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Ein künstlerisches Handwerk

13 chinesische Maler, davon fünf Professoren, fünf Lehrer und drei Studenten, befinden sich zurzeit auf Weltreise. Sie sind in einigen der größten Museen zu Gast und fertigen Kopien von einigen der berühmtesten Ölgemälde der Kunstgeschichte an. Noch bis Ende der Woche können sie im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) beobachtet werden.

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Professor Yang Feiyung von der chinesischen Akademie für Ölmalerei hat einen Großteil der Reise für die ganze Gruppe finanziert. Du Hai, der sie gemeinsam mit ihm organisierte und ORF.at bei den Gesprächen mit den Künstlern als Übersetzer zur Verfügung stand, deutet an, dass man sich trotzdem keine Sorgen machen muss: Ein Bild des Professors wurde für eine gute Million Euro versteigert, erst unlängst ein weiteres für umgerechnet 250.000 Euro. Der Professor ist in China ein Star.

Allerdings verdiente er sich seinen Ruhm mit dem Ausarbeiten eigener Motive. Die Kopien fertigt er nur zu Studienzwecken an. Originale aus westlichen Museen finden ihren Weg kaum je nach China. Zurück an der Akademie soll Schülern die Technik von Malern wie Velazquez, Tizian und Hans Holbein anhand der von Meisterhand gefertigten Reproduktionen beigebracht werden. Normalerweise sitzen sie vor Fotos. Das sei nicht dasselbe, sagt Professor Yang.

Chinesischer Künstler im Kunsthistorischen Museum

ORF.at/Dominique Hammer

Professor Yang bei der Arbeit

Die Kommerzkopierer von Dafen

Über Kopisten aus China ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Im Künstlerdorf Dafen leben an die 10.000 Maler, die massenweise Alte Meister und moderne Kunst kopieren, um die Bilder dann für einen Spottpreis im Internet zu verkaufen. Darauf angesprochen halten der Professor und der Übersetzer kurz Konferenz und lachen herzlich. Offenbar heißt Dafen, ein wenig anders ausgesprochen, in einem Dialekt des Chinesischen „Scheiße“. Das passe ganz gut zum Business der Kommerzkopierer, meint Yang.

Schon zuvor hatte Yang das philosophische Prinzip von Yin und Yang erläutert, und er bemüht sich auch, dem Phänomen Dafen eine positive Seite abzuringen. In China entstehe durch den Wirtschaftsaufschwung rasant eine neue Mittelschicht. Die seien nicht so reich, um teure Originale zu kaufen, wollten aber auch westliche Kunst in ihren Wohnzimmern zur Schau stellen. Die Kopierer hätten da schon eine Funktion. Und je weiter Ölgemälde als Kulturgut verbreitet seien, desto besser.

Junge Künstler als arme Schlucker

Die drei Studenten, die mitgekommen sind, wirken recht unterschiedlich. Der eine, mit Curt-Cobain-T-Shirt und Haarreifen, kopiert Velazquez. Der zweite, ernst, adrett gekleidet wie die Professoren, malt Frans Hals’ „Bildnis eines jungen Mannes“ ab. Der dritte, mit Military-Kapperl, das Hemd hängt aus der Hose, ist der Intellektuelle der jungen Truppe. Im Gespräch mit ORF.at gibt er sich feinsinnig und philosophisch. Er wägt jede Antwort sorgfältig ab.

Chinesischer Künstler im Kunsthistorischen Museum

ORF.at/Dominique Hammer

You Yong: Kunst, nicht Kommerz

Ob es jungen Künstlern in China auch so gehe wie jenen in Europa? Große Ideen, noch größere Ambitionen, aber trotz viel Talents kein Cent in der Börse? „Ja“, sagt You Yong, das sei ganz genauso und gleichzeitig völlig egal. Mit Kunst würden sich hauptsächlich intelligente Menschen beschäftigen. Und irgendwie schaffe man es als solcher schon, sich von hier und da genug Geld zum Leben zu organisieren.

