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Kampf um Platz eins

Die Reaktionen sind schon jetzt absehbar: Die Gewinner der EU-Wahl am 25. Mai werden sich am Wahlabend auch in ihrer Politik in Österreich bestärkt sehen, die Verlierer von einer reinen Europawahl sprechen. Eines ist die Wahl jedenfalls: Neben der Landtagswahl in Vorarlberg im Herbst ist sie heuer der einzige Stimmungstest, bei dem es vor allem viel zu verlieren gibt - auch für die Parteichefs.

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Die Ausgangslage ist jedenfalls spannend: Umfragen von Unique Research und OeKonsult sahen zuletzt die ÖVP mit 25, 26 Prozent auf Platz eins, die SPÖ mit 22, 23 Prozent auf Platz zwei. In anderen Umfragen im Februar und März war sie noch an der Spitze gelegen.

Die FPÖ verlor in den jüngsten Umfragen auf 19 bis 21 Prozent, im Jänner und Februar hatten die Freiheitlichen zwei Umfragen sogar angeführt. Um Platz vier kämpfen NEOS und Grüne, denen zuletzt jeweils zwischen elf und 14 Prozent bescheinigt wurden. Die anderen fix antretenden Parteien BZÖ, REKOS und Europa anders scheinen derzeit die Vierprozenthürde nur schwer erreichen zu können. Monarchisten und EU-Stop sammeln noch Unterstützungserklärungen für ein Antreten.

Wahl Nummer eins nach Hypo-Lösung

Platz eins ist also umkämpft - und dabei geht es um mehr als nur einen symbolischen Sieg. Auch die Parteichefs brauchen intern Erfolgserlebnisse - und für SPÖ und ÖVP ist die Ausgangslage recht herausfordernd. Auch wenn mantraartig wiederholt wird, dass die FPÖ am Debakel der Hypo Alpe-Adria schuld ist: Die Entscheidung der Regierung, mit der Anstaltslösung Milliarden in die Rettung der maroden Bank zu pumpen, ist nicht gerade imagefördernd.

Faymanns Alleingang bei Freund-Kür

Dass die SPÖ einen U-Ausschuss ablehnt, sorgt auch an der Parteibasis für Rumoren. Parteichef Werner Faymann wird aber noch etwas anderes vorgehalten: Eugen Freund quasi im Alleingang zum EU-Spitzenkandidaten zu machen hat für einiges böses Blut in der Partei gesorgt. Ein paar Interviewausrutscher, von der Einschätzung von Arbeitereinkommen im „profil“ im Jänner bis zur Unsicherheit im „Standard“, wo eigentlich das Europaparlament steht, dürften die rote Begeisterung nicht gerade gesteigert haben. Kurzum: Zieht der „Joker“ Freund bei der Wahl nicht, hat auch Faymann Erklärungsbedarf.

Spindelegger und die Nachfolgefrage

Noch viel drastischer sieht es für ÖVP-Chef Michael Spindelegger aus: Er galt in den vergangenen Monaten nach interner Kritik schon mehrmals als Ablösekandidat, erst jeweils nach Krisensitzungen hieß es dann, dass die Partei doch weiterhin hinter ihm stehe. Dass er noch Parteichef ist, verdankt er wohl dem Umstand, dass es wenige Alternativen gibt, wer die vielschichtigen Interessenlagen zwischen Bünden und anderen austarieren könnte.

Keine Alternativen?

Immer wieder genannt wird Außenminister und Jungstar Sebastian Kurz. Ihn jetzt schon an die Spitze zu stellen und möglicherweise zu „verheizen“ gilt aber als riskant. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gilt als Sachpolitiker und will sich dem Vernehmen nach den Job nicht antun - auch weil er weiß, nicht die ganze ÖVP hinter sich zu haben. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter weiß zwar mit frischen Ideen zu überraschen, er gilt aber noch als zu unerfahren und unbekannt.

