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Echte Arche, falsche Tiere

Es gibt in der Bibel eine Handvoll sehr brutaler Geschichten. Eine davon ist jene von Noah. Regisseur Darren Aronofsky hat sich offenbar viel vorgenommen mit seiner Verfilmung: Die Welt retten, reich werden und einen Film drehen, für den er sich auch abseits von Hollywood nicht genieren muss. Eines dieser drei Ziele scheint erreicht.

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Bereits am ersten Wochenende hat der Film alleine in den USA 44 Millionen Dollar hereingespielt, von den rund 125 Millionen, die er gekostet hat. Damit führt „Noah“ die Kinocharts in den USA seit letzter Woche an. Das Team drehte auf Island, die Arche wurde tatsächlich in fünfmonatiger Arbeit aus Holz gebaut, sämtliche Tiere wurden digital animiert, und Russell Crowe, der die Titelrolle spielt, wird von Anthony Hopkins (als Methusalem) und Emma Watson flankiert. Aber die hohen Kosten kommen offenbar wieder herein.

Eine Szene aus dem Film "Noah" zeigt die Arche

© MMXIV Paramount Pictures Corporation and Regency Engtertainment (USA), Inc. All Rights Reserved

Noahs Familie vor dem Eingang zur Arche. Rechts im Bild: Emma Watson

Zur Erinnerung die Bibelgeschichte: Gott ist erzürnt, weil die Menschen mit seiner Schöpfung Schindluder treiben. Noah ist sein Auserwählter. Der soll sich, seine Familie und von jeder Tierart ein Pärchen auf eine Arche retten. Gott wird dann den Rest der Menschen- und Tierwelt durch eine Sintflut eliminieren. Aronofsky hat Einiges dazugedichtet, was ihm prompt die Kritik fundamentalistischer Christen eingebracht hat. Er kontert: Das Wesen der Geschichte sei gleich geblieben.

Fatwa gegen Noah

Für Debatten sorgte „Noah“ nicht nur in der Christenwelt. Katar, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben den Film noch vor seiner Premiere verboten. Grund ist die im Islam verbotene bildliche Darstellung von Propheten. Die höchste Autorität des sunnitischen Islam hat bereits eine Fatwa gegen den Film erlassen.

Brückenschlag zur Gegenwart

Und das Wesen der Geschichte findet Aronovsky höchst aktuell, wie er im Interview mit der deutschen Nachrichtenagentur dpa sagt. Der Mensch ruiniert die Erde - und deshalb droht ihm der Untergang: „Für mich ist das das dringendste Thema unserer Zeit, unsere Verbindung zu diesem Planeten. Und viele sprechen ja auch davon, dass wir uns bereits an einem Wendepunkt befinden oder schon darüber hinaus sind. In dieser Hinsicht ist ‚Noah‘ also ziemlich aktuell. Wir leben ja heute genau die zweite Chance, die Noah durch den Schöpfer erhalten hat, und ich weiß nicht, wie das Urteil über uns heute ausfallen würde.“

Die Moral von der Geschichte wirkt so, wie sie im Film dargestellt wird, nicht unbedingt aktuell. Der Böse ist ein König, der sein Volk vor dem Ertrinken retten möchte. Der Gute ist Noah, der mit grausamer Gewalt und der Hilfe von Felsenmonstern verhindern will, dass irgendjemand außer seiner Familie die Naturkatastrophe überlebt. Ob das Happy End eintritt, sei hier nicht verraten. Aber falls ja, würde das Begründen eines neuen Menschenstammes auf das Abfeiern brutaler Inzucht hinauslaufen.

Eine Szene aus dem Film "Noah" mit Douglas Booth und Emma Watson

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Werden sich Sem (Douglas Booth) und Ila (Emma Watson) vermehren?

Eine Star-Wars-Szenerie

Bleibt das dritte von Aronofskys Vorhaben: sich mit dem Bibelfilm nicht lächerlich zu machen. Immerhin, es gab historisch gefeierte Verfilmungen wie Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ aus dem Jahr 1988. Und Aronofsky selbst hat sich zwischen Hollywood und Arthouse-Kino recht gut positioniert, seit er mit „Pi“ 1998 beim Sundance Festival für Furore sorgte - erinnert sei an „The Wrestler“ mit Mickey Rourke (2008) und „Black Swan“ mit Natalie Portman (2010).

Auf den ersten Blick fällt „Noah“ als Kostümkino, Actionfilm und Animationsspektakel auf. Die Kostüme sind unspektakulär, sie erinnern wie die ganze Szenerie ein wenig an den Planeten „Tatooine“ aus Star Wars. Tunichtgute in mittelalterlicher Kleidung ziehen marodierend durch wüstenartige Gegenden. In den Städten regieren Halsabschneider, Sklavenhandel scheint an der Tagesordnung zu stehen.

Die Tiere müssen schlafen

Die Animationen sind für ein 3-D-Großprojekt von diesem Umfang enttäuschend. Die Landschaft ist einfallslos, die Effekte (selbst bei der Flut, aber auch bei den Kämpfen) erinnern ein wenig an Computerspiele der 90er Jahre. Dass die Tiere ausschließlich animiert wurden, ist zwar verständlich, kostet den Film aber viele gute Bilder. Und gerade die hätte man sich von einem Massenstall wie der Arche erwartet.

Damit die ganze Animation nicht zu viel Arbeit ist, haben Noah und seine Familie im Film die Tiere mittels Drogen auch noch in Tiefschlaf versetzt. Aber selbst auf die statische Tierwelt erhascht man nur kurze Blicke, dabei steht deren Rettung doch im Mittelpunkt der Geschichte.

Regisseur Darren Aronofsky mit Schauspieler Russell Crowe

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Regisseur Aronofsky und sein Noah Russell Crowe

Meister des Verfalls

Wer einen Grund sucht, trotz allem ins Kino zu gehen, findet ihn in Russell Crowe. Der Film generiert seine Spannungsmomente großteils aus jenem Psychodrama, das sich zwischen Noah auf der einen und seiner Familie auf der anderen Seite abspielt. Die anderen würden gerne mehr Menschen retten und sich außerdem weiter vermehren. Aber Noah legt den Auftrag Gottes konservativ aus und will, dass wirklich alle sterben und selbst seine Familie sich nicht vermehrt, damit die Menschheit gänzlich von der Erdoberfläche verschwindet.

Seine Familie macht ihm große Vorwürfe, und ihm ist selbst nicht wohl in seiner Haut. Dieser innere Konflikt wird von Crowe glaubhaft dargestellt, man sieht Noah seinen Verfall an, in jeder Mimik, jedem Blick, in seiner Körperhaltung. Am Ende droht er daran zu zerbrechen, er, der zu Beginn noch so viril, kämpferisch und trotz der lebensfeindlichen Umstände so lebensbejahend war. Ebenfalls überzeugend ist Emma Watson als Noahs Adoptivtochter - ihre prominenteste Rolle seit der Hermine in den Harry-Potter-Filmen.

Ganze Reihe an Bibelfilmen

„Noah“ ist der erste in einer ganzen Reihe von Bibelfilmen, die demnächst ins Kino kommen. Mitten in den Dreharbeiten steckt Ridley Scott, der in „Exodus“ das Leben von Moses mit Christian Bale in der Hauptrolle auf die Leinwand bringt. „Mary - Mother of Christ“ über die junge Maria, die ihren Sohn Jesus vor König Herodes rettet, soll so etwas wie ein Prequel zu Mel Gibsons höchst umstrittenem Film „Passion Christi“ werden. Regisseur Alister Grierson hat mit Ben Kingsley und Julia Ormond ein prominentes Ensemble verpflichtet.

Weiters soll „Robocop“-Regisseur Paul Verhoeven, der mit seinem Buch „Jesus: Die Geschichte eines Menschen“ für Kontroversen sorgte, diese Biografie nun verfilmen. Bei Warner entwickelt man unterdessen „Pontius Pilatus“ und wünscht sich Brad Pitt in der Titelrolle. Regisseur Scott Derrickson plant, den Kampf „David gegen Goliath“ auf die Leinwand zu bringen und hat angeblich Taylor Lautner („Twilight“) als David engagiert. Will Smith will sich der Geschichte von Kain und Abel annehmen - dem Vernehmen nach aber wenig bibeltreu, vermischt mit einer Vampirstory unter dem Titel „Redemption of Cain“. Cineasten wie Christen müssen nach „Noah“ wohl noch auf so manches gefasst sein.

Simon Hadler, ORF.at

Link:

  • Noah (inkl. Videomaterial)