Drei Tage statt ein Jahr

Aber wenn es doch so leicht wäre, wie die Maler von Dafen mit dem Replizieren von Gemälden ordentlich zu verdienen? Das Verhalten der Kopierer von Dafen habe mit Kunst nichts zu tun, sagt You, nicht ohne gleich nachzuschießen: Aber er wolle niemanden verurteilen, er respektiere diese Menschen. Nur - er selbst wolle so nicht leben. Ihm gehe es um die Kunst, darum, Gefühle auszudrücken. Diese Gefühle studiere er auch gern an den Alten Meistern. In seinen eigenen Bildern verfolge er jedoch modernen Realismus.

Ganz ähnlich hatte es zuvor Professor Yang formuliert. Auf die Frage, wie es denn möglich sei, dass er in drei Tagen das Bild eines Alten Meisters kopieren könne, der daran ein Jahr lang gearbeitet hatte, antwortet er: Es gehe hier ja nicht darum, jedes Detail 1:1 wiederzugeben. Das Gefühl, das Wesen eines Bildes wolle er einfangen. Grundsätzlich arbeite er aber ähnlich wie die Meister selbst: Schicht für Schicht. Als Laie ist man über die große Ähnlichkeit zum Original erstaunt. Es ist faszinierend, mitanzusehen, wie konzentriert und rasch die chinesischen Künstler malen.

Bild eines chinesischen Künstlers neben dem Original im Kunsthistorischen Museum

ORF.at/Dominique Hammer

Original und Kopie: Frans Hals’ „Bildnis eines jungen Mannes“

Die „missverstandene“ Freiheit der Kunst

Die Jungen will man nach Zensur und der Verfolgung kritischer Künstler ja nicht fragen, um sie nicht in die Bredouille zu bringen. Aber der Professor wird schon wissen, was er sagen darf und was nicht. Und er hat zum Thema „Freiheit der Kunst“ auch eine dezidierte Meinung. Freiheit werde oft missverstanden als die Freiheit zu Verführen. Wer sich an die Gesetze halte, könne schließlich machen, was er wolle. Er sei mit der momentanen politischen Situation zufrieden.

Zu viele Künstler würden zu viel ans Geldverdienen denken, sagt Yang. Und wenn sich moderne Kunst besser verkaufen lasse, dann würden sie auch moderne Kunst machen. Ein Großteil davon sei aber qualitativ minderwertige Arbeit. Es würde auf die Kultur vergessen. Er - und mit ihm die Akademie - würde die Liebe zur Kunst und zur Achtung der Tradition in den Vordergrund rücken.

Chinesische Künstlerin im Kunsthistorischen Museum

ORF.at/Dominique Hammer

Tong Xianghong kopiert Tizians „Madonna mit Kind und Heiligen“

„Aus Kunst entsteht Einheit“

Auch Yangs Frau unterrichtet Kunst. Tong Xianghong kopiert im KHM Tizians „Madonna mit Kind und Heiligen“. Die Frage, ob Frauen in der akademischen chinesischen Kunstszene benachteiligt sind, beantwortet sie diplomatisch: Sie selbst jedenfalls nicht, sie sei ja die Gattin des Professors und früher seine Studentin gewesen. Aber es würden schon deutlich mehr Männer als Frauen in diesem Bereich arbeiten.

Aus der Kunst entstehe schließlich Einheit, so Tong, und im Vordergrund stehe die Qualität der Arbeit. Von der Qualität der Arbeit der Künstler kann man sich im KHM noch bis Sonntag überzeugen. Hobbymaler seien vorgewarnt: Dieses Tempo, diese Präzision und diese Ergebnisse könnten zu Selbstzweifeln führen, die man so schnell nicht wieder los wird.

Simon Hadler, ORF.at

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