Dennoch: In den vergangenen Monaten hieß es immer wieder, Spindelegger sei als ÖVP-Obmann Geschichte, wenn die Wahl am 25. Mai nicht zufriedenstellende Ergebnisse bringt. Beständig hielten sich auch - trotz zahlreicher Dementis - die Spekulationen über Aufstieg statt Ablöse: Spindelegger könnte dann elegant und ohne großen Gesichtsverlust Richtung EU-Kommission entschwinden.

Strache und das Mölzer-Problem

Zum ersten Mal seit längerer Zeit parteiintern gefordert ist auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: EU-Spitzenkandidat Andreas Mölzer scheint mit seinen umstrittenen Aussagen den Bogen überspannt zu haben. Vor allem die ihm zugeschriebene rassistische Aussage zu Fußballstar David Alaba in einem älteren „Zur Zeit“-Artikel erweist sich als Bumerang.

Dass der Star der heimischen Fußballnationalmannschaft angegriffen wird, ist in der Partei, die sich Patriotismus ganz oben auf die Fahnen heftet, problematisch. Strache stellte sich zunächst hinter Mölzer, musste dann aber doch eingreifen. Er sei ein „Fan von Alaba“, versuchte Strache zu kalmieren. Am Montag folgte ein Vieraugengespräch mit Mölzer.

Schwierige Entscheidung

Für Strache war es eine Zwickmühle: Einerseits musste er in der Partei die Linie vorgeben und Mölzer in die Schranken weisen, andererseits durfte er nicht den Eindruck erwecken, auf Zurufe und Proteste von außen zu reagieren und Mölzer fallenzulassen. Strache entschied sich für die erste Variante. Hinter den Kulissen dürfte dabei ein Machtkampf getobt haben: Zunächst hieß es, Mölzer trete nur von der Spitzenkandidatur zurück, wenig später verzichtete er ganz auf ein Antreten.

Konflikt noch nicht ausgestanden

Kommentatoren sprachen zunächst von einem „Befreiungsschlag“ Straches. Dass Mölzer mit seinen Aussagen potenzielle Wähler abgeschreckt hätte, scheint klar zu sein. Ob sich schon bei der EU-Wahl neue Wählerschichten ansprechen lassen, ist aber fraglich. Denn ganz abgesehen von der Causa Mölzer wird der Wahlkampf vor allem im Zeichen der Mobilisierung stehen: Zwar können die Freiheitlichen auf Stimmen der nicht antretenden Listen von Hans-Peter Martin und Team Stronach hoffen, vor allem wird es aber darum gehen, die vor allem EU-skeptische Klientel überhaupt zur Wahl zu bewegen.

Offen bleibt auch, wie der rechte Rand der Partei nach der Demontage der Führungsfigur Mölzer reagiert. Bei den mit ihnen sympathisierenden Wählern könnten einige der FPÖ bei der EU-Wahl die Stimme versagen. Auch in der Partei selbst wird wohl noch der eine oder andere Konflikt ausgefochten werden.

NEOS und Grüne unter Zugzwang

Für die Parteichefs von Grünen und NEOS steht persönlich wohl nicht ganz so viel auf dem Spiel. Doch beim Rennen um Platz vier stehen vor allem die Grünen unter Zugzwang. Hier zu unterliegen könnte den Startschuss für parteiinterne Diskussionen bilden - personelle Fragen nicht ausgeschlossen. Denn schon länger gibt es den Ruf nach „frischen Gesichtern“.

Für NEOS wiederum scheint der Höhenflug weiterzugehen, ob man da vor oder hinter den Grünen landet, macht wohl nicht so viel Unterschied. Dennoch muss Matthias Strolz darauf gefasst sein, dass der Frischebonus irgendwann abläuft und sich seine neue Partei mit den politischen Alltagsproblemen auseinandersetzen muss. Und eines könnte da schon sehr bald auftauchen. Im Hohen Haus droht NEOS eine reine Männerpartie zu werden. Spitzenkandidatin Angelika Mlinar wird den Einzug ins EU-Parlament schaffen, Beate Meinl-Reisinger soll sich 2015 für die Wiener Landtagswahl verabschieden. NEOS wäre dann frauenfrei.

Christian Körber, ORF.at

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