegenüber der APA bestätigte. Er war 54 Jahre alt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Glawoggers aktuelles Dokuprojekt beweist, wie viel Vertrauen die Filmwirtschaft in ihn hatte. Rund ein Jahr lang wollten Glawogger, sein Kameramann Attila Boa und sein Tonmann Manuel Siebert im roten VW-Bus in der Welt unterwegs sein, zunächst Richtung Süden, in Afrika, ohne vorgefertigtes Konzept und ohne Erwartungen. „Es ist eine Carte blanche“, hatte der renommierte Dokumentarfilmer im Dezember kurz vor Beginn der Reise gesagt, „und wir werden mit etwas zurückkehren, wovon wir heute noch nichts wissen.“

Eines der Aushängeschilder des heimischen Films

Glawogger galt seit Beginn der 1990er Jahre als eines der Aushängeschilder des österreichischen Films. Der am 3. Dezember 1959 geborene Grazer studierte am San Francisco Art Institute und an der Wiener Filmakademie. 1989 drehte er mit „Krieg in Wien“ seinen ersten Spielfilm - gemeinsam mit Ulrich Seidl.

Breite Beachtung fand er erstmals mit „Ameisenstraße“ (1995). Nach dem Dokudrama „Kino im Kopf“ (1996) landete er 1998 mit dem Dokumentarfilm „Megacities“ seinen ersten großen internationalen Erfolg. Glawogger näherte sich darin den Metropolen Mumbai, New York, Mexiko-Stadt und Moskau in einem weltumspannenden Porträt und wurde damit als erster österreichischer Film auf dem Sundance Film Festival gezeigt.

Dokus und Komödien

Weniger Beachtung fanden im Vergleich „Frankreich, wir kommen!!!“ (1999) über Österreichs Fußball-WM-Teilnahme aus der Sicht von Fans, und seine Beteiligung am Essayprojekt zur schwarz-blauen Wende, „Zur Lage“ (2002), für das er neben Barbara Albert, Michael Sturminger und Seidl einen Beitrag lieferte. 2003 folgte schließlich seine Pornoklamotte „Nacktschnecken“ mit Michael Ostrowski und Detlev Buck. Seine Arbeit an Spielfilmen setzte er 2006 mit der schwarzen Komödie „Slumming“ mit Paulus Manker und 2009 mit der Haslinger-Verfilmung „Das Vaterspiel“ sowie der „Nacktschnecken“-Fortsetzung „Contact High“ fort.

International für größere Aufmerksamkeit sorgte 2005 dann wieder sein monumentaler Dokumentarfilm „Workingman’s Death“ über die körperliche Schwerstarbeitswelt in Schwellenländern. Gemeinsam mit „Megacities“ und dem 2011 veröffentlichten „Whores’ Glory“ über das Leben von Prostituierten weltweit bildete „Workingman’s Death“ eine Trilogie zum Zustand der Welt um die Jahrtausendwende. Glawoggers Weltreiseprojekt hätte sich hier einreihen sollen.

Eine Reise ohne Ziel

Der ORF war bei der Produktion des Films, der noch keinen Namen hatte, ebenso an Bord wie das ZDF und sieben deutsche und österreichische Förderstellen. Glawogger ging es bei seiner Weltreise um den unverstellten Blick ohne vorgefertigtes Thema, um Neugier und Intuition. Dass dabei am Ende nichts herauskommen werde, glaubte der Regisseur nicht. „Was einen Filmemacher ausmacht, ist, dass er den eigenen Blick fokussieren kann. Ein Scheitern konnte ich mir bei meinen anderen Filmen eher vorstellen.“ Zuversichtlich machte sich Glawogger also auf den Weg ins Ungewisse.

Sein umfassendes Oeuvre wurde zu Lebzeiten ausgiebig gewürdigt. So erhielt „Megacities“ etwa den Wiener Filmpreis, „Workingman’s Death“ den Europäischen und den Deutschen Filmpreis und „Das Vaterspiel“ 2009 den Großen Preis der Diagonale. Zuletzt wurde „Whores’ Glory“ 2011 bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Spezialpreis der Jury in der Reihe Orizzonti ausgezeichnet.

Ostermayer: „Loch in Filmlandschaft“

Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) nannte Glawogger einen „hochangesehenen, international erfolgreichen österreichischen Regisseur, dessen überraschender Tod ein Loch in Österreichs Filmlandschaft reißt“. Glawogger habe es genreunabhängig verstanden, ob bei Komödien oder Dokumentationen, „Menschen mit seinen Filmen gleichermaßen zu berühren, zu unterhalten, aber auch aufzurütteln und auf Missstände aufmerksam zu machen“.

Fassungslos zeigte sich Roland Teichmann, der Direktor des Österreichischen Filminstituts: „Michael Glawogger ist tot! Ich hätte mir nie gedacht, diese Zeile schreiben zu müssen. Und ich kann es auch nicht glauben, aber es ist so!“ Der österreichische Film verliere einen seiner prononciertesten Filmemacher, einen, der sich nie einordnen habe lassen und der ein filmisches Werk hinterlasse, dass in den Kanon des Weltkinos eingegangen sei.

Links: