„Es geht auch langsamer“
2006 hat sich der deutsche Komiker Hape Kerkeling mit den Worten „Ich bin dann mal weg“ Richtung Jakobsweg verabschiedet und hat damit einen regelrechten Weitwanderboom ausgelöst. Der Trend zum Gehen hält sich ungebrochen, wenn auch der Weg heute nicht mehr das alleinige Ziel ist.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Schritt für Schritt die Natur erwandern, neue Wege entdecken und Land und Leute auf Augenhöhe begegnen: Wanderurlaube erleben seit Jahren einen ungebrochenen Höhenflug. „Wir merken, dass in den Menschen die tiefe Sehnsucht nach intakter Natur wächst“, bestätigt Ulrike Rauch-Keschmann von der Österreich Werbung. „Vor diesem Hintergrund erlebt der Urlaub in den Bergen ein Comeback. Und Österreich kann von diesem Trend nur profitieren.“

ORF.at/Christian Öser
Aktivurlaube gehören zum stark wachsenden Segment in Österreich
Wandern ist der Urlauber Lust
Sommergäste in Österreich sind besonders aktiv, wobei Wandern bei in- wie ausländischen Gästen mit einem Anteil von 60 Prozent unangefochten an der Spitze steht (T-MONA-Gästebefragung, 2011). Ihnen stehen derzeit 50.000 Kilometer markierte Wanderwege zur Verfügung, davon zehn Weitwanderwege, die - wie der Name vorgibt - länger als 300 Kilometer sind und durch mindestens drei Bundesländer führen. Und ständig kommen neue Angebote dazu.
Der älteste Weitwanderweg durch Österreich (abgesehen von alten Pilgerwegen) ist der Nordwaldkammweg entlang der österreichisch-tschechischen Grenze, der bereits vor dem Ersten Weltkrieg ausgeschildert wurde und in den 1960er Jahren wiederbelebt wurde, wie Fritz Käfer, Leiter der Sektion Weitwanderer beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV) erklärt. Doch obwohl immer wieder Wege durch die Alpen gefunden wurden, dauerte es bis in die 1970er Jahre, bis etwa mit dem Nordalpenweg 01 und dem Nord-Süd-Weitwanderweg 05 neue Weitwanderrouten entstanden.
Vorbereitung ist alles
Heute betreut der ÖAV zehn Weitwanderwege, sechs Landesrundwanderwege, je einen Wanderweg quer durch Tirol und das Burgenland, drei Jakobswege, sechs Hemmawege, einen Alpen-Adria-Trail, einen Grenzpanoramaweg und drei Äste der Via Alpina, um nur einige Beispiele zu nennen. Unter der Homepage der Sektion Weitwanderer finden sich zu allen Weitwanderwegen genaue Informationen über den Routenverlauf, die Höhenmeter und den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Etappen.
Die Schwierigkeitsgrade variieren zwischen „sehr leichten“ und „anspruchsvollen“ Touren, wobei bereits bei „mittlerer“ Schwierigkeit entsprechende Kondition und gute Ausrüstung vorausgesetzt werden. Denn auch wenn Wandern landläufig als wenig gefährliche Sportart gilt, verletzen sich jedes Jahr im Schnitt 7.500 Wanderer und Berggeher. Viele Verletzungen könnten laut einer Erhebung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) durch richtige Selbsteinschätzung vermieden werden. Nach Herz-Kreislauf-Problemen sind Stolpern, Stürze und Ausrutscher die häufigsten Unfallursachen auf dem Berg.
Bei Schuhen „immer vom Maximalen ausgehen“
Und trotz des wachsenden Marktes an moderner Outdoor-Bekleidung verirren sich nach wie vor „Halbschuhtouristen“ in die Berge. „Viele Leute suchen nach extrem leichten Schuhen, die sie dann für alle Touren einsetzen“, bringt es Guido Scheikl, Outdoor-Experte bei Intersport Eybl, auf den Punkt. Doch Schuhe, die für eine Wanderung im Wienerwald reichen, können in den Bergen schnell gefährlich werden. „Man soll immer vom Maximalen ausgehen“, so Scheikl. Und das ist nicht billig. „Schuhe für einen Mehrtagestrip kosten ab 200 Euro aufwärts“, sagt Scheikl.

Fotolia/ARochau
In den Bergen ist das richtige Schuhwerk das Um und Auf
Warum nicht einmal im Burgenland wandern?
Dabei sucht der durchschnittliche Wanderurlauber nicht immer das Extreme. So werden Mehrtagestouren, bei denen das Gepäck nicht selbst getragen wird, sondern zum jeweiligen Übernachtungsort transportiert wird, immer stärker nachgefragt. Und wer sagt eigentlich, dass Wanderungen immer in den Bergen stattfinden müssen? So erfreute sich das Burgenland, das nicht unbedingt zu den typischen Wanderdestinationen zählt, zuletzt steigender Beliebtheit.

ORF.at/Michael Baldauf
Auch das flache Burgenland hält für Wanderer besondere Reize bereit
Der Burgenland-Weitwanderweg etwa führt gemütliche 216 Kilometer von Deutsch Jarndorf an der Grenze entlang bis zur Dreiländerecke an der slowenischen Grenze. Und der burgenländische Abschnitt des Jakobswegs, der von der Basilika in Frauenkirchen 52 Kilometer über Neusiedl am See in den niederösterreichischen Wallfahrtsort Maria Ellend führt, ist auch mit mäßiger Kondition zu schaffen.
Donau-Wellen oder Almromantik
Auch das Weinviertel punktet weniger mit Bergpanorama, als viel mehr mit gemütlichen Touren über Felder und vorbei an Kellergassen. Der gesamte Weinviertler Jakobsweg ist 168 Kilometer lang, wer weniger Zeit mitbringt, dem steht eine schier endlose Auswahl an Spaziergängen und Themenwanderungen zur Auswahl. Die Höhenmeter, die man beim Donausteig (450 Kilometer von Passau über Linz bis nach Grein) bewältigen muss, sind auf den ersten Blick wenig beeindruckend. Doch die Anstiege haben es in sich, dafür wird man mit traumhaften Ausblicken auf die Donau belohnt.
Und selbst mitten in den Alpen in Tirol und Vorarlberg finden sich beschauliche Routen über Almen und vorbei an Sennereien, die auch weniger geübte Wanderer problemlos bewältigen können. Diese Wege lassen sich bequem alleine entdecken, oder man schließt sich einer pauschal angebotenen Wanderreise an, die unter dem Stichwort „Genusswandern“ den Schwerpunkt auf kulinarische oder kulturelle Aspekte legt.
Hilfe zum Abschalten
Doch egal ob durch die Berge oder die Ebene, eine Mehrtagestour erfordert einiges an Vorbereitung. Wer sich damit gar nicht befassen will, hat die Möglichkeit, sich an einen geschulten Guide zu wenden. Die Nachfrage nach Wanderführern boomt, wie Ewald Schneeweiß vom steirischen Bergwanderführerverband bestätigt. Seit mittlerweile vier Jahren bietet er die Ausbildung zum Wanderführer an. Wanderführer dürfen im Gegensatz zu Bergführern nur ohne technische Hilfsmittel und im Winter nur in lawinensicherem Gelände unterwegs sein.
Dafür nehmen Wanderführer die Gäste auf Routen abseits der beschilderten Wege mit und bieten Erklärungen zu Blüten und Tieren. „Wir verkaufen Erlebnisse“, beschreibt Schneeweiß seine Aufgabe als Guide. Viel öfter müsse er jedoch seinen Wanderkunden einfach auch zeigen, wie still es in der Natur ist. Vor allem Menschen mit stressigen Berufen, die an Leistung gewohnt seien, müsse man beim Abschalten helfen, so Schneeweiß. „Ihnen muss man zeigen, dass es langsamer auch geht, und auch die Pausen vorgeben.“
Nach der Wanderung ab in den Jacuzzi
Doch auch wenn beim Wandern das Naturerlebnis großgeschrieben wird, wenn es ums Übernachten geht, dann sollen Fauna und Flora doch lieber vor der Türe bleiben. „Die Gäste kombinieren zunehmend Naturerlebnis mit entspanntem Luxus“, sagt Rauch-Keschmann von der Österreich Werbung. Nach der Bewegung erholt sich der Wanderer gerne in der Sauna oder im Jacuzzi. Doch Luxuschalets wie etwa im Almdorf Seinerzeit, im Bergdorf Priesteregg und auf der Hochleger Alm über dem Zillertal sind nicht gerade günstig. Bis zu 7.000 Euro pro Woche für zwei Personen muss man für das Holzhaus mit Panoramafenster hinlegen - die Brettljause exklusive.
Gabi Greiner, ORF.at
Links: