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„Krieg gegen Umweltverschmutzung“

Bereits in zehn und nicht wie ursprünglich geplant in 25 Jahren soll in China das erste kommerzielle AKW ans Netz gehen, bei dem nicht Uran, sondern das ebenfalls radioaktive Element Thorium als Brennelement zum Einsatz kommt. China setzt dabei zwar nicht auf eine grundsätzlich neue Technologie - erwartet wird dennoch eine Revolution in Sachen Atomstrom.

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Der deutlich verkürzte Zeitplan in dem bereits zuvor großangelegten Thorium-Projekt wurde von Premier Li Kepiang zuletzt im Rahmen des gleichzeitig ausgerufenen „Krieges gegen die Umweltverschmutzung“ angekündigt. Dank Atomstrom will China das derzeit ausufernde Smog-Problem in den Griff bekommen. Nach Angaben des Branchenmagazins „Power Engineering International Magazine“ („PEi“) sollen zunächst noch herkömmliche Uranreaktoren gebaut werden. Seine Atomstromzukunft sieht China dennoch bei Thorium, wobei hier gleich eine Reihe von Faktoren eine zentrale Rolle spielen.

Drittgrößte Vorkommen in China vermutet

Zum Tragen kommt hier etwa die von China angestrebte Unabhängigkeit von Rohstoffimporten, und in diesem Zusammenhang die reichen Thorium-Vorkommen des Landes, die zu den drittgrößten weltweit gezählt werden. Ungeachtet einer Reihe eingestampfter Projekte in anderen Ländern, zeigt sich China aber auch davon überzeugt, dass mit auf Thorium basierenden Atomkraftwerken weit effizienter und sicherer als mit Uran Energie erzeugt werden kann. Sollte das Projekt gelingen - so Beobachter -, könne China somit auch auf einen zukunftsträchtigen Technologievorsprung hoffen.

Thorium-Pellets

Corbis/Pallava Bagla

Auch für Indien die atomare Zukunft: Thorium-Pellets im Atomzentrum BARC in Mumbai

Zunächst mit 140 Wissenschaftlern und einem Budget von umgerechnet rund 250 Millionen Euro gestartet, soll das seit dem Vorjahr unter der Führung des Shanghai Institute of Nuclear and Applied Physics (SINAP) laufende Thorium-Projekt nun jedenfalls massiv ausgebaut werden. Im britischen „Telegraph“ ist etwa von 750 Mitarbeitern bis 2015 die Rede, wobei diese Zahl angesichts des nun deutlich verkürzten Zeitplans noch weit überschritten werden dürfte.

Indien verkündet ersten Durchbruch

Neben China setzt auch Indien auf thoriumbasierte Nukleartechnologie, wobei vom zuständigen Bhamha Atomic Research Centre (BARC) in Mumbai zuletzt mit der Fertigstellung eines ersten Testreaktor ein als entscheidend bezeichneter Durchbruch verkündet wurde. Laut „India Today“ wird es zwar noch mindestens sieben bis acht Jahre dauern, „um ein einziges Megawatt an Elektrizität durch den weltweit ersten thoriumbasierten Reaktor zu produzieren“. Doch am Erfolg der Technologie hat man aber - so wie in China auch - bereits jetzt kaum Zweifel. Vielmehr sei die Technik „dermaßen verlässlich, dass künftig Thorium-Reaktoren inmitten von Metropolen wie Mumbai und Delhi aufgestellt werden könnten“, wie der Chef der indischen Atomenergiekommission, Ratan Kumar Sinha, vom Technologieportal Gulli zitiert wird.

Ob es sich bei Thorium tatsächlich um die „nukleare Zukunft“ (Zitat Onlineblog Final Frontier, Anm.) handelt, bleibt dennoch umstritten. Mit weit größeren Vorkommen als Uran, einer - vermuteten - leichteren technischen Handhabung und deutlich weniger atomaren Abfällen liegen die Vorteile durchaus auf der Hand. Laut Physiknobelpreisträger Carlo Rubbia könne mit einer Tonne Thorium etwa so viel Energie erzeugt werden wie mit 200 Tonnen Uran. Gänzlich gefahrlos kann Atomstrom nicht hergestellt werden, verlautet indes von Kritikern. Die seit Tschernobyl und Fukushima offensichtlichen Risiken könnten demnach bestenfalls abgeschwächt, keinesfalls aber ausgeschlossen werden.

Sprengung des Trockenkühlturms des Thorium-Hochtemperatur-Reaktors in Hamm-Uentrop

AP/Roland Weihrauch

Vom Hoffnungsprojekt zum Milliardengrab: Im September 1991 wurde im deutschen Hamm-Uentrop der Trockenkühlturm des Thorium-Hochtemperaturreaktors THTR300 gesprengt

„Wunderwerk“ THTR300

Ungeachtet dieser Bedenken galt der Sicherheitsaspekt bereits bei vergangenen Thorium-Projekten als die eigentlich große Trumpfkarte. Darunter findet sich etwa ein ehemaliges Vorzeigeprojekt in Hamm-Uentrop im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo am 6. September 1985 der größtenteils mit Thorium betriebene Reaktor THTR300 hochgefahren wurde.

Der Anfang vom Ende für das von Problemen und Störfällen begleitete „Wunderwerk“ THTR300 folgte laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) ein Jahr später mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl: „Kernkraft war gleich Kernkraft, Hamm-Uentrop musste weg.“ Endgültig abgeschaltet wurde das Kraftwerk, das der Zeitung zufolge seine Probe „glänzend bestanden“ hat, im September 1989, zwei Jahre später wurde schließlich der „fast zum Denkmal erklärte Kühlturm“ gesprengt.

Bereits in den 50er Jahren wurde in den USA mit Thorium-Reaktoren experimentiert, aber gleichzeitig die Weichen für den Siegeszug von Uran gelegt. Der wohl entscheidende Vorteil dürfte dabei wohl in der umfangreicheren Verwertungskette des chemischen Elements zu finden sein: Nicht zuletzt taugt Uran im Gegensatz zu Thorium auch für den Bau von Atombomben.

Peter Prantner, ORF.at

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