Sperre bald aufgehoben?
Ein Verwaltungsgericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat am Mittwoch die Aufhebung der von der Regierung verfügten Blockade des Onlinedienstes Twitter angeordnet. Das berichteten türkische Medien. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Zugang zu dem Kurznachrichtendienst in der Nacht auf Freitag sperren lassen und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
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Vizeregierungschef Bülent Arinc sagte, die Telekommunikationsbehörde werde der Entscheidung Folge leisten, sobald das Gericht sie zugestellt habe. Allerdings könne sie Widerspruch einlegen. Medienberichten zufolge sollte auch das türkische Verfassungsgericht noch am Mittwoch einen Beschluss in derselben Sache fassen.
Die Oppositionspartei CHP, die Klage gegen das Verbot eingelegt hatte, sprach von einem Warnschuss für das „totalitäre Regime“ von Erdogans islamisch-konservativer Partei AKP. Wer seine Gegner „mit Verboten und Zensur“ zum Schweigen bringen wolle, „für den ist das Ende nah“, sagte CHP-Vize Mrehan Halici der Nachrichtenagentur AFP nach dem Urteil in Ankara.
„Mittel für systematischen Rufmord“
Hintergrund für die Sperre waren anhaltende Korruptionsvorwürfe gegen Erdogan und seine Regierung. Viele dieser Vorwürfe wurden per Twitter verbreitet. Offiziell begründet wurde die Sperre mit der Weigerung des Unternehmens, von türkischen Gerichten beanstandete Beiträge zu löschen. Die Twitter-Sperre sei eine „präventive Maßnahme“ gegen Verleumdung, hatte das Büro Erdogans am Samstag erklärt. Twitter sei als „Mittel für systematischen Rufmord“ benutzt worden, indem über den Dienst „illegal beschaffte Aufnahmen“ und „gefälschte Mitschnitte abgehörter Telefonate“ verbreitet worden seien.
Sperre millionenfach umgangen
Neben dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül hatten auch westliche Regierungen und die EU das Twitter-Verbot verurteilt. Viele Nutzer fanden technische Tricks, um die Blockade zu umgehen. Auch Gül setzte sich demonstrativ über das Verbot hinweg. Nach Angaben von Datenauswertungsdiensten wurden in den ersten 36 Stunden des Verbots Millionen von Tweets abgesetzt. Die Ratingagentur Somera teilte mit, die Zahl der Tweets sei sogar um 33 Prozent gestiegen. Datendienste schätzten die Zahl der aus der Türkei pro Minute abgesetzten Tweets auf 17.000.
Scharfe Kritik der UNO
Auch international hagelte es Kritik: Sogar die Vereinten Nationen hatten von der türkischen Regierung eine Aufhebung der Sperre des Onlinedienstes verlangt. Die Twitter-Blockade sei „mit den Menschenrechtsverpflichtungen der Türkei unvereinbar“, sagte der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, am Dienstag. Die Rechte, die außerhalb des Internets gälten, seien auch im Internet gültig. Daher sollten die türkischen Behörden „die Twitter-Blockade widerrufen“.
Auch EU und OSZE besorgt
Zuvor hatte sich EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle besorgt geäußert. Das Verbot der Internetplattform „lässt die erklärte Verpflichtung der Türkei gegenüber europäischen Werten und Standards fraglich erscheinen“, so Füle. „Meinungsfreiheit, ein Grundrecht in jeder demokratischen Gesellschaft, beinhaltet das Recht, Information zu empfangen und mitzuteilen ohne Behinderung staatlicher Behörden“, betonte Füle. Das gelte auch für den Zugang zum Internet.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rügte das Abschalten scharf. Das sei ein weiterer Schritt zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit, sagte die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic, am Freitag in Wien. „Die Regierung sollte einen pluralistischen Diskurs schützen und fördern, statt ihn abzuwürgen.“ Sie rief die türkische Regierung auf, die Maßnahme zurückzunehmen.
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