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Überlebende erheben schwere Vorwürfe

Langsam schwindet die Hoffnung, noch Überlebende aus dem Rumpf der am Mittwoch gesunkenen Fähre „Sewol“ vor Südkorea zu finden. Rund 290 Menschen, darunter viele Schüler, werden immer noch vermisst. Sie sollen sich einem Befehl der Crew folgend unter Deck aufgehalten haben, als das Schiff sank. Nun werden Vorwürfe laut, dass der Befehl zur Evakuierung viel zu spät erfolgt sei.

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Es habe keine sofortigen Evakuierungsmaßnahmen gegeben, als die Fähre mit 475 Passagieren an Bord vor der Südwestküste Südkoreas zu sinken begann, erzählte Oh Yong Seok, ein Besatzungsmitglied, der Nachrichtenagentur AP am Donnerstag. Denn die Offiziere auf der Brücke hätten noch rund einen halbe Stunde lang versucht, das Schiff zu stabilisieren, nachdem es langsam Schlagseite bekommen habe.

„Wir konnten uns keinen Schritt bewegen“

Die erste Durchsage von Kapitän Lee Joon Seok habe gelautet, dass alle Personen Schwimmwesten anlegen und auf ihren Plätzen bleiben sollten. Wegen des schlechten Wetters seien viele Schüler jedoch unter Deck gewesen, als die Katastrophe geschah. „Erst einen halbe Stunde später erfolgte der Befehl zur Evakuierung“, sagte Oh.

Karte von Südkorea

APA/ORF.at

Das Unglück ereignete sich auf der Fahrt zur Ferieninsel Jeju

Doch zu diesem Zeitpunkt sei die Krängung des Schiffes bereits so stark gewesen, dass die Besatzungsmitglieder nicht mehr zu den Passagierräumen gelangen konnten. „Wir konnten uns keinen Schritt bewegen. Die Steigung war so steil“, sagte Oh, der sich mit einem Dutzend anderer Crewmitglieder, darunter auch der Kapitän, retten konnte.

Viele im Inneren gefangen

Koo Bon Hee, ein Passagier des Schiffs, erzählte nach seiner Rettung, viele Personen seien im Inneren des Schiffs gefangen gewesen, da sich die Fenster nicht einschlagen ließen. Auch er hätte sich eigentlich früher ins Freie retten wollen, doch die Passagiere seien per Durchsage dazu aufgefordert worden, im Schiff zu bleiben. „Die Rettung war schlecht organisiert. Wir hatten alle Rettungswesten an. Und wir hatten Zeit“, erzählte Koo der AP. „Wären die Menschen ins Wasser gesprungen, hätten sie gerettet werden können. Aber wir wurden davon abgehalten.“

Ob der Kapitän falsch gehandelt hat, ist noch Gegenstand von Untersuchungen. Er könnte tatsächlich zu dem Zeitpunkt noch geglaubt haben, dass er das Schiff wieder unter Kontrolle bekommt und eine Evakuierung nicht notwendig ist.

Textnachricht gibt Hoffnung

Unterdessen haben sich viele Angehörige der Kinder am Ufer der südkoreanischen Insel Jindo eingefunden, von wo aus noch die aus dem Wasser ragende blaue Spitze des Schiffrumpfes zu sehen ist. 400 Helfer suchen im Meer rund um das Wrack nach Opfern. Starke Strömung und schlechte Sicht erschweren die Arbeiten aber erheblich. Neun Leichen wurden bisher geborgen.

Angehörige blicken aufs Meer

APA/EPA/YONHAP

Angehörige und Überlebende geben die Hoffnung noch nicht auf

Ein Sprecher der Küstenwache zeigte sich wenig hoffnungsvoll, noch Überlebende des schweren Unglücks zu finden. Die Chancen lägen bei „fast null“, sagte er. Rätsel gibt jedoch die Kurznachricht eines der Schüler an Bord auf, die Stunden nach dem Unglück eingegangen sein soll. Darin berichtet der Schüler, es gebe weder Telefonverbindung noch Internet, wie CNN berichtet. „Es sind einige Menschen im Schiff, kann nichts sehen, total finster. Es sind ein paar Männer und Frauen hier, Frauen schreien“, heißt es in der Textnachricht. Ob es sich tatsächlich um eine Nachricht eines Überlebenden handelt, konnte aber bisher noch nicht bestätigt werden.

Wütende Eltern ohrfeigen Premier

Die Verzweiflung bei manchen Eltern schlug am Donnerstag in pure Wut um. So wurde der südkoreanische Premierminister Chung Hong Won, der den Betroffenen am Gynasium Jindo sein Beileid aussprechen wollte, von Angehörigen der Opfer attackiert. „Wie können Sie mit hoch erhobenen Kopf hierherkommen?“, schrien ihn die Eltern an. Auch andere Regierungsmitglieder wurden geohrfeigt und geschlagen, als sie mit den Angehörigen über die aktuelle Lage sprechen wollten.

Südkoreas Premier Chung Hong-won wird mit einer Wasserflasche attackiert

APA/EPA/YONHAP

Wütende Angehörige bewerfen den Premier mit Wasserflaschen

Staatspräsidentin Park Geun Hye besuchte am Donnerstag die Unglücksstelle. Angesichts des kalten Wassers sei „jede Minute kritisch, falls es Überlebende gibt“, sagte Park laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap an Bord eines Schiffes nahe der Unfallstelle vor der Südwestküste.

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