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Spiel mit der Wahrnehmung

Seit den 1980er Jahren hat Jay Belloli wiederholt Weltraumfotografie ausgestellt. Nun holten ihn Fabian Knierim und Rebekka Reuter, beide Kuratoren der Wiener Galerie WestLicht, mit seiner aktuellen Zusammenstellung an Aufnahmen nach Wien.

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Apollo 11 Mondlandung, Edwin "Buzz" Aldrin Juli 1969

Sammlung Westlicht Wien

Edwin „Buzz“ Aldrin auf dem Mond, aufgenommen von Neil Armstrong

Ebenfalls zu sehen sind Bilder aus dem Besitz der Galerie WestLicht - alte Originalabzüge jener klassischen NASA-Fotos von der Mondlandung, die zu Ikonen eines neuen Weltraumforschungs- und Medienzeitalters wurden. Gerade diese Fotos sind es, die von Verschwörungstheoretikern gerne angezweifelt werden. Jenen zufolge, die auch 9/11 für eine Erfindung der CIA halten, hat es die Mondlandung nie gegeben - alles sei gestellt gewesen und auf der Erde fotografiert und manipuliert worden.

Schmunzelnd zeigt Knierim bei einem Ausstellungsrundgang mit ORF.at Fotos von der Mondlandung, die tatsächlich nachgestellt wurden - und zwar NASA-Sujetfotos aus den Monaten vor der Mondmission, entstanden beim Astronautentraining. Die Bilder sehen täuschend echt aus. Da könne man schon auf die Idee kommen, die echten Fotos seien gefälscht.

Nicht für Menschenaugen geschaffen

Mit optischem Licht, also so, wie wir das wahrnehmen, ist das Weltall oft nicht erkennbar oder sogar unsichtbar für das freie Auge - oder würde durch herkömmliche Fotografie falsch dargestellt werden. So filtert etwa die Atmosphäre der Venus die Farbe Blau heraus. Fotografiert man diesen Planeten, muss man den blauen Farbanteil im Nachhinein wieder ergänzen - die tatsächliche Farbe ist schwer zu bestimmen. Ein anders Beispiel sind die Staubhaufen im „Deep Space“, die man mit optischem Licht nicht durchdringen könnte - wohl aber mittels Infrarotstrahlung.

Die Staubhaufen sind bei den Aufnahmen des sogenannten Nordamerikanebels zu sehen. Während die Form des Nebels in sichtbarem Licht aufgenommen an den nordamerikanischen Kontinent erinnere, wie in der Bildunterschrift erläutert wird, verschwinde diese Ähnlichkeit in der neuen Infrarotansicht des NASA-Weltraumteleskops „Spitzer“ - weil eben Infrarotstrahlung den Staub durchringe. Manche Regionen des Nebels seien immer noch voll von dichtem Staub und erschienen selbst in der „Spitzer“-Ansicht dunkel.

Ausstellungsansicht von NASA-Bildern des Nordamerikanebels

ORF.at/Simon Hadler

Der Nordamerikanebel, aus derselben Perspektive in unterschiedlichen Lichtwellenbereichen aufgenommen

Die Farbpalette zurechtrücken

Deshalb gibt es neben konventioneller Fotografie auch Aufnahmen in Infrarot, Ultraviolett, Radar oder mit Röntgenstrahlen, um nur einige zu nennen. Auch bei normalen Fotos wird oft nachgebessert. In der Ausstellung ist etwa ein Bild zu sehen, das von einer fixen Station auf dem Mars vom Boden aus aufgenommen wurde. Mit im Bild ist eine Karte, auf der eine Palette von Farben abgebildet ist.

Auf den Fotos sah man dann, dass die Farben nicht korrekt dargestellt wurden - und konnte das Bild entsprechend bearbeiten. Am Ende sollten die Farben der Karte korrekt dargestellt sein und damit auch der Rest des Bildes. Durch solche Versuche wissen die Forscher, wie Fotos vom Mars zu bewerten und zu bearbeiten sind, damit sie den Planeten so darstellen, wie wir ihn mit dem freien Auge sehen würden.

