Zweifel an Zeitplan
Russland hat seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit der EU und den USA über die Zukunft der Ukraine bekräftigt. Wichtig sei es aber, dafür eine Tagesordnung und die Teilnehmer festzulegen, sagte Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Interfax zufolge am Dienstag in Moskau. Auf dem Tisch liegen solle etwa eine neue ukrainische Verfassung.
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Zudem sprach sich Lawrow dafür aus, Vertreter aus der russischsprachigen Ost- und Südukraine sowie Kandidaten, die zur Präsidentenwahl am 25. Mai antreten, an den Gesprächen zu beteiligen. Diese Bedingung könnte sich für Kiew als unannehmbar erweisen, da damit noch vor Verhandlungsbeginn die russische Forderung nach einer weitgehenden Autonomie der Regionen inklusive Anerkennung des Russsichen als gleichberechtigter Amtssprache indirekt vom Westen und der ukrainischen Übergangsregierung anerkannt würde.
Wohl nicht vor Ostern
Moskaus Chefdiplomat bezweifelte nach einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry zudem, dass ein von den Amerikanern in zehn Tagen angestrebter Termin machbar sei. Lawrow kritisierte, dass der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk bereits bis zum 15. April eine neue Verfassung angekündigt habe - ohne Zeit für Diskussionen.

AP/Olga Ivashchenko
Aufräumen nach nächtlichen Demos und Randalen
Ein neues Grundgesetz müsse die Interessen aller Regionen in der Ex-Sowjetrepublik berücksichtigen, betonte Lawrow. Diejenigen, die der neuen Führung in Kiew nicht vertrauten, dürften nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Russland hatte sich mehrfach für die Gründung einer ukrainischen Föderation ausgesprochen. Die proeuropäische Führung in Kiew lehnt das ab, weil sie ein Auseinanderbrechen des Landes befürchtet.
Rasmussen warnt Russland
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Russland am Dienstag unterdessen vor einem Einmarsch in die Ostukraine. „Wenn Russland in der Ukraine weiter intervenieren würde, wäre das ein historischer Fehler“, sagte er bei einem Treffen von Vertretern des Verteidigungsbündnisses in Paris. Auf die Frage, ob die NATO in diesem Fall auch zu einem militärischen Eingreifen bereit wäre, antwortete Rasmussen ausweichend. Ein russischer Einmarsch hätte „ernsthafte Konsequenzen“ und würde Russland international weiter isolieren, sagte der Generalsekretär.
John Kerry hatte Lawrow in einem Telefonat Montagabend vor einer weiteren Destabilisierung der Ukraine gewarnt. Er habe deutlich gemacht, dass Washington die jüngsten Entwicklungen „mit großer Sorge“ verfolge, sagte Kerrys Sprecherin Jen Psaki. Die prorussischen Proteste in der Ostukraine seien „keine spontanen Ereignisse“, sondern offenbar von Moskau „sorgfältig orchestriert“.
Kerry: Moskau will Nachbarland destabilisieren
Russland wolle im Osten der Ukraine Chaos stiften, indem es „russische Provokateure und Agenten“ in die Region entsende, um das Nachbarland weiter zu destabilisieren, sagte Kerry vor dem US-Senat. Diese Versuche seien „illegal, illegitim“ und „absolut inakzeptabel“. Es solle Unruhe gestiftet werden, um eine mögliche militärische Intervention zu rechtfertigen.
Auch im Falle der abtrünnigen Halbinsel Krim hatte Moskau von Selbstverteidigungskräften von Krim-Bewohnern gesprochen, tatsächlich handelte es sich aber um russische Streitkräfte. Im Gegenzug warf Moskau den USA vor, Kiew mit Militärexperten eines US-Sicherheitsdienstes zu unterstützen.
Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama seinen russischen Kollegen Wladimir Putin vor einer weiteren Einmischung in das Nachbarland gewarnt. Die „Eskalation“ sei das „Ergebnis des wachsenden russischen Drucks auf die Ukraine“, sagte Obamas Sprecher Jay Carney am Montag. Es gebe „starke Beweise“ dafür, dass einige der prorussischen Demonstranten in der Ostukraine nicht aus der Gegend stammten und bezahlt worden seien. Carney rief Putin auf, „die Bemühungen zur Destabilisierung der Ukraine einzustellen“.

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Gewalttätige Konfrontation im Parlament in Kiew
Unklarheit über mögliche Geiselnahme in Luhansk
Die ukrainische Staatssicherheit (SBU) berichtete am Dienstag von einer Geiselnahme in Luhansk. Prorussische Separatisten hätten in einem besetzten SBU-Gebäude Sprengsätze angebracht. Außerdem würden dort etwa 60 Menschen gegen ihren Willen mit Waffengewalt festgehalten, erklärte die SBU am Dienstag. Die Separatisten hatten das Gebäude am Sonntag besetzt. Warum die Erklärung erst zwei Tage nach der Besetzung des Gebäudes kam, war zunächst nicht klar.
Die Besetzer dementierten die Geiselnahme. „Wir brauchen keine Geiseln, um zu erreichen, was wir wollen“, sagte am Dienstag ein Aktivist, der sich als Koordinator der Aktion bezeichnete. Es gebe keine Sprengsätze und keine Geiseln.
In Charkiw räumten Spezialeinheiten Dienstagfrüh unterdessen ein von prorussischen Aktivisten besetztes Verwaltungsgebäude und nahmen 70 Menschen fest. Bei der Aktion sei kein Schuss gefallen, berichtete der Internetsender Hromadske.tv. In der Nacht war es in Charkiw zu Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern der Zentralregierung gekommen. So wie auf der Krim gibt es - derzeit nicht überprüfbare - Berichte, dass ein Großteil dieser Aktivisten aus Russland eingeschleust wurde. Grundsätzlich ist die Ausgangslage völlig anders als auf der Krim, da im Osten und Süden der Ukraine die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung keine Abtrennung will.
Kiew: „Anti-Terror-Operation“
Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow ordnete einen massiven Einsatz an. Er warf Russland vor, es wolle mit Hilfe bezahlter Provokateure die Lage destabilisieren. Innenminister Arsen Awakow postete auf seiner Facebook-Seite, eine „Anti-Terror-Operation“ sei gestartet worden. „Das Stadtzentrum ist abgeriegelt, ebenso die U-Bahn-Stationen. Seid nicht besorgt. Sobald die Aktion vorbei ist, werden wir die Sperre wieder aufheben.“ Laut Awakow werden den Verhafteten Separatismus, die Organsiation von Massenunruhen und Gefährdung der Sicherheit vorgeworfen.

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Vermummte Demonstranten in der ukrainischen Stadt Charkiw
Schlägerei in Parlament in Kiew
Bei einer Debatte im Parlament in Kiew über die Lage im Osten des Landes lieferten einander Abgeordnete eine handfeste Schlägerei. Parlamentarier der rechtspopulistischen Regierungspartei Swoboda (Freiheit) griffen Kommunistenchef Pjotr Simonenko an, nachdem dieser die Nationalisten für die drohende Spaltung des Landes verantwortlich gemacht hatte. Die Sitzung der Obersten Rada wurde unterbrochen. Die Kommunisten und ein Teil der Mitglieder der verbündeten Partei der Regionen verließen aus Protest den Sitzungssaal. Bereits in der Vergangenheit hatten sich Abgeordnete wegen Meinungsverschiedenheiten im Parlament geprügelt.
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