Aufregung nach Aufdeckerbeitrag
Nach verdeckten Recherchen beim Onlinemodehändler Zalando hat die Erfurter Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen eine RTL-Reporterin aufgenommen. Die Journalistin hatte drei Monate im Erfurter Zalando-Logistikzentrum gearbeitet.
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In Sozialen Medien kämpft der Konzern im Moment freilich mit einem Sturm der Entrüstung, der sich möglicherweise so schnell nicht eindämmen lassen wird. Ermittelt werde nach einer entsprechenden Anzeige von Zalando, sagte eine Sprecherin der Behörde am Mittwoch auf Anfrage. Das Verfahren stehe noch am Anfang. RTL gibt sich auf die Nachricht über die Ermittlungen hin betont entspannt: Ein RTL-Sprecher sagte, juristischen Schritten sehe sein Sender gelassen entgegen.

Reproduktion facebook.com/ORF.at
Die Aufregung auf der Facebook-Seite von Zalando ist auch am Mittwoch groß
RTL: Angestellte massiv unter Druck gesetzt
Die Reporterin warf Zalando in der Sendung „Extra“ vor, dass im Logistiklager Erfurt Angestellte massiv unter Druck gesetzt würden. Mitarbeiter sollen überwacht und bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit gebracht worden sein. Eine Zalando-Sprecherin wies die Vorwürfe zurück. Die Darstellung des Berichts entspreche in keiner Weise der Unternehmenskultur und Mitarbeiterstimmung an den Zalando-Logistikstandorten. Auf der Website des Konzerns versucht man die Fragen, die der Bericht aufwerfe, zu beantworten.
Verlinkt ist dieser Beitrag auch auf dem Facebook-Profil von Zalando, wo sich der Konzern mit einer Vielzahl erboster Postings herumschlagen muss. Immerhin zeigt sich der Konzern mutig genug, die Postings, auf denen auch das Zalando-Logo in „Sklavando“ abgewandelt wurde, stehen zu lassen.
Vorwurf: Interne Prozesse gefilmt
Laut der Unternehmenssprecherin hat die Journalistin drei Monate lang im Logistikzentrum in Erfurt Filmmaterial interner Prozesse gesammelt. Zalando habe vor dem Fernsehbericht keine Chance zur Stellungnahme bekommen. „Unsere Reporter werden weiter verfolgen, ob die von Zalando angekündigten Überprüfungen zu Veränderungen geführt haben“, sagte der RTL-Sprecher. „Darüber berichten wir weiter.“
Die junge RTL-Journalistin Caro Lobig, die sich als Lagerarbeiterin in Erfurt beworben hatte, bekam für ihre Arbeit auch Unterstützung vom Aufdecker-„Papst“ Günter Wallraff. Ausgestattet war sie unter anderem mit einem Schrittzähler. Laut RTL-Recherche sei sie am Tag bis zu 27 Kilometer zu Fuß unterwegs gewesen.
Überwacht via Produktscanner?
Für Bestellungen soll sie aus Hunderten von Regalmetern Produkte zusammengesammelt haben und mit Hilfe ihres Produktscanners überwacht worden sein. Aus den Daten sollen die Vorgesetzten die Schnelligkeit der „Picker“, so die Bezeichnung für diese Tätigkeit, abgelesen haben. Ein im Beitrag zitierter Arbeitsrechtler sah darin datenschutzrechtliche Probleme. Ein anderer anonym zitierter Lagermitarbeiter zog in dem Beitrag Vergleiche zur Stasi.
Thüringer Datenschützer kündigten am Mittwoch an, den Umgang mit Mitarbeitern im Logistikzentrum überprüfen zu wollen. Es solle herausgefunden werden, wer beim Unternehmen auf welche Daten Zugriff habe und wofür diese Informationen genutzt würden, sagte der Thüringer Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse der „Thüringischen Landeszeitung“.
Der Beitrag erinnert an Aufdeckerrecherchen zu Amazon, wo ein Bericht über Arbeitszustände zu Bestellboykott-Aufrufen in Sozialen Netzwerken geführt hatte. Amazon hatte die Aufregung in Twitter und Facebook mit einer „Teflonstrategie“ überstanden bzw. ausgesessen.
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