Kritik an mangelnder Transparenz
In Sachen Lobbyismus in der EU dominiert in Brüssel die Finanzindustrie, wie die Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) in einer neuen Studie darstellt. Aufgrund finanzieller und personeller Mittel ist deren Feuerkraft im Gegensatz zu anderen Bereichen immens. Rund 700 Organisationen nehmen Einfluss auf EU-Institutionen.
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Im Zuge der Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) zählte die Organisation mit Sitz in Brüssel 1.700 Lobbyisten, die im Auftrag von Banken und Finanzmärkten aktiv sind. 450 dieser Lobbygruppen seien nicht im EU-Transparenzregister registriert, stellt die NGO, die sich gegen die Macht der Wirtschaftslobbys einsetzt, dar. Augenscheinlich wird die Dominanz des Finanzsektors beim Vergleich der finanziellen Mittel.
Die Finanzindustrie gibt den Angaben der Studie zufolge jährlich 123 Mio. Euro für Lobbying aus - das Budget von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Konsumentenvertretern zusammen beläuft sich mit vier Mio. Euro gerade einmal auf ein knappes Dreißigstel davon. Auch die Anzahl der Interessenvertreter der Finanzindustrie übersteigt jene anderer Gruppen deutlich. Weniger als ein Fünftel aller Lobbygruppen arbeiten im Auftrag von Gewerkschaften oder NGOs.
Rolle von EU-nahen Expertengruppen
Zudem werteten die CEO-Experten das offizielle Lobbyregister aus und erfassten, welche PR-Firmen und Kanzleien für die Branche arbeiten. Die Aktivisten kommen auf 1.250 offiziell erfasste Vertreter und geschätzt 450 nicht registrierte Lobbyisten. Entscheidend seien aber nicht nur die Lobbyisten - ob registriert oder nicht registriert -, sondern auch die Expertengruppen, die die EU-Institutionen beraten, wie es in der Studie heißt. Sie haben einen großen Einfluss auf die Entscheidungen in der EU.

Tobias Pehböck
Im Umkreis der EU-Einrichtungen haben viele Lobbyorganisationen ihre Büros
Diesen EU-nahen Einfluss übten ebenfalls mehrheitlich Interessengruppen mit Vertretern der Industrie, der Finanzwirtschaft und der vier großen Wirtschaftsprüfungsfirmen aus, wie AK-Direktor Werner Muhm bei der Präsentation der CEO-Studie in Wien erklärte. Generell sei in Sachen EU-Lobbying volle „Transparenz und Kontrolle“ nötig, zudem für die Zukunft eine ausgewogene Besetzung der Posten, in der sich die Interessen von Arbeitnehmern und Konsumenten widerspiegeln.
Bankenregulierung „schwach und löchrig“
Dass es Lücken bei der Kontrolle gebe, erkläre AK-Direktor Muhm zufolge auch, warum die Bankenregulierung seit Ausbruch der Wirtschaftskrise zwar gekommen sei, aber nur „schwach und löchrig“. Dabei hatte das EU-Parlament die Finanzierung der verschiedenen Expertengruppen von Bedingungen abhängig gemacht, wie AK-Experte Lukas Oberndorfer erinnerte.
Die Wirtschaftsinteressen sollten nicht dominieren, Experten sollten nicht zugleich Lobbyisten sein, neue Einstellungen sollten ausgeschrieben werden, und Protokolle und Tagesordnungen sollten transparent sein. In Wahrheit würden aber mehr als die Hälfte der Experten Interessen der Großunternehmen repräsentieren, gut 60 Prozent der neuen Gruppen entstanden ohne öffentliche Ausschreibung, auch bei der Transparenz der Dokumente sei „vieles im Argen“, so der AK-EU-Experte.
20 österreichische Gruppen - auch AK lobbyiert
„Angesichts dieser Zahlen wundert es wenig, dass die längst fälligen Reformen der Finanzmärkte ständig verzögert und verwässert werden“, kritisierte Oberhauser. „Die Feuerkraft der Finanzlobby ist auch aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten um ein Vielfaches höher als der Einfluss, den Gewerkschaften und NGOs in Brüssel haben.“ Unter den Lobbyisten hat die Studie die meisten Organisationen aus Großbritannien (140) und Deutschland (80) identifiziert.
Für österreichische Finanzorganisationen setzen sich demnach 20 Gruppierungen ein. Auch die Arbeiterkammer selbst ist als Lobbyist sehr aktiv. Bei den Kontakten mit EU-Institutionen gehöre die AK zu den Top 50 in Brüssel, so Muhm. In drei Expertenkommissionen seien AK-Vertreter dabei. Die AK ist im Transparenzregister eingetragen und lässt sich das Büro in Brüssel 700.000 Euro jährlich kosten.
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