Tiefgreifender Wandel erwartet
Im Rahmen des weltgrößten Branchentreffens „Integrated Industry - Next Steps“ bietet die Messe Hannover derzeit einen Blick auf die Fabrik der Zukunft. Experten erwarten einen tiefgreifenden Wandel - die Rede ist von der bereits vierten industriellen Revolution. Individuelle Produktion lautet dabei eines der großen Schlagworte. Gesteuert und organisiert werden soll das von den Maschinen selbst.
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Mit dem Einzug von Computertechnologie und der damit begonnenen Automatisierung von Produktionsprozessen wurde in den Fabriken zwar bereits vor Jahren der erste Schritt Richtung der in Deutschland als „Industrie 4.0“ bezeichneten Entwicklung gesetzt. Während in den USA von „Advanced Manufacturing“ - also dem fortgeschrittenen Produzieren - die Rede ist, beschwören die Deutschen damit bereits die vierte industrielle Revolution herauf.
Jürgen Jasperneite vom Fraunhofer Institut bringt im „Handelsblatt“-Interview den erwarteten Quantensprung auf den Punkt: „Natürlich gibt es in den modernen Fabriken längst Computer“ - die Entscheidungen treffe am Ende bisher aber immer noch der Mensch. Dem Experten zufolge wird sich das in einer „smarten Fabrik“ grundsätzlich ändern, da dort autonom entschieden werde, „was sie als nächstes herstellt“. Laut „Welt“ sollen sich „Maschinen und Produkte künftig miteinander abstimmen und organisieren können“ und organisieren sich somit „in gewisser Weise selbst“.

Deutsche Messe
Eines der Zukunftsszenarien von „Industrie 4.0“: Montage per Datenbrille
Modellfabrik und Datenbrille
Vom „Handelsblatt“ wird in diesem Zusammenhang auf eine „Modellfabrik“ des Forschungsinstitutes CIIT verwiesen - ein intelligentes Montagesystem, von dem „von der Bestellung über die Produktion bis zur Auslieferung“ nahezu alles bereits autonom abgewickelt wird. Selbst bei Arbeitsschritten, die von Robotern noch nicht übernommen werden können - im konkreten Fall ging es um die Montage von kleinen Augen bei einer Eisbärenfigur - kommen Maschinen zum Einsatz, wobei diese von einem mit einer Datenbrille ausgestatteten Monteur bedient werden.
Gleichzeitig sollen vernetzte Fabriken so ausgelegt sein, dass jedes Teil individuell bearbeitet werden kann und somit quasi „das Produkt den Roboter steuert“. Ziel seien Produktionsstätten, in denen ohne kostspielige Änderung der Produktionsanlagen nicht mehr bloß einheitliche Massenprodukte, sondern auch Einzelanfertigungen rentabel hergestellt werden können. Wohl überschaubar werden in einer vollkommen automatisierten Fabrik aber auch die Lohnkosten - mit ein Grund, weswegen bereits von einer Reindustrialisierung Europas die Rede ist.
„Musik hat schon angefangen zu spielen“
Laut Lucas Wintjes vom Bereich Fabrikautomation der Bosch Rexroth AG mag „Industrie 4.0“ zwar für die „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ („FAZ“) noch Zukunftsmusik sein: „Aber die Musik hat schon angefangen zu spielen“, so Wintjes. Dennoch wird etwa von Detlef Zühlke vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) der Zeitung zufolge erst in rund 20 Jahren die erste vollvernetzte Fabrik erwartet. Erste Teilanlagen und Produktionsstraßen könnten aber durchaus schon in drei bis fünf Jahren in Betrieb genommen werden.
„Müssen uns sputen“
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel erinnerte bei Ihrer Eröffnungsrede in Hannover am Sonntag unterdessen daran, dass 90 Prozent des Wachstums derzeit außerhalb Europas stattfinden. „Insofern müssen wir uns sputen und alles dafür tun, dass wir unseren Mehrwert auch wirklich nutzen.“ Europa dürfe die nächste industrielle Revolution nicht verschlafen.
Europas Fähigkeiten im Bereich „Industrie 4.0“ müssen laut Merkel ohne Frage „ausgebaut werden“. Der Mensch dürfe dabei aber nicht aus den Augen verloren werden. Sie sei jedenfalls schon gespannt, wann der erste Betriebsrat einer sich selbst organisierenden Fabrik gegründet werde.

Deutsche Messe
Zentrales Thema bei der weltgrößten Branchenmesse: die Fabrik der Zukunft
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, schlug in dieselbe Kerbe. Es sei entscheidend, den Wandel der Arbeitswelt im Zuge einer sich digitalisierenden Industrie nicht aus den Augen zu verlieren. So würden etwa Fachkräfte wichtiger, die an den Schnittstellen zwischen den klassischen Ingenieurswissenschaften und der Softwareprogrammierung arbeiten.
5.000 Aussteller
Die Fusion von Produktion und IT-Welt scheint jedenfalls als Thema anzukommen. Rund 5.000 Aussteller sind gegenüber der jüngsten vergleichbaren Hannover Messe 2012 ein Plus von knapp drei Prozent. 51 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland. Nach Deutschland mit rund 2.500 Teilnehmern folgen China mit gut 500, Italien mit 267 und das diesjährige Partnerland Niederlande mit 230 Teilnehmern.
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