Foto von Viking 2 Landesonde zeigt Farbkalibrierungsrad und die amerikanische Flagge

NASA/JPL-Caltech

Marsfoto mit Farbkarten nach der Bearbeitung. Jetzt stimmt auch die US-Flagge.

Die „Eroberungsfotos“ der NASA

Sind die bunten Fotos aus dem All deshalb Fälschungen? Knierim kommt selbst aus der künstlerischen Reportagefotografie. In der Reportage sind solche Eingriffe verpönt, zumindest wenn sie nicht deutlich als solche ausgewiesen sind. In der Weltraumfotografie stünden jedoch zahlreiche Transformationen an der Tagesordnung, vor allem wegen der bereits genannten unterschiedlichen Lichtwellenbereiche, so Knierim. Hier zeichne sich selten etwas 1:1 so vor der Linse ab, wie man es danach wiedergeben könne.

Hier, so Knierim, müsse man dem Erkenntnisinteresse der Menschen entgegenkommen und die Bilder an deren Sehgewohnheiten anpassen. Das gilt übrigens nicht für die Fotos von der Mondlandung. Sie wurden mit einer normalen Hasselblad aufgenommen. Jene Hasselblad 500, die 1971 Teil der Ausrüstung der Apollo-15-Mission der NASA auf den Mond war, wurde unlängst in der Galerie WestLicht für 550.000 Euro versteigert. Knierim spricht von „Eroberungsfotos“, die sich von der ansonsten sehr geradlinigen, wissenschaftlichen Weltraumfotografie unterscheiden.

Die Erde sieht wirklich so aus

Auch die Erde ist tatsächlich blau mit ein bisschen Weiß, Braun und Grün. Die klassischen Aufnahmen, wie sie jeder kennt - Knierim beschreibt das als „blauen Planeten, der wie ein Juwel in der Dunkelheit leuchtet“ - würden von der internationalen Weltraumstation oder von Satelliten aus ebenfalls mittels normaler optischer Fotografie aufgenommen.

Versuche, den Weltraum auf Bild zu bannen, gibt es fast so lange wie die Fotografie und ihre Vorläufer selbst. Das älteste Foto der Ausstellung wurde von Sir John Herschel im September 1839 aufgenommen und zeigt ein Gerüst, unter dem ein Teleskop liegt, mit dem man dann nach der Montage Sterne beobachtete. Ebenfalls ausgestellt ist das erste bekannte Foto des Mondes. Es wurde von John W. Draper vermutlich am 26. März 1840 von seiner Dachsternwarte aus an der New Yorker Universität aufgenommen. Mit diesem Bild wurde die Astrofotografie begründet.

Wenn Fiction die Science überwiegt

Es ist eine Ausstellung, die gleichzeitig wissenschaftlich und kitschig ist, kitschig im Sinn von knallig, bunt, schön. Science und Science-Fiction liegen genauso wenig weit auseinander wie die realen Forschungsprojekte und die Sehnsucht nach den unendlichen Weiten, die damit einhergeht. Von Wien aus wurden den Fotos zwei Installationen hinzugefügt, in denen Bilder des Fotokünstlers Markus Krottendorfer gezeigt werden. Auf einem der hinterleuchteten Schaukästen ist, durch den Einsatz von Infrarotfilm künstlerisch verfremdet, das Projekt „Biosphere II“ zu sehen.

Aus der Dia-Projektion Biosphere II

Markus Krottendorfer

Das Universum des Fotokünstlers Markus Krottendorfer

In einem überdimensionalen Glashaus in der Wüste Arizonas war in den frühen 1990er Jahren versucht worden, ein Ökosystem aufzubauen, das auf andere Planeten transferierbar hätte sein sollen - „eine zweite Erde in Miniatur“, wie es im Ausstellungstext heißt. Das Projekt gilt als gescheitert, aber die Fotos verweisen auf ferne Zivilisationen, die Menschen im Weltall gründen könnten - wenn sie denn könnten. Bis dahin gibt es zumindest fantasievolle Fotos, in denen Fiction die Science überwiegt.

Simon Hadler, ORF.at

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