Ohne Träger geht nichts
Seit der Neuseeländer Edmund Hillary (1919 bis 2008) und der Nepalese Tenzing Norgay (1914 bis 1986) am 29. Mai 1953 als erste Menschen den höchsten Punkt der Erde erreicht hatten, sind schon Tausende Menschen auf dem Gipfel des Mount Everest gestanden. Die meisten von ihnen mussten ihre Spur nicht selbst legen, Seile spannen, Zelte bauen und Sauerstoff hinauftragen.
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„In der Tat schaut das so aus, dass im Vorfeld Hundertschaften von einheimischen Sherpas aufsteigen und vom Basislager, vom Beginn des Aufstiegs bis zum Gipfel, einen Klettersteig anlegen“, sagte Bergsteiger Reinhold Messner. Auf dieser „Piste zum Gipfel“ stiegen dann die Touristen hinauf. 99,9 Prozent von ihnen würden es allein nicht schaffen, sagte Messner, der 1980 den Everest als Erster im Alleingang erklomm.
Hillary Step
Der nach dem Erstbesteiger benannte Hillary Step ist eine zwölf Meter hohe Felsstufe - das letzte Hindernis auf dem Weg zum 8.848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest.
Leitern sollen Besteigung erleichtern
Das sieht auch der nepalesische Träger Temba Chirri so, der im Alter von 16 Jahren oben stand. „Heute klettert man nicht mehr.“ Jährlich versuchen Hunderte Bergsteiger den strapaziösen Aufstieg zum „Dach der Welt“. Wegen des großen Andrangs erwägt die nepalesische Regierung unterdessen die Installation von Leitern unter dem Gipfel des Mount Everest.

AP/Gopal Chitrakar
Für viele ist der Everest heute ein Tourismusberg wie einst die Alpen-Gipfel
„Es gibt einen Stau auf dem Hillary Step in der Hauptsaison von April bis Juni, und daher ziehen wir in Betracht, dort Leitern anzubringen“, sagte der Sprecher des Tourismusministeriums, Mohan Krishna Sapkota. Wann das geschehen solle, sei noch unklar. Expeditionsleiter hatten in der vergangenen Woche bereits angekündigt, an schwierigen Passagen zusätzliche Seile zu befestigen, um lange Wartezeiten für die Bergsteiger zu verhindern.
Soldaten als Streitschlichter
Den großen Andrang auf dem Mount Everest betrachten viele inzwischen mit Sorge. Im vergangenen Sommer lieferten sich europäische Bergsteiger und einheimische Träger eine Schlägerei. Ein Schweizer, ein Italiener und ein Brite hatten laut Medienberichten nicht gewartet, bis die Träger die Fixseile angebracht hatten, sondern waren vorbeigeklettert. Dabei sollen Eisbrocken auf die Nepalesen gefallen sein. Am Abend gingen die Träger dann auf die Touristen los.
„Der Everest ist nicht nur ein Berg für Klienten und Guides“, beschwerte sich der Bergsteiger Simone Moro im „National Geographic“, er habe dabei um sein Leben gefürchtet. Die Regierung in Kathmandu kündigte in der Folge an, Soldaten und Polizisten als Streitschlichter in den Basislagern zu stationieren.
„Heute ist alles ein Geschäft“
„Heute ist alles ein Geschäft“, so Moro. Dabei werde viel zu oft die gegenseitige Abhängigkeit vergessen: Ohne Träger komme keiner auf den Everest, und ohne Touristen hätten die Einheimischen keine Arbeit. Das war bei der Erstbesteigung 1953 nicht anders und auch in den Jahrzehnten danach, als die Expeditionen riesige Materialschlachten wurden: Eine Gruppe Japaner hatte auf dem zweithöchsten Berg der Welt (K2) 1.200 Träger dabei.
Auch einige Träger beklagen die Kommerzialisierung. „Sie beten nicht einmal mehr, ehe sie losgehen“, sagte Tashi Jangbu Sherpa, der einstige Präsident der nepalesischen Bergsteigervereinigung. Der Everest, den die Einheimischen Chomolungma nennen, sei für sie die Gottesmutter auf Erden, die vor dem Aufstieg um Vergebung gebeten werden müsse.
„Schier unendlich große Nachfrage“
Doch für viele ist der Everest heute ein Tourismusberg, so wie es die Alpen schon seit mehr als 100 Jahren sind: Möglichst jeder, der das möchte, soll die Berge genießen können. „Und für dieses Angebot gibt es eine schier unendlich große Nachfrage weltweit“, sagte Messner, „weil alle, die einmal auf irgendeinen Hügel gestiegen sind, zuletzt natürlich auch auf den Everest wollen.“
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