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Turtschinow: Aktion beenden

Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat den Separatisten im Osten des Landes Straffreiheit zugesagt, wenn sie ihre Aktionen beenden. Die prorussischen Kräfte würden nicht angeklagt, insofern sie ihre Waffen abgäben und die besetzten Regierungsgebäude verließen, sagte Turtschinow am Donnerstag.

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Am Mittwoch hatte die Regierung in Kiew den Separatisten ein Ultimatum von 48 Stunden gestellt, ihre Aktionen zu beenden. Andernfalls drohe ein gewaltsames Ende. Die prorussischen Kräfte fordern nach dem Vorbild der Halbinsel Krim eine Abspaltung der russisch geprägten ostukrainischen Gebiete. Der Westen wirft Russland vor, hinter den Aktionen zu stehen.

Moskau nimmt NATO ins Visier

Russland erhebt währenddessen schwere Vorwürfe gegen die NATO. Das westliche Verteidigungsbündnis versuche, sich den Konflikt als Beweis für seine Existenzberechtigung zunutze zu machen, erklärte das Außenministerium in Moskau am Donnerstag. Die NATO bemühe eine „imaginäre äußere Bedrohung“ von Mitgliedsstaaten, um die Bedeutung der Allianz im 21. Jahrhundert zu unterstreichen. Darauf deuteten die „kontinuierlichen Angriffe“ von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hin. Rasmussen habe in der Ukraine-Frage bisher keine konstruktiven Vorschläge gemacht und trage damit zur instabilen Lage in der Region bei.

Der Anschluss der bisher ukrainischen Halbinsel Krim an Russland hat zu den größten Ost-West-Spannungen seit dem Kalten Krieg geführt. Rasmussen forderte den Abzug russischer Truppen von den Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik und warnte die Regierung in Moskau vor weiteren Schritten. Die NATO stellte zudem ihre Kooperation mit Russland ein. Unruhen in der Ostukraine schürten zuletzt im Westen Sorgen, Russland könnte auch ein Auge auf diesen Teil der Ukraine geworfen haben. Wie auf der Krim hat dort ein Teil der Bevölkerung russische Wurzeln.

Schuwalow: Ukraine nicht in Richtung Westen zerren

Der russische Vizeministerpräsident Igor Schuwalow kritisierte unterdessen Sanktionen gegen sein Land als sinnlos und betonte den Willen zu einer Partnerschaft mit dem Westen. „Je striktere Sanktionen verhängt werden, desto fester wird die russische Gesellschaft sich verhalten“, sagte Schuwalow am Donnerstag bei einer Wirtschaftskonferenz in Berlin. Drohungen würden weder Präsident Wladimir Putin noch andere zu einer Haltung bringen, wie die USA oder Deutschland oder andere westliche Partner es sich wünschten. Er warnte zudem davor, die Ukraine in die westliche Richtung zerren zu wollen. Das sei „regelrecht verbrecherisch“.

Moskau nimmt höheres Defizit für Krim in Kauf

Für dringend erforderliche Investitionen auf der Krim erwägt die russische Regierung, ein höheres Haushaltsdefizit in Kauf zu nehmen. „Wenn ein Land zwei Millionen neue Menschen bekommt sowie zwei Territorien, die große Investitionen brauchen, kann das nicht gehen, indem nur Ausgaben innerhalb von existierenden Staatsprogrammen umverteilt werden“, sagte Schuwalow am Donnerstag der Zeitung „Die Welt“ (Onlineausgabe).

Bisher dürfe das Defizit im russischen Staatshaushalt nicht mehr als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen, heißt es in dem Bericht. „Ich finde es gerecht, dass diese Regel für zwei Millionen neue russische Staatsbürger auf der Krim geändert wird“, sagte Schuwalow. „Die Infrastruktur, Straßen und Häfen auf der Krim brauchen ernsthafte Investitionen.“ Nach Angaben des Vizeregierungschefs wird die russische Staatsverschuldung voraussichtlich steigen. Sie sei sehr niedrig, „unter den niedrigsten in Europa“, so Schuwalow. „Ich glaube, unter solchen Bedingungen können wir sie ein wenig erhöhen.“ Eine andere Quelle des Geldes für die Krim könnten russische Reservefonds sein. Das hänge davon ab, welche Variante günstiger sei.

OSZE macht Ausweitung von Finanzierung abhängig

Eine personelle Ausweitung ihrer Beobachtermission in der Ukraine macht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) von entsprechenden Geldern abhängig. So sei noch nicht einmal die Finanzierung des Einsatzes der jetzt rund 120 Beobachter geklärt, sagte der bisherige Leiter der Mission, Adam Kobieracki, am Donnerstag vor dem Ständigen Rat der OSZE in Wien.

Die OSZE empfehle eine Aufstockung um weitere 100 Beobachter. Erst am Mittwoch hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dafür ausgesprochen, zur Analyse der Lage die Mission auf eine Stärke von 500 Experten auszuweiten. Nach Einschätzung des OSZE-Sonderbeauftragten Tim Guldimann herrscht in der Bevölkerung tiefstes Misstrauen gegenüber Sicherheitskräften.

Australien: Russland bei G-20-Treffen dabei

Russland wird laut australischen Angaben trotz des Ukraine-Konflikts am Treffen der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) im November in Brisbane teilnehmen. „Natürlich wird Russland mit am Tisch sitzen“, sagte Finanzminister Joe Hockey am Donnerstag im TV-Sender CNBC. Zwar werde auch über die Ukraine gesprochen. Das Thema werde das Treffen aber nicht beherrschen, weil es sich um ein Wirtschaftsforum handle. Es gehe vor allem um die Frage, wie die Weltwirtschaft wachsen könne. Russland traf sich bisher regelmäßig mit den führenden Industrienationen der G-7-Gruppe. Wegen der Eingliederung der Krim liegt das G-8-Forum aber auf Eis.

Kiew: Zweifel an Hergang von Maidan-Morden

Sieben Wochen nach der Erschießung von Demonstranten in Kiew wachsen laut dem ARD-Magazin „Monitor“ Zweifel an der offiziellen Version der Ereignisse. Die ukrainische Regierung und Staatsanwaltschaft machen eine Einheit der inzwischen aufgelösten Sonderpolizei Berkut (Steinadler) für die Morde an den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) verantwortlich. Die Vorgänge hatten zum Sturz der Regierung von Viktor Janukowitsch geführt.

Bei den Protesten waren an verschiedenen Tagen insgesamt rund 100 Menschen getötet worden. Laut „Monitor“ (Sendung am Donnerstagabend) bezweifelt ein an den Untersuchungen beteiligter Ermittler die Version von der Alleinschuld der Berkut. Auf Videos sei zu erkennen, dass Oppositionelle auch vom Hotel „Ukraina“ aus beschossen worden seien, das in der Hand der Oppositionellen gewesen sei. Ein Augenzeuge bestätige das. Ein Amateurmitschnitt des Funkverkehrs von Scharfschützen lege zudem nahe, dass verschiedene Gruppen von Scharfschützen geschossen hätten.

Anwälte von Verwundeten beklagten laut „Monitor“, dass ihnen die Ergebnisse der Ermittlungen vorenthalten würden. „Wir haben nicht gesagt bekommen, welcher Typ Waffen verwendet wurde, wir bekommen keinen Zugang zu den Gutachten, wir bekommen die Einsatzpläne nicht“, sagte ein Anwalt demnach. Die Staatsanwaltschaft sei parteiisch.

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