Spielen als Wirtschaftsmotor?
Die moskautreue Führung der Krim hat die Einrichtung einer Glücksspielzone auf der von Russland kontrollierten ukrainischen Halbinsel angeregt. „Diese Frage muss geprüft werden“, sagte Krim-Regierungschef Sergej Axjonow der Agentur Kriminform zufolge am Donnerstag in Simferopol. Das Ergebnis solle dann der Regierung in Moskau mitgeteilt werden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Russlands Regierungschef Dimitri Medwedew betonte in Moskau, die Wirtschaft der von Kiew abtrünnigen Halbinsel sei „nicht so gut entwickelt, wie es möglich wäre“. Die Krim, deren Haushaltsdefizit laut Moskauer Angaben gut eine Milliarde Euro beträgt, besitze aber viel Potenzial, sagte Medwedew.
Putin macht Druck
Er forderte das Finanz- und das Wirtschaftsministerium auf, bis zum 15. April einen Plan zur Eingliederung der Krim zu erstellen. Denkbar sei, die Halbinsel als „Sonderzone“ mit besonderen Steuererleichterungen und Subventionen einzustufen, sagte Medwedew.
Auch Kreml-Chef Wladimir Putin sorgt sich um das wirtschaftliche Wohl der Krim. Er rief das Parlament in Moskau auf, die Versorgung der von Kiew abtrünnigen Halbinsel schnell gesetzlich zu regeln. „Die Entwicklung der Wirtschaft sowie der sozialen Sphäre muss gewährleistet sein“, sagte der Präsident bei einem Treffen mit Mitgliedern des Föderationsrats. Er sehe „noch viele Fragen offen“.
Bei einem Treffen mit Medwedew sagte Putin, die Halbinsel solle wirtschaftlich schnell aufblühen. „Bei richtiger Organisation kann die Krim zu einem sehr attraktiven Standort werden“, so Putin. Langfristig könne sich die Krim vom „Hilfsempfänger“ zur Region entwickeln, die „bedeutende Einkünfte hat und an Russland abgibt“, sagte Medwedew der Agentur Interfax zufolge.
2006 Glücksspiel verboten
Ende 2006 hatte Putin per Gesetzesänderung Glücksspiel in Russland verboten. Nur der Alkoholmissbrauch sei schlimmer als die Spielsucht, hatte das Staatsoberhaupt gemeint. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten sich Kasinos in den russischen Großstädten stark verbreitet.
2009 wurden dann alle Spielbanken und Automatensalons zugedreht, dafür stampfte man in einigen Sonderzonen weit weg von den Metropolen des Riesenreichs jeweils eine Art Las Vegas aus dem Boden. Zu ihnen gehört Asow Kaliningrad (Königsberg), die Region Altai in Sibirien und eine Region im fernen Osten Russlands. Medienberichten zufolge rollt der Rubel dort nur mäßig. Seit Mitte 2009 jedenfalls darf in Russland offiziell nur noch dort gespielt werden. Nur Poker ohne Einsatz, Lotterie und Sportwetten sind weiter erlaubt.
Einnahmen durch Tourismus und Landwirtschaft
Mit einer Glücksspielzone hofft man offenbar, den Tourismus als Haupteinnahmequelle der Halbinsel ankurbeln zu können. Seit Sowjetzeiten zogen Badeorte wie Jalta im Sommer zahlreiche Urlauber an. In diesem Jahr dürften die meisten Touristen jedoch fernbleiben, weil ihnen die Krim zu „gefährlich“ ist. Doch es ist mehr als ein einmaliger Effekt zu befürchten: Ein Großteil der Urlauber kam aus der Ukraine, und diese dürften wohl in Zukunft nicht mehr dorthin reisen.
Bisher auf Ukraine angewiesen
Das zweite wirtschaftliche Standbein ist die Landwirtschaft, doch da ist man auf Wasser vom Festland angewiesen. 85 bis 90 Prozent ihres Wassers und rund 80 Prozent ihres Stromes kamen bisher vom ukrainischen Festland, ebenso 65 Prozent des Erdgases.
Selbst wenn Russland im Zuge der Eingliederung diese Lieferungen übernehmen wird, fehlt es vorher an Infrastruktur dafür. Kein Wunder also, dass die prorussischen Behörden vorzusorgen versuchen: Der angelegte Wasservorrat dürfte allerdings nur für einen Monat reichen, mit Diesel betriebene Generatoren sollen gegen Stromausfälle helfen. Vor einigen Tagen hieß es, die Ukraine habe die Stromlieferungen schon eingeschränkt.
Milliardenzusagen aus Moskau
Schon vor dem Referendum hatte Moskau der Krim umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht gestellt. Neben der Soforthilfe sind rund vier Milliarden Euro zu investieren, wird geschätzt. Helena Yakovlev Golani von der Universität Toronto beziffert die nötige Hilfe gar mit mehr als sieben Milliarden Euro innerhalb der nächsten fünf Jahre.
Alleine die geplante Brücke von der russischen Schwarzmeer-Küste zur Krim über die Meerenge von Kertsch - eine erste direkte Verbindung mit Russland - wird Schätzungen zufolge eine Milliarde Euro kosten. Dazu kommen die Kosten für die weitreichenden Umstellungen bei der Eingliederung in Russland: die Einführung des Rubels, der Druck neuer Pässe, die Angleichung der Verwaltungssysteme und so weiter. Wie viel Geld das verschlingen wird, dazu gibt es nicht einmal Schätzungen.
Hoffnung auf Wirtschaftsboom
Durchwegs optimistisch sieht die Lage der kremlfreundliche Fernsehsender Russia Today. Auch hier sieht man einige Herausforderungen, träumt aber bereits von einer Freihandelszone. Die Krim könne demnach das Wirtschaftswunder von Singapur wiederholen. Verwiesen wird dabei vor allem auf bisher ungenutzte Öl- und Gasreserven im Schwarzen Meer. Auch viele der rund zwei Millionen Einwohner der Krim glauben, dass das Leben als Teil Russlands einfacher wird: Von billigerem Benzin und billigeren Dienstleistungen ist die Rede.
Zudem hofft man auf mehr Geld: Moskau versprach Pensionen und Beamtengehälter wie auf russischem Niveau - etwa das Doppelte der ukrainischen Zahlungen, die zuletzt wegen des drohenden Staatsbankrotts nicht mehr vollständig flossen. Das Pro-Kopf-Einkommen auf der Krim liegt Analysten zufolge aktuell bei 10.800 Rubel (rund 200 Euro) - in Russland bei 37.000 Rubel. Dabei geht es um 600.000 Pensionisten und 200.000 Staatsbedienstete.
